zeigt. Dies mag aus nachstehender Geschichte hervorgehen, welche von einem alten holländischen Bauer erzählt wurde, der im Schatten des Draakenberges wohnte und hauptsächlich von dem Gelde lebte, das er aus der Jagd der Elefanten gewann.
Jn einem dichten Gestrüpp, welches ungefähr eine englische Meile von der Besitzung des Bauers entfernt war, hatte sich ein Löwe niedergelassen. Er fand dort Schutz und Wasser und konnte recht behaglich seinen Jagdzügen von hier aus nachgehen. Unser Bauer merkte sehr bald, welchen Nachbar er erhalten hatte; die unverkennbare Fährte im Sande sagte genug, und der Mann beschloß deshalb, auf seiner Hut zu sein. Jn der ersten Nacht erhoben die Hunde ein wüthendes Gebell; der Löwe aber verhielt sich ruhig, und der Bauer gab sich bereits dem süßen Traume hin, daß Freund Leu, von den Hunden gewarnt, die Gegend verlassen habe. Aber Leu war kein Furchthase und hatte sich von dem Bischen Hundegebell nicht in die Flucht schlagen lassen.
Während der zweiten Nacht wurde Röberg, ein starker Ochse vom Lieblingsgespann, ohne Um- stände von ihm weggeführt. Am Morgen zeigte sich, daß der Löwe über die Umzäunung, welche den Kraal umgab, gesprungen war, den Ochsen getödtet hatte und mit ihm über die Umzäunung zurück- gegangen sein würde, wenn diese unter dem gemeinsamen Gewicht des Ochsen und des Löwen nicht gebrochen wäre und ihm so einen bequemern Ausgang geboten hätte.
Der Bauer verfolgte augenblicklich im Geleit seines Hottentotten und eines halben Dutzend seiner besten Hunde die Löwenspur. Ohne Schwierigkeit erkannten die Jäger, daß der Löwe in jenem dicken Gestrüpp sein müsse; doch Dies war an und für sich kein großer Vortheil: denn der Kloof -- so wird im Kaplande eine Schlucht genannt, welche dicht mit Dornen bewachsen ist -- war ungefähr eine Meile lang und 300 oder 400 Ellen breit. Die Bäume und Sträuche bestanden aus Stachel- gewächsen und Dornen; kriechendes Gesträuch und langes Gras bedeckte den Boden in solcher Ueppig- keit, daß es fast unmöglich schien, hindurchzudringen. Man kam deshalb überein, daß sich der Bauer an der einen, der Hottentotte an der andern Seite des Kloofs aufstellen und daß die Hunde den Löwen heraustreiben sollten.
Das lebhafte Bellen der Rüden zeigte bald an, daß sie den Räuber entdeckt hatten; aber man merkte auch, daß sie unfähig waren, ihn aus seiner Festung hinauszutreiben. Man hörte, wie sie bald zurückprallten, wenn das erzürnte Ungeheuer einen Angriff machte, bald aber wieder vordrangen; im Ganzen jedoch blieb das Gebell auf einer und derselben Stelle. Endlich, als das Bellen schwächer und immer schwächer wurde, hielt man es für räthlich, die Hunde zurückzurufen. Doch alles Pfeifen und Rufen brachte nicht mehr als zwei von dem halben Dutzend zu ihrem Herrn zurück, und einer von diesen war schrecklich verstümmelt: -- die anderen hatte der Löwe getödtet.
Dieser erste Versuch, des unangenehmen Nachbars habhaft zu werden, war gänzlich mißlungen, und der Bauer kehrte, den Verlust seiner Hunde beklagend, nach Hause zurück, um sich nach solcher Anstrengung zu erfrischen. Während der Nacht wachte er an seinem Kraal, aber der Löwe stattete ihm keinen zweiten Besuch ab. Am folgenden Abend machte unser Mann sich in Begleitung seines Hottentotten noch einmal nach dem Kloof auf. Man bestieg hier einen Baum in der Nähe des Wechsels, und beide Jäger spähten die ganze Nacht nach ihrem Gegner. Der Löwe war aber klüger, als sie; er ging einen andern Weg, und während sie dort auf den Bäumen saßen, holte er sich, ohne sich zu fürchten oder irgendwie einzuschräncken, ein sehr werthvolles Pferd aus dem Hofe, den Hinterhalt, welcher ihm gelegt worden war, glücklich vermeidend. Die Wuth des heimgekehrten Baners und sein Schelten auf die Hottentotten und Kassern wegen ihrer Nachlässigkeit und Feigheit mag man sich selbst in Worte setzen. Der Bauer beruhigte sich endlich doch, und mit der Ruhe kam ihm ein neuer Plan. Derselbe war nicht wenig gefahrvoll. Der kühne Mann wollte den dichten Kloof zu Fuß und ohne Hunde betreten, um den Löwen selbst aufzusuchen und zu tödten. Er war ein alter, erfahrner Jäger und verstand sich auf die Führung seiner Doppelbüchse wie nur Einer. Das Werk aber, welches er vorhatte, war kein Kinderspiel, und all sein Mannesmuth war erforderlich, um es glücklich zu Ende zu führen.
