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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Die Raubthiere. Katzen. -- Leopard.
aller Muße eine gute Ladung Rehposten oder eine sichere Kugel ihm auf das bunte Fell zu brennen.
Levaillant berichtet uns in ergötzlicher Weise von einer derartigen Jagd, wo man mit vielen Hunden
einen großen Busch umstellte und ruhig auf gut Glück hineinschoß, bei jeder Bewegung des Parders
zurückprallte und endlich doch noch zum Ziele kam, indem er, der Erzähler, einen guten Schuß an-
bringen konnte. Nur sehr wenig Jäger sind so tollkühn, ohne Hunde auf die Leopardenjagd zu gehen.
Sie umwickeln sich dann gewöhnlich den einen Arm dick mit Fellen und tragen ein scharfes, breites
Dolchmesser bei sich. Das Raubthier stürzt sich, wenn es gefehlt wurde, augenblicklich auf den An-
greifer, und dieser hält ihm den geschützten Arm entgegen. Jn demselben Augenblick, wo jener sich in
demselben verkrallt, stößt der Jäger ihm das breite Messer in das Herz.

Sehr eigenthümlich ist es, daß auch unter den einfachsten Naturkindern über solche Jagden die
köstlichsten Münchhausiaden umlaufen. So erzählte mir ein Scheich in Roseeres:

"Jn der Umgegend unserer Stadt sind die Leoparden zwar sehr häufig, aber doch nicht gefürchtet,
weil unsere Leute Söhne der Stärke sind und mit Leichtigkeit jedes wilde Thier zu bewältigen ver-
stehen. Die Jagd des Leoparden ist nun vollends eine Kleinigkeit. Wenn man weiß, wo er aufge-
bäumt hat, braucht man einfach in den Wald zu gehen und den Leoparden aufzufordern, vom Baume
herabzukommen; dann sticht man ihn todt."

Jch sprach meine Verwunderung über die Folgsamkeit des Thieres unverhohlen aus; allein mein
Berichterstatter blieb mir die Antwort nicht schuldig.

"Es ist ganz leicht," sagt er, "einen Leoparden vom Baume herabzubringen. Er betrachtet
nämlich seinen schönen Namen "Nimmr" als eine Verhöhnung und empört sich auf das äußerste,
wenn man ihn so ruft. Unsere vortrefflichen Knaben nehmen nun zwei scharfe Lanzen, gehen unter
seinen Baum, halten beide Lanzen neben sich über ihren Köpfen in die Höhe, so daß die Spitzen das
Haupt decken, und rufen laut: "Komm herab, Nimmr, komm herab, du Sohn der Feigheit, du Fleckiger,
du Schelm, komm, wenn du Muth hast!" Hierüber wird das Thier ganz wüthend, vergißt alle Vorsicht
und springt blind auf den Angreifer, natürlich aber in beide Lanzen, welche er sich dann sofort durch
das Herz stößt."

Pater Fillipini in Mensa hat während seines längjährigen Aufenthalts in Habesch und den
Bogosländern viel Leoparden erlegt, die meisten freilich, nachdem er sie vorher gefangen hatte. Unter
allen den Jagdberichten, welche er mir gab, hat mich der eine besonders angesprochen, und ihn will ich
auch meinen Lesern nicht vorenthalten.

Jn Keeren, dem Hauptdorfe des eigentlichen Bogoslandes, hat die katholische Mission einen
festen Wohnsitz gegründet. Sie hält, wie die ganze Gebirgsbevölkerung, ihre Herden, welche, wenig-
stens das kleine Vieh, nachts immer in einen wohlverwahrten Stall gebracht werden. Der Ziegen-
hirt, ein junger Bursch von 15 Jahren, schläft auf einer etwa 41/2 Fuß über dem Boden erhöhten
Lagerstätte im Stalle.|

Jn einer Regennacht vernimmt der in der nächsten Hütte ruhende Pater plötzlich den lauten Angst-
schrei aller in dem Stall eingepferchten Ziegen und die Hilferufe ihres Hirten. Er schließt sofort ganz
richtig, daß ein Leopard irgendwie eingedrungen sein müsse, und eilt mit seinem treuerprobten
Schweizerstutzen an den gefährdeten Stall.

