Das Springen geschieht sehr verschiedenartig. Alle Säugethiere, welche springend laufen, wie die vorhin Genannten, schnellen sich durch plötzliches Ausstrecken ihrer zusammengebogenen Hin- terbeine vorwärts und machen Sätze anstatt der Schritte. Diejenigen, welche nur dann springen, wenn sie angreifen oder ein Hinderniß übersetzen wollen, schnellen sich immer durch die Kraftanstrengung aller vier Beine empor, wenn auch die Hinterbeine das Hauptsächlichste dabei leisten müssen. Der Schwanz bestimmt oder regelt die Richtung des Sprunges: und deshalb ist auch bei fast allen Springern dieses nothwendige Steuer besonders entwickelt, beim Affen ebensowohl, wie bei der Springmaus, bei der Katze, wie bei dem Känguru. Nur sehr selten, bei den Langarmaffen z. B., verrichten die Hinter- beine anstatt des Schwanzes den Dienst des Steuerns, -- wie ja auch alle sehr kurzschwänzigen Vögel (die Alken, Steißfüße, Seetaucher und andere) blos mit den Füßen steuern. Die Kraft des Sprunges ist sehr bedeutend. Ein Affe kann einen in wagrechter Richtung zwanzig bis dreißig Fuß von ihm entfernten Zweig springend erreichen; ein Eichhorn springt ungefährdet aus einer Höhe von sechszig und mehr Fuß zur Tiefe nieder; ein Hirsch setzt über eine Wand von acht, ein Löwe über eine solche von zehn Fuß Höhe, eine Gemse über eine Kluft von gleicher Weite; ein Steinbock schnellt sich bis zehn Fuß seukrecht empor etc. Der hüpfende Gang der Springbeutelthiere fördert fast ebenso schnell, wie der Lauf des Hundes; eine Springmaus wird niemals von einem laufenden Menschen eingeholt. Jm Springen sind die Säugethiere Meister; selbst der behende, starke Lachs, welcher doch oft unter den scheinbar ungünstigsten Umständen bedeutende hohe Sprünge macht, kann mit ihnen nicht wetteisern.
Sehr merkwürdig und verschieden ist die Kletterbewegung der Säugethiere. Wir fin- den unter denjenigen, deren ganzes Leben auf dem Baume verfließt, ausgezeichnete Kletterer, Seil- oder Zweigkünstler und Gaukler. Nicht nur alle vier Beine, Hände und Pfoten, sondern auch der Schwanz werden in Thätigkeit gesetzt; der letztere übernimmt sogar eine ganz eigenthümliche Rolle, deren Wiederholung wir nur bei einigen Lurchen bemerken: er dient als Werkzeug zum Anheften, zum Festbinden des Leibes. Alle altweltlichen Affen klettern, indem sie das Gestein oder die Äste und Zweige mit ihren vier Händen packen und sich durch Anziehen der Vorderarme und Strecken der hinteren Glieder fortschieben. Daß bei solchen Künstlern auch das Umgekehrte stattfinden kann, ver- steht sich von selbst: denn der Gegensatz zwischen Händen und Füßen ist ja bei ihnen gleichsam aufgehoben. Ganz anders klettern viele Affen Amerikas. Sie sind geistig wie leiblich träger, also vorsichtiger und langsamer, als ihre übermüthigen Verwandten in der alten Welt: auch ihre Bewegungen müssen daher andere sein. Allerdings werden die Hände noch benutzt: der Schwanz aber ist es, welcher zum Festhalten dient. Seine starken Muskeln rollen dessen Ende so fest um einen Ast oder Zweig, daß der ganze Leib hierdurch allein schon eine Stütze oder einen Henkel erhält, mit welchem er sich so sicher befestigen kann, daß die Benutzung aller vier Beine möglich wird. Dieser Schwanz nun ist es, welcher vorausgeschickt wird, um Anhalt zu suchen, an ihm klettert unter Umständen der Affe wie an einem festgebundenen Seile empor. -- Von beiden Familien unterscheiden sich die Krallenkletterer, zu welchen schon eine Familie der wirklichen Affen gehört. Sie häkeln sich mit ihren gebogenen, scharfen Krallen in die Baum- rinde ein und gebrauchen den Schwanz höchstens noch zum Anstemmen gegen die Fläche, an welcher sie hinaufklettern, oder gar nicht mehr. Unser Eichhorn und die Katze, der Marder und der Bär, der Beutelbilch und das Löwenäffchen sind solche Krallenkletterer. Sie sind im Stande, mit großer Klettergeschwindigkeit auf wagrechten, schiefen und senkrechten Flächen sich zu bewegen, ja, förmlich her- umzulaufen, und einzelne von ihnen, wie die Kusus und Beutelratten, besitzen dazu auch noch einen Wickelschwanz und geben dann kaum den Affen im Klettern Etwas nach. Weit schwerfälliger ist das Klettern der Faulthiere. Jhre Füße sind zwar mit starken Krallen versehen: sie benutzen diese aber weniger zum Einhäkeln in die Rinde, als vielmehr zum Umklammern der Äste und Zweige der Bäume. An den Stämmen sollen sie wie ein Mensch emporklimmen. Noch einfacher, keineswegs aber ungefähr- licher, ist das Ersteigen von Felswänden oder starken Steilungen der Gebirge. Die Paviane, welche auf den Bäumen tölpisch sind, müssen als die Meister in dieser Fertigkeit angesehen werden: gleich hinter ihnen aber kommen -- die Wiederkäuer, welche auf Gebirgen leben. Sie steigen zwar blos; allein dieses Steigen ist ein Klettern in halsbrechender Weise und erfordert entschieden eine weit größere Sicherheit und eine kaum minder große Gewandtheit, als das Klettern aller vorher genannten Thiere.