13 *
Löwengebrüll und ſeine Wirkung. Löwenjagd am Kap.
zeigt. Dies mag aus nachſtehender Geſchichte hervorgehen, welche von einem alten holländiſchen Bauer erzählt wurde, der im Schatten des Draakenberges wohnte und hauptſächlich von dem Gelde lebte, das er aus der Jagd der Elefanten gewann.
Jn einem dichten Geſtrüpp, welches ungefähr eine engliſche Meile von der Beſitzung des Bauers entfernt war, hatte ſich ein Löwe niedergelaſſen. Er fand dort Schutz und Waſſer und konnte recht behaglich ſeinen Jagdzügen von hier aus nachgehen. Unſer Bauer merkte ſehr bald, welchen Nachbar er erhalten hatte; die unverkennbare Fährte im Sande ſagte genug, und der Mann beſchloß deshalb, auf ſeiner Hut zu ſein. Jn der erſten Nacht erhoben die Hunde ein wüthendes Gebell; der Löwe aber verhielt ſich ruhig, und der Bauer gab ſich bereits dem ſüßen Traume hin, daß Freund Leu, von den Hunden gewarnt, die Gegend verlaſſen habe. Aber Leu war kein Furchthaſe und hatte ſich von dem Bischen Hundegebell nicht in die Flucht ſchlagen laſſen.
Während der zweiten Nacht wurde Röberg, ein ſtarker Ochſe vom Lieblingsgeſpann, ohne Um- ſtände von ihm weggeführt. Am Morgen zeigte ſich, daß der Löwe über die Umzäunung, welche den Kraal umgab, geſprungen war, den Ochſen getödtet hatte und mit ihm über die Umzäunung zurück- gegangen ſein würde, wenn dieſe unter dem gemeinſamen Gewicht des Ochſen und des Löwen nicht gebrochen wäre und ihm ſo einen bequemern Ausgang geboten hätte.
Der Bauer verfolgte augenblicklich im Geleit ſeines Hottentotten und eines halben Dutzend ſeiner beſten Hunde die Löwenſpur. Ohne Schwierigkeit erkannten die Jäger, daß der Löwe in jenem dicken Geſtrüpp ſein müſſe; doch Dies war an und für ſich kein großer Vortheil: denn der Kloof — ſo wird im Kaplande eine Schlucht genannt, welche dicht mit Dornen bewachſen iſt — war ungefähr eine Meile lang und 300 oder 400 Ellen breit. Die Bäume und Sträuche beſtanden aus Stachel- gewächſen und Dornen; kriechendes Geſträuch und langes Gras bedeckte den Boden in ſolcher Ueppig- keit, daß es faſt unmöglich ſchien, hindurchzudringen. Man kam deshalb überein, daß ſich der Bauer an der einen, der Hottentotte an der andern Seite des Kloofs aufſtellen und daß die Hunde den Löwen heraustreiben ſollten.
Das lebhafte Bellen der Rüden zeigte bald an, daß ſie den Räuber entdeckt hatten; aber man merkte auch, daß ſie unfähig waren, ihn aus ſeiner Feſtung hinauszutreiben. Man hörte, wie ſie bald zurückprallten, wenn das erzürnte Ungeheuer einen Angriff machte, bald aber wieder vordrangen; im Ganzen jedoch blieb das Gebell auf einer und derſelben Stelle. Endlich, als das Bellen ſchwächer und immer ſchwächer wurde, hielt man es für räthlich, die Hunde zurückzurufen. Doch alles Pfeifen und Rufen brachte nicht mehr als zwei von dem halben Dutzend zu ihrem Herrn zurück, und einer von dieſen war ſchrecklich verſtümmelt: — die anderen hatte der Löwe getödtet.