"Was ist bei Dir los, Knabe?"

""O, Vater, ein Leopard ist in dem Stall! Er hat eine Ziege zusammengewürgt und wird wahr-
scheinlich auch über mich herfallen wollen. Seine Augen funkeln gräßlich.""

"Wie ist er eingedrungen?"

""Er hat die Wand mit sein Tatzen aus einander geschlagen und sich so eine Thür gebildet; auf
der andern Seite ist sie.""

Unser Pater geht auf die andre Seite, findet glücklich das Eingangsloch, holt einen großen Stein
und legt diesen vor die Oeffnung.

"Sei ruhig, mein Sohn! Dir wird Nichts geschehen; zünde aber Licht an, damit ich sehen kann."

Die Raubthiere. Katzen. — Leopard.
aller Muße eine gute Ladung Rehpoſten oder eine ſichere Kugel ihm auf das bunte Fell zu brennen.
Levaillant berichtet uns in ergötzlicher Weiſe von einer derartigen Jagd, wo man mit vielen Hunden
einen großen Buſch umſtellte und ruhig auf gut Glück hineinſchoß, bei jeder Bewegung des Parders
zurückprallte und endlich doch noch zum Ziele kam, indem er, der Erzähler, einen guten Schuß an-
bringen konnte. Nur ſehr wenig Jäger ſind ſo tollkühn, ohne Hunde auf die Leopardenjagd zu gehen.
Sie umwickeln ſich dann gewöhnlich den einen Arm dick mit Fellen und tragen ein ſcharfes, breites
Dolchmeſſer bei ſich. Das Raubthier ſtürzt ſich, wenn es gefehlt wurde, augenblicklich auf den An-
greifer, und dieſer hält ihm den geſchützten Arm entgegen. Jn demſelben Augenblick, wo jener ſich in
demſelben verkrallt, ſtößt der Jäger ihm das breite Meſſer in das Herz.

Sehr eigenthümlich iſt es, daß auch unter den einfachſten Naturkindern über ſolche Jagden die
köſtlichſten Münchhauſiaden umlaufen. So erzählte mir ein Scheich in Roſeeres:

„Jn der Umgegend unſerer Stadt ſind die Leoparden zwar ſehr häufig, aber doch nicht gefürchtet,
weil unſere Leute Söhne der Stärke ſind und mit Leichtigkeit jedes wilde Thier zu bewältigen ver-
ſtehen. Die Jagd des Leoparden iſt nun vollends eine Kleinigkeit. Wenn man weiß, wo er aufge-
bäumt hat, braucht man einfach in den Wald zu gehen und den Leoparden aufzufordern, vom Baume
herabzukommen; dann ſticht man ihn todt.‟

Jch ſprach meine Verwunderung über die Folgſamkeit des Thieres unverhohlen aus; allein mein
Berichterſtatter blieb mir die Antwort nicht ſchuldig.

„Es iſt ganz leicht,‟ ſagt er, „einen Leoparden vom Baume herabzubringen. Er betrachtet
nämlich ſeinen ſchönen Namen „Nimmr‟ als eine Verhöhnung und empört ſich auf das äußerſte,
wenn man ihn ſo ruft. Unſere vortrefflichen Knaben nehmen nun zwei ſcharfe Lanzen, gehen unter
ſeinen Baum, halten beide Lanzen neben ſich über ihren Köpfen in die Höhe, ſo daß die Spitzen das
Haupt decken, und rufen laut: „Komm herab, Nimmr, komm herab, du Sohn der Feigheit, du Fleckiger,
du Schelm, komm, wenn du Muth haſt!‟ Hierüber wird das Thier ganz wüthend, vergißt alle Vorſicht
und ſpringt blind auf den Angreifer, natürlich aber in beide Lanzen, welche er ſich dann ſofort durch
das Herz ſtößt.‟