Gang. Springen. Klettern.
Das Springen geſchieht ſehr verſchiedenartig. Alle Säugethiere, welche ſpringend laufen, wie die vorhin Genannten, ſchnellen ſich durch plötzliches Ausſtrecken ihrer zuſammengebogenen Hin- terbeine vorwärts und machen Sätze anſtatt der Schritte. Diejenigen, welche nur dann ſpringen, wenn ſie angreifen oder ein Hinderniß überſetzen wollen, ſchnellen ſich immer durch die Kraftanſtrengung aller vier Beine empor, wenn auch die Hinterbeine das Hauptſächlichſte dabei leiſten müſſen. Der Schwanz beſtimmt oder regelt die Richtung des Sprunges: und deshalb iſt auch bei faſt allen Springern dieſes nothwendige Steuer beſonders entwickelt, beim Affen ebenſowohl, wie bei der Springmaus, bei der Katze, wie bei dem Känguru. Nur ſehr ſelten, bei den Langarmaffen z. B., verrichten die Hinter- beine anſtatt des Schwanzes den Dienſt des Steuerns, — wie ja auch alle ſehr kurzſchwänzigen Vögel (die Alken, Steißfüße, Seetaucher und andere) blos mit den Füßen ſteuern. Die Kraft des Sprunges iſt ſehr bedeutend. Ein Affe kann einen in wagrechter Richtung zwanzig bis dreißig Fuß von ihm entfernten Zweig ſpringend erreichen; ein Eichhorn ſpringt ungefährdet aus einer Höhe von ſechszig und mehr Fuß zur Tiefe nieder; ein Hirſch ſetzt über eine Wand von acht, ein Löwe über eine ſolche von zehn Fuß Höhe, eine Gemſe über eine Kluft von gleicher Weite; ein Steinbock ſchnellt ſich bis zehn Fuß ſeukrecht empor ꝛc. Der hüpfende Gang der Springbeutelthiere fördert faſt ebenſo ſchnell, wie der Lauf des Hundes; eine Springmaus wird niemals von einem laufenden Menſchen eingeholt. Jm Springen ſind die Säugethiere Meiſter; ſelbſt der behende, ſtarke Lachs, welcher doch oft unter den ſcheinbar ungünſtigſten Umſtänden bedeutende hohe Sprünge macht, kann mit ihnen nicht wetteiſern.