Dieſer erſte Verſuch, des unangenehmen Nachbars habhaft zu werden, war gänzlich mißlungen, und der Bauer kehrte, den Verluſt ſeiner Hunde beklagend, nach Hauſe zurück, um ſich nach ſolcher Anſtrengung zu erfriſchen. Während der Nacht wachte er an ſeinem Kraal, aber der Löwe ſtattete ihm keinen zweiten Beſuch ab. Am folgenden Abend machte unſer Mann ſich in Begleitung ſeines Hottentotten noch einmal nach dem Kloof auf. Man beſtieg hier einen Baum in der Nähe des Wechſels, und beide Jäger ſpähten die ganze Nacht nach ihrem Gegner. Der Löwe war aber klüger, als ſie; er ging einen andern Weg, und während ſie dort auf den Bäumen ſaßen, holte er ſich, ohne ſich zu fürchten oder irgendwie einzuſchräncken, ein ſehr werthvolles Pferd aus dem Hofe, den Hinterhalt, welcher ihm gelegt worden war, glücklich vermeidend. Die Wuth des heimgekehrten Baners und ſein Schelten auf die Hottentotten und Kaſſern wegen ihrer Nachläſſigkeit und Feigheit mag man ſich ſelbſt in Worte ſetzen. Der Bauer beruhigte ſich endlich doch, und mit der Ruhe kam ihm ein neuer Plan. Derſelbe war nicht wenig gefahrvoll. Der kühne Mann wollte den dichten Kloof zu Fuß und ohne Hunde betreten, um den Löwen ſelbſt aufzuſuchen und zu tödten. Er war ein alter, erfahrner Jäger und verſtand ſich auf die Führung ſeiner Doppelbüchſe wie nur Einer. Das Werk aber, welches er vorhatte, war kein Kinderſpiel, und all ſein Mannesmuth war erforderlich, um es glücklich zu Ende zu führen.
13 *
<TEI><text><body><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0255"n="195"/><fwplace="top"type="header">Löwengebrüll und ſeine Wirkung. Löwenjagd am Kap.</fw><lb/>
zeigt. Dies mag aus nachſtehender Geſchichte hervorgehen, welche von einem alten holländiſchen Bauer<lb/>
erzählt wurde, der im Schatten des Draakenberges wohnte und hauptſächlich von dem Gelde lebte,<lb/>
das er aus der Jagd der <hirendition="#g">Elefanten</hi> gewann.</p><lb/><p>Jn einem dichten Geſtrüpp, welches ungefähr eine engliſche Meile von der Beſitzung des Bauers<lb/>
entfernt war, hatte ſich ein Löwe niedergelaſſen. Er fand dort Schutz und Waſſer und konnte recht<lb/>
behaglich ſeinen Jagdzügen von hier aus nachgehen. Unſer Bauer merkte ſehr bald, welchen Nachbar<lb/>
er erhalten hatte; die unverkennbare Fährte im Sande ſagte genug, und der Mann beſchloß deshalb,<lb/>
auf ſeiner Hut zu ſein. Jn der erſten Nacht erhoben die Hunde ein wüthendes Gebell; der Löwe aber<lb/>
verhielt ſich ruhig, und der Bauer gab ſich bereits dem ſüßen Traume hin, daß Freund Leu, von den<lb/>
Hunden gewarnt, die Gegend verlaſſen habe. Aber Leu war kein Furchthaſe und hatte ſich von dem<lb/>
Bischen Hundegebell nicht in die Flucht ſchlagen laſſen.</p><lb/><p>Während der zweiten Nacht wurde <hirendition="#g">Röberg,</hi> ein ſtarker Ochſe vom Lieblingsgeſpann, ohne Um-<lb/>ſtände von ihm weggeführt. Am Morgen zeigte ſich, daß der Löwe über die Umzäunung, welche den<lb/>
Kraal umgab, geſprungen war, den Ochſen getödtet hatte und mit ihm über die Umzäunung zurück-<lb/>
gegangen ſein würde, wenn dieſe unter dem gemeinſamen Gewicht des Ochſen und des Löwen nicht<lb/>
gebrochen wäre und ihm ſo einen bequemern Ausgang geboten hätte.</p><lb/><p>Der Bauer verfolgte augenblicklich im Geleit ſeines Hottentotten und eines halben Dutzend<lb/>ſeiner beſten Hunde die Löwenſpur. Ohne Schwierigkeit erkannten die Jäger, daß der Löwe in jenem<lb/>
dicken Geſtrüpp ſein müſſe; doch Dies war an und für ſich kein großer Vortheil: denn der Kloof —<lb/>ſo wird im Kaplande eine Schlucht genannt, welche dicht mit Dornen bewachſen iſt — war ungefähr<lb/>
eine Meile lang und 300 oder 400 Ellen breit. Die Bäume und Sträuche beſtanden aus Stachel-<lb/>