Pater Fillipini in Menſa hat während ſeines längjährigen Aufenthalts in Habeſch und den
Bogosländern viel Leoparden erlegt, die meiſten freilich, nachdem er ſie vorher gefangen hatte. Unter
allen den Jagdberichten, welche er mir gab, hat mich der eine beſonders angeſprochen, und ihn will ich
auch meinen Leſern nicht vorenthalten.

Jn Keeren, dem Hauptdorfe des eigentlichen Bogoslandes, hat die katholiſche Miſſion einen
feſten Wohnſitz gegründet. Sie hält, wie die ganze Gebirgsbevölkerung, ihre Herden, welche, wenig-
ſtens das kleine Vieh, nachts immer in einen wohlverwahrten Stall gebracht werden. Der Ziegen-
hirt, ein junger Burſch von 15 Jahren, ſchläft auf einer etwa 4½ Fuß über dem Boden erhöhten
Lagerſtätte im Stalle.|

Jn einer Regennacht vernimmt der in der nächſten Hütte ruhende Pater plötzlich den lauten Angſt-
ſchrei aller in dem Stall eingepferchten Ziegen und die Hilferufe ihres Hirten. Er ſchließt ſofort ganz
richtig, daß ein Leopard irgendwie eingedrungen ſein müſſe, und eilt mit ſeinem treuerprobten
Schweizerſtutzen an den gefährdeten Stall.

„Was iſt bei Dir los, Knabe?‟

„„O, Vater, ein Leopard iſt in dem Stall! Er hat eine Ziege zuſammengewürgt und wird wahr-
ſcheinlich auch über mich herfallen wollen. Seine Augen funkeln gräßlich.‟‟

„Wie iſt er eingedrungen?‟

„„Er hat die Wand mit ſein Tatzen aus einander geſchlagen und ſich ſo eine Thür gebildet; auf
der andern Seite iſt ſie.‟‟

Unſer Pater geht auf die andre Seite, findet glücklich das Eingangsloch, holt einen großen Stein
und legt dieſen vor die Oeffnung.

„Sei ruhig, mein Sohn! Dir wird Nichts geſchehen; zünde aber Licht an, damit ich ſehen kann.‟