Sehr merkwürdig und verſchieden iſt die Kletterbewegung der Säugethiere. Wir fin- den unter denjenigen, deren ganzes Leben auf dem Baume verfließt, ausgezeichnete Kletterer, Seil- oder Zweigkünſtler und Gaukler. Nicht nur alle vier Beine, Hände und Pfoten, ſondern auch der Schwanz werden in Thätigkeit geſetzt; der letztere übernimmt ſogar eine ganz eigenthümliche Rolle, deren Wiederholung wir nur bei einigen Lurchen bemerken: er dient als Werkzeug zum Anheften, zum Feſtbinden des Leibes. Alle altweltlichen Affen klettern, indem ſie das Geſtein oder die Äſte und Zweige mit ihren vier Händen packen und ſich durch Anziehen der Vorderarme und Strecken der hinteren Glieder fortſchieben. Daß bei ſolchen Künſtlern auch das Umgekehrte ſtattfinden kann, ver- ſteht ſich von ſelbſt: denn der Gegenſatz zwiſchen Händen und Füßen iſt ja bei ihnen gleichſam aufgehoben. Ganz anders klettern viele Affen Amerikas. Sie ſind geiſtig wie leiblich träger, alſo vorſichtiger und langſamer, als ihre übermüthigen Verwandten in der alten Welt: auch ihre Bewegungen müſſen daher andere ſein. Allerdings werden die Hände noch benutzt: der Schwanz aber iſt es, welcher zum Feſthalten dient. Seine ſtarken Muskeln rollen deſſen Ende ſo feſt um einen Aſt oder Zweig, daß der ganze Leib hierdurch allein ſchon eine Stütze oder einen Henkel erhält, mit welchem er ſich ſo ſicher befeſtigen kann, daß die Benutzung aller vier Beine möglich wird. Dieſer Schwanz nun iſt es, welcher vorausgeſchickt wird, um Anhalt zu ſuchen, an ihm klettert unter Umſtänden der Affe wie an einem feſtgebundenen Seile empor. — Von beiden Familien unterſcheiden ſich die Krallenkletterer, zu welchen ſchon eine Familie der wirklichen Affen gehört. Sie häkeln ſich mit ihren gebogenen, ſcharfen Krallen in die Baum- rinde ein und gebrauchen den Schwanz höchſtens noch zum Anſtemmen gegen die Fläche, an welcher ſie hinaufklettern, oder gar nicht mehr. Unſer Eichhorn und die Katze, der Marder und der Bär, der Beutelbilch und das Löwenäffchen ſind ſolche Krallenkletterer. Sie ſind im Stande, mit großer Klettergeſchwindigkeit auf wagrechten, ſchiefen und ſenkrechten Flächen ſich zu bewegen, ja, förmlich her- umzulaufen, und einzelne von ihnen, wie die Kuſus und Beutelratten, beſitzen dazu auch noch einen Wickelſchwanz und geben dann kaum den Affen im Klettern Etwas nach. Weit ſchwerfälliger iſt das Klettern der Faulthiere. Jhre Füße ſind zwar mit ſtarken Krallen verſehen: ſie benutzen dieſe aber weniger zum Einhäkeln in die Rinde, als vielmehr zum Umklammern der Äſte und Zweige der Bäume. An den Stämmen ſollen ſie wie ein Menſch emporklimmen. Noch einfacher, keineswegs aber ungefähr- licher, iſt das Erſteigen von Felswänden oder ſtarken Steilungen der Gebirge. Die Paviane, welche auf den Bäumen tölpiſch ſind, müſſen als die Meiſter in dieſer Fertigkeit angeſehen werden: gleich hinter ihnen aber kommen — die Wiederkäuer, welche auf Gebirgen leben. Sie ſteigen zwar blos; allein dieſes Steigen iſt ein Klettern in halsbrechender Weiſe und erfordert entſchieden eine weit größere Sicherheit und eine kaum minder große Gewandtheit, als das Klettern aller vorher genannten Thiere.
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[XVII[XVII]/0027]
Gang. Springen. Klettern.
Das Springen geſchieht ſehr verſchiedenartig. Alle Säugethiere, welche ſpringend laufen,
wie die vorhin Genannten, ſchnellen ſich durch plötzliches Ausſtrecken ihrer zuſammengebogenen Hin-
terbeine vorwärts und machen Sätze anſtatt der Schritte. Diejenigen, welche nur dann ſpringen, wenn
ſie angreifen oder ein Hinderniß überſetzen wollen, ſchnellen ſich immer durch die Kraftanſtrengung aller
vier Beine empor, wenn auch die Hinterbeine das Hauptſächlichſte dabei leiſten müſſen. Der Schwanz
beſtimmt oder regelt die Richtung des Sprunges: und deshalb iſt auch bei faſt allen Springern dieſes
nothwendige Steuer beſonders entwickelt, beim Affen ebenſowohl, wie bei der Springmaus, bei der
Katze, wie bei dem Känguru. Nur ſehr ſelten, bei den Langarmaffen z. B., verrichten die Hinter-
beine anſtatt des Schwanzes den Dienſt des Steuerns, — wie ja auch alle ſehr kurzſchwänzigen Vögel
(die Alken, Steißfüße, Seetaucher und andere) blos mit den Füßen ſteuern. Die Kraft des
Sprunges iſt ſehr bedeutend. Ein Affe kann einen in wagrechter Richtung zwanzig bis dreißig Fuß von
ihm entfernten Zweig ſpringend erreichen; ein Eichhorn ſpringt ungefährdet aus einer Höhe von
ſechszig und mehr Fuß zur Tiefe nieder; ein Hirſch ſetzt über eine Wand von acht, ein Löwe über eine
ſolche von zehn Fuß Höhe, eine Gemſe über eine Kluft von gleicher Weite; ein Steinbock ſchnellt ſich
bis zehn Fuß ſeukrecht empor ꝛc. Der hüpfende Gang der Springbeutelthiere fördert faſt ebenſo
ſchnell, wie der Lauf des Hundes; eine Springmaus wird niemals von einem laufenden Menſchen
eingeholt. Jm Springen ſind die Säugethiere Meiſter; ſelbſt der behende, ſtarke Lachs, welcher doch
oft unter den ſcheinbar ungünſtigſten Umſtänden bedeutende hohe Sprünge macht, kann mit ihnen nicht
wetteiſern.