gewächſen und Dornen; kriechendes Geſträuch und langes Gras bedeckte den Boden in ſolcher Ueppig-<lb/>
keit, daß es faſt unmöglich ſchien, hindurchzudringen. Man kam deshalb überein, daß ſich der Bauer<lb/>
an der einen, der Hottentotte an der andern Seite des Kloofs aufſtellen und daß die Hunde den<lb/>
Löwen heraustreiben ſollten.</p><lb/><p>Das lebhafte Bellen der Rüden zeigte bald an, daß ſie den Räuber entdeckt hatten; aber man<lb/>
merkte auch, daß ſie unfähig waren, ihn aus ſeiner Feſtung hinauszutreiben. Man hörte, wie ſie<lb/>
bald zurückprallten, wenn das erzürnte Ungeheuer einen Angriff machte, bald aber wieder vordrangen;<lb/>
im Ganzen jedoch blieb das Gebell auf einer und derſelben Stelle. Endlich, als das Bellen ſchwächer<lb/>
und immer ſchwächer wurde, hielt man es für räthlich, die Hunde zurückzurufen. Doch alles Pfeifen<lb/>
und Rufen brachte nicht mehr als zwei von dem halben Dutzend zu ihrem Herrn zurück, und einer<lb/>
von dieſen war ſchrecklich verſtümmelt: — die anderen hatte der Löwe getödtet.</p><lb/><p>Dieſer erſte Verſuch, des unangenehmen Nachbars habhaft zu werden, war gänzlich mißlungen,<lb/>
und der Bauer kehrte, den Verluſt ſeiner Hunde beklagend, nach Hauſe zurück, um ſich nach ſolcher<lb/>
Anſtrengung zu erfriſchen. Während der Nacht wachte er an ſeinem Kraal, aber der Löwe ſtattete ihm<lb/>
keinen zweiten Beſuch ab. Am folgenden Abend machte unſer Mann ſich in Begleitung ſeines Hottentotten<lb/>
noch einmal nach dem Kloof auf. Man beſtieg hier einen Baum in der Nähe des Wechſels, und beide<lb/>
Jäger ſpähten die ganze Nacht nach ihrem Gegner. Der Löwe war aber klüger, als ſie; er ging<lb/>
einen andern Weg, und während ſie dort auf den Bäumen ſaßen, holte er ſich, ohne ſich zu fürchten<lb/>
oder irgendwie einzuſchräncken, ein ſehr werthvolles Pferd aus dem Hofe, den Hinterhalt, welcher ihm<lb/>
gelegt worden war, glücklich vermeidend. Die Wuth des heimgekehrten Baners und ſein Schelten<lb/>
auf die Hottentotten und Kaſſern wegen ihrer Nachläſſigkeit und Feigheit mag man ſich ſelbſt in<lb/>
Worte ſetzen. Der Bauer beruhigte ſich endlich doch, und mit der Ruhe kam ihm ein neuer Plan.<lb/>
Derſelbe war nicht wenig gefahrvoll. Der kühne Mann wollte den dichten Kloof zu Fuß und<lb/>
ohne Hunde betreten, um den Löwen ſelbſt aufzuſuchen und zu tödten. Er war ein alter, erfahrner<lb/>
Jäger und verſtand ſich auf die Führung ſeiner Doppelbüchſe wie nur Einer. Das Werk aber,<lb/>
welches er vorhatte, war kein Kinderſpiel, und all ſein Mannesmuth war erforderlich, um es glücklich<lb/>
zu Ende zu führen.</p><lb/><fwplace="bottom"type="sig">13 *</fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[195/0255]
Löwengebrüll und ſeine Wirkung. Löwenjagd am Kap.
zeigt. Dies mag aus nachſtehender Geſchichte hervorgehen, welche von einem alten holländiſchen Bauer
erzählt wurde, der im Schatten des Draakenberges wohnte und hauptſächlich von dem Gelde lebte,
das er aus der Jagd der Elefanten gewann.
Jn einem dichten Geſtrüpp, welches ungefähr eine engliſche Meile von der Beſitzung des Bauers
entfernt war, hatte ſich ein Löwe niedergelaſſen. Er fand dort Schutz und Waſſer und konnte recht
behaglich ſeinen Jagdzügen von hier aus nachgehen. Unſer Bauer merkte ſehr bald, welchen Nachbar
er erhalten hatte; die unverkennbare Fährte im Sande ſagte genug, und der Mann beſchloß deshalb,
auf ſeiner Hut zu ſein. Jn der erſten Nacht erhoben die Hunde ein wüthendes Gebell; der Löwe aber
verhielt ſich ruhig, und der Bauer gab ſich bereits dem ſüßen Traume hin, daß Freund Leu, von den
Hunden gewarnt, die Gegend verlaſſen habe. Aber Leu war kein Furchthaſe und hatte ſich von dem
Bischen Hundegebell nicht in die Flucht ſchlagen laſſen.