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[264/0328] Die Raubthiere. Katzen. — Leopard. aller Muße eine gute Ladung Rehpoſten oder eine ſichere Kugel ihm auf das bunte Fell zu brennen. Levaillant berichtet uns in ergötzlicher Weiſe von einer derartigen Jagd, wo man mit vielen Hunden einen großen Buſch umſtellte und ruhig auf gut Glück hineinſchoß, bei jeder Bewegung des Parders zurückprallte und endlich doch noch zum Ziele kam, indem er, der Erzähler, einen guten Schuß an- bringen konnte. Nur ſehr wenig Jäger ſind ſo tollkühn, ohne Hunde auf die Leopardenjagd zu gehen. Sie umwickeln ſich dann gewöhnlich den einen Arm dick mit Fellen und tragen ein ſcharfes, breites Dolchmeſſer bei ſich. Das Raubthier ſtürzt ſich, wenn es gefehlt wurde, augenblicklich auf den An- greifer, und dieſer hält ihm den geſchützten Arm entgegen. Jn demſelben Augenblick, wo jener ſich in demſelben verkrallt, ſtößt der Jäger ihm das breite Meſſer in das Herz. Sehr eigenthümlich iſt es, daß auch unter den einfachſten Naturkindern über ſolche Jagden die köſtlichſten Münchhauſiaden umlaufen. So erzählte mir ein Scheich in Roſeeres: „Jn der Umgegend unſerer Stadt ſind die Leoparden zwar ſehr häufig, aber doch nicht gefürchtet, weil unſere Leute Söhne der Stärke ſind und mit Leichtigkeit jedes wilde Thier zu bewältigen ver- ſtehen. Die Jagd des Leoparden iſt nun vollends eine Kleinigkeit. Wenn man weiß, wo er aufge- bäumt hat, braucht man einfach in den Wald zu gehen und den Leoparden aufzufordern, vom Baume herabzukommen; dann ſticht man ihn todt.‟ Jch ſprach meine Verwunderung über die Folgſamkeit des Thieres unverhohlen aus; allein mein Berichterſtatter blieb mir die Antwort nicht ſchuldig. „Es iſt ganz leicht,‟ ſagt er, „einen Leoparden vom Baume herabzubringen. Er betrachtet nämlich ſeinen ſchönen Namen „Nimmr‟ als eine Verhöhnung und empört ſich auf das äußerſte, wenn man ihn ſo ruft. Unſere vortrefflichen Knaben nehmen nun zwei ſcharfe Lanzen, gehen unter ſeinen Baum, halten beide Lanzen neben ſich über ihren Köpfen in die Höhe, ſo daß die Spitzen das Haupt decken, und rufen laut: „Komm herab, Nimmr, komm herab, du Sohn der Feigheit, du Fleckiger, du Schelm, komm, wenn du Muth haſt!‟ Hierüber wird das Thier ganz wüthend, vergißt alle Vorſicht und ſpringt blind auf den Angreifer, natürlich aber in beide Lanzen, welche er ſich dann ſofort durch das Herz ſtößt.‟ Pater Fillipini in Menſa hat während ſeines längjährigen Aufenthalts in Habeſch und den Bogosländern viel Leoparden erlegt, die meiſten freilich, nachdem er ſie vorher gefangen hatte. Unter allen den Jagdberichten, welche er mir gab, hat mich der eine beſonders angeſprochen, und ihn will ich auch meinen Leſern nicht vorenthalten. Jn Keeren, dem Hauptdorfe des eigentlichen Bogoslandes, hat die katholiſche Miſſion einen feſten Wohnſitz gegründet. Sie hält, wie die ganze Gebirgsbevölkerung, ihre Herden, welche, wenig- ſtens das kleine Vieh, nachts immer in einen wohlverwahrten Stall gebracht werden. Der Ziegen- hirt, ein junger Burſch von 15 Jahren, ſchläft auf einer etwa 4½ Fuß über dem Boden erhöhten Lagerſtätte im Stalle.| Jn einer Regennacht vernimmt der in der nächſten Hütte ruhende Pater plötzlich den lauten Angſt- ſchrei aller in dem Stall eingepferchten Ziegen und die Hilferufe ihres Hirten. Er ſchließt ſofort ganz richtig, daß ein Leopard irgendwie eingedrungen ſein müſſe, und eilt mit ſeinem treuerprobten Schweizerſtutzen an den gefährdeten Stall. „Was iſt bei Dir los, Knabe?‟ „„O, Vater, ein Leopard iſt in dem Stall! Er hat eine Ziege zuſammengewürgt und wird wahr- ſcheinlich auch über mich herfallen wollen. Seine Augen funkeln gräßlich.‟‟ „Wie iſt er eingedrungen?‟ „„Er hat die Wand mit ſein Tatzen aus einander geſchlagen und ſich ſo eine Thür gebildet; auf der andern Seite iſt ſie.‟‟ Unſer Pater geht auf die andre Seite, findet glücklich das Eingangsloch, holt einen großen Stein und legt dieſen vor die Oeffnung. „Sei ruhig, mein Sohn! Dir wird Nichts geſchehen; zünde aber Licht an, damit ich ſehen kann.‟

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 264. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/328>, abgerufen am 22.11.2024.