Sehr merkwürdig und verſchieden iſt die Kletterbewegung der Säugethiere. Wir fin-
den unter denjenigen, deren ganzes Leben auf dem Baume verfließt, ausgezeichnete Kletterer, Seil-
oder Zweigkünſtler und Gaukler. Nicht nur alle vier Beine, Hände und Pfoten, ſondern auch der
Schwanz werden in Thätigkeit geſetzt; der letztere übernimmt ſogar eine ganz eigenthümliche Rolle,
deren Wiederholung wir nur bei einigen Lurchen bemerken: er dient als Werkzeug zum Anheften,
zum Feſtbinden des Leibes. Alle altweltlichen Affen klettern, indem ſie das Geſtein oder die
Äſte und Zweige mit ihren vier Händen packen und ſich durch Anziehen der Vorderarme und Strecken
der hinteren Glieder fortſchieben. Daß bei ſolchen Künſtlern auch das Umgekehrte ſtattfinden kann, ver-
ſteht ſich von ſelbſt: denn der Gegenſatz zwiſchen Händen und Füßen iſt ja bei ihnen gleichſam aufgehoben.
Ganz anders klettern viele Affen Amerikas. Sie ſind geiſtig wie leiblich träger, alſo vorſichtiger und
langſamer, als ihre übermüthigen Verwandten in der alten Welt: auch ihre Bewegungen müſſen daher
andere ſein. Allerdings werden die Hände noch benutzt: der Schwanz aber iſt es, welcher zum Feſthalten
dient. Seine ſtarken Muskeln rollen deſſen Ende ſo feſt um einen Aſt oder Zweig, daß der ganze Leib
hierdurch allein ſchon eine Stütze oder einen Henkel erhält, mit welchem er ſich ſo ſicher befeſtigen kann,
daß die Benutzung aller vier Beine möglich wird. Dieſer Schwanz nun iſt es, welcher vorausgeſchickt
wird, um Anhalt zu ſuchen, an ihm klettert unter Umſtänden der Affe wie an einem feſtgebundenen
Seile empor. — Von beiden Familien unterſcheiden ſich die Krallenkletterer, zu welchen ſchon eine
Familie der wirklichen Affen gehört. Sie häkeln ſich mit ihren gebogenen, ſcharfen Krallen in die Baum-
rinde ein und gebrauchen den Schwanz höchſtens noch zum Anſtemmen gegen die Fläche, an welcher ſie
hinaufklettern, oder gar nicht mehr. Unſer Eichhorn und die Katze, der Marder und der Bär, der
Beutelbilch und das Löwenäffchen ſind ſolche Krallenkletterer. Sie ſind im Stande, mit großer
Klettergeſchwindigkeit auf wagrechten, ſchiefen und ſenkrechten Flächen ſich zu bewegen, ja, förmlich her-
umzulaufen, und einzelne von ihnen, wie die Kuſus und Beutelratten, beſitzen dazu auch noch einen
Wickelſchwanz und geben dann kaum den Affen im Klettern Etwas nach. Weit ſchwerfälliger iſt das
Klettern der Faulthiere. Jhre Füße ſind zwar mit ſtarken Krallen verſehen: ſie benutzen dieſe aber
weniger zum Einhäkeln in die Rinde, als vielmehr zum Umklammern der Äſte und Zweige der Bäume.
An den Stämmen ſollen ſie wie ein Menſch emporklimmen. Noch einfacher, keineswegs aber ungefähr-
licher, iſt das Erſteigen von Felswänden oder ſtarken Steilungen der Gebirge. Die Paviane, welche
auf den Bäumen tölpiſch ſind, müſſen als die Meiſter in dieſer Fertigkeit angeſehen werden: gleich
hinter ihnen aber kommen — die Wiederkäuer, welche auf Gebirgen leben. Sie ſteigen zwar blos;
allein dieſes Steigen iſt ein Klettern in halsbrechender Weiſe und erfordert entſchieden eine weit größere
Sicherheit und eine kaum minder große Gewandtheit, als das Klettern aller vorher genannten Thiere.
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. XVII[XVII]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/27>, abgerufen am 16.02.2025.
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