Während der zweiten Nacht wurde Röberg, ein ſtarker Ochſe vom Lieblingsgeſpann, ohne Um-
ſtände von ihm weggeführt. Am Morgen zeigte ſich, daß der Löwe über die Umzäunung, welche den
Kraal umgab, geſprungen war, den Ochſen getödtet hatte und mit ihm über die Umzäunung zurück-
gegangen ſein würde, wenn dieſe unter dem gemeinſamen Gewicht des Ochſen und des Löwen nicht
gebrochen wäre und ihm ſo einen bequemern Ausgang geboten hätte.
Der Bauer verfolgte augenblicklich im Geleit ſeines Hottentotten und eines halben Dutzend
ſeiner beſten Hunde die Löwenſpur. Ohne Schwierigkeit erkannten die Jäger, daß der Löwe in jenem
dicken Geſtrüpp ſein müſſe; doch Dies war an und für ſich kein großer Vortheil: denn der Kloof —
ſo wird im Kaplande eine Schlucht genannt, welche dicht mit Dornen bewachſen iſt — war ungefähr
eine Meile lang und 300 oder 400 Ellen breit. Die Bäume und Sträuche beſtanden aus Stachel-
gewächſen und Dornen; kriechendes Geſträuch und langes Gras bedeckte den Boden in ſolcher Ueppig-
keit, daß es faſt unmöglich ſchien, hindurchzudringen. Man kam deshalb überein, daß ſich der Bauer
an der einen, der Hottentotte an der andern Seite des Kloofs aufſtellen und daß die Hunde den
Löwen heraustreiben ſollten.
Das lebhafte Bellen der Rüden zeigte bald an, daß ſie den Räuber entdeckt hatten; aber man
merkte auch, daß ſie unfähig waren, ihn aus ſeiner Feſtung hinauszutreiben. Man hörte, wie ſie
bald zurückprallten, wenn das erzürnte Ungeheuer einen Angriff machte, bald aber wieder vordrangen;
im Ganzen jedoch blieb das Gebell auf einer und derſelben Stelle. Endlich, als das Bellen ſchwächer
und immer ſchwächer wurde, hielt man es für räthlich, die Hunde zurückzurufen. Doch alles Pfeifen
und Rufen brachte nicht mehr als zwei von dem halben Dutzend zu ihrem Herrn zurück, und einer
von dieſen war ſchrecklich verſtümmelt: — die anderen hatte der Löwe getödtet.
Dieſer erſte Verſuch, des unangenehmen Nachbars habhaft zu werden, war gänzlich mißlungen,
und der Bauer kehrte, den Verluſt ſeiner Hunde beklagend, nach Hauſe zurück, um ſich nach ſolcher
Anſtrengung zu erfriſchen. Während der Nacht wachte er an ſeinem Kraal, aber der Löwe ſtattete ihm
keinen zweiten Beſuch ab. Am folgenden Abend machte unſer Mann ſich in Begleitung ſeines Hottentotten
noch einmal nach dem Kloof auf. Man beſtieg hier einen Baum in der Nähe des Wechſels, und beide
Jäger ſpähten die ganze Nacht nach ihrem Gegner. Der Löwe war aber klüger, als ſie; er ging
einen andern Weg, und während ſie dort auf den Bäumen ſaßen, holte er ſich, ohne ſich zu fürchten
oder irgendwie einzuſchräncken, ein ſehr werthvolles Pferd aus dem Hofe, den Hinterhalt, welcher ihm
gelegt worden war, glücklich vermeidend. Die Wuth des heimgekehrten Baners und ſein Schelten
auf die Hottentotten und Kaſſern wegen ihrer Nachläſſigkeit und Feigheit mag man ſich ſelbſt in
Worte ſetzen. Der Bauer beruhigte ſich endlich doch, und mit der Ruhe kam ihm ein neuer Plan.
Derſelbe war nicht wenig gefahrvoll. Der kühne Mann wollte den dichten Kloof zu Fuß und
ohne Hunde betreten, um den Löwen ſelbſt aufzuſuchen und zu tödten. Er war ein alter, erfahrner
Jäger und verſtand ſich auf die Führung ſeiner Doppelbüchſe wie nur Einer. Das Werk aber,
welches er vorhatte, war kein Kinderſpiel, und all ſein Mannesmuth war erforderlich, um es glücklich
zu Ende zu führen.
13 *
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/255>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.