tagsfliegen; einzelne fressen auch Früchte. Bei ihren Jagden kommen sie des nachts selbst bis in die Wohnungen der Menschen hinein, um deren Zimmer auszuräumen. Ziemlich viele Arten sind aber Blutsauger und überfallen Vögel und Säugethiere, auch selbst den Menschen während des Schlafes. Jhr Winterschlaf wird oft unterbrochen. Sie gebären gewöhnlich zwei Junge.
Jn Europa ist diese Familie durch die Sippe der Hufeisennasen vertreten, deren Gesicht man sich nach dem Bild auf S. 172 vorstellen kann. Der Nasenaufsatz, welcher das ganze Gesicht von der Schnauzenspitze bis zur Stirn bedeckt, ist entschieden das Merkwürdigste am ganzen Thiere, wie es bei den früher erwähnten die Bildung des Ohres war. Er besteht aus drei Theilen, dem Hufeisen, dem Längskamme und der Lanzette. Ersteres beginnt vorn auf der Schnauzenspitze, umschließt die in einer tiefen Hautfalte auf dem Rücken liegenden Nasenlöcher und endet mit seinen Seitenästen vor den Augen. Der Längskamm erhebt sich in der Mitte des Hufeisens hinter den Nasenlöchern, hat vorn eine erweiterte Querfläche und hinter derselben eine sattelartige Einbuchtung, in welcher der Längskamm in einer vor- stehenden Spitze endet. Die zur Stirn querstehende Hautlanzette erhebt sich zwischen den Augen unter dem hintern Ende der Hufeisenäste und hat jederseits der erhöhten Mittellinie drei zellenförmige Ver- tiefungen, welche durch Querhäute von einander getrennt werden. Das Ohr ist weit einfacher. Ein häutiger, entwickelter Ohrdeckel ist nicht vorhanden.
Die Hufeisenfledermäuse haben breite, verhältnißmäßig kurze Flughäute. Jhr Flügelschlag ist daher flatternd und der Flug weniger gewandt. Der Schwanz ist sehr kurz; hierdurch erscheint die Flughaut stumpfwinkelig. Fast bei allen Arten ist der Pelz hellfarbig, oben etwas dunkler, als unten, gewöhnlich mehr oder weniger rauchbraun überflogen. Das einzelne Haar ist am Grunde schmuzig weißlich an den Spitzen aber dunkler rauchbraun. Junge Thiere sind gewöhnlich dunkler, als die alten.
Jn Europa kennt man vier Arten der genannten Sippe, welche sich in ihrem Wesen und auch in ihrem äußern Gesicht sehr ähnlich sind und sich hauptsächlich durch die Größe unterscheiden. Eine der gemeinsten ist die kleine Hufeisennase (Rhinolophus Hippocrepis). Sie ist eine der kleinsten unserer Fledermäuse; denn ihre ganze Länge beträgt nur 21/2 Zoll, ihre Flugbreite 81/2 Zoll. Der Pelz ist hellfarbig, grauweißlich, oben ein wenig dunkler, als unten. Die Flughäute sind breit und erlauben dem Thiere nur einen sehr unsichern Flug. --
Die kleine Hufeisennase geht unter ihren Sippschaftsverwandten am weitesten nach Norden hinauf. Jm mittlern Europa lebt sie fast überall, und auch im Süden ist sie häufig. Jn den Gebirgen steigt sie bis über den Waldgürtel empor. Unter ihren Sippschaftsverwandten ist sie die geselligste; man findet sie in Höhlen, verlassenen Gräbern, Ruinen und unter den Dächern unbewohnter Gebäude oft zu Hunderten beisammen. Jm Frühjahr erscheint sie bei Zeiten, fliegt aber erst bei eintretender Dunkelheit. Die Zahl ihrer Jungen ist gewöhnlich zwei.
Sie ist auch schon ein Vampir, wie aus Beobachtungen, welche Kolenati gemacht hat, deut- lich hervorgeht. Dieser Forscher fand im Winter in einer Kalkhöhle in Mähren 45 Stück schlafende Fledermäuse und zwar größtentheils gemeine Ohrenfledermäuse und kleine Hufeifennafen, nahm sie mit sich nach Brünn und ließ alle zusammen in einem großen Zimmer, in welchem seine Sammlung aufgestellt ist, herumfliegen und sich selbst eine Ruhestätte suchen. Er übernachtete in Gesellschaft der Fledermäuse, um sie genauer beobachten zu können. Von sieben bis zwölf Uhr abends flatterte die Ohrenfledermaus, dann ging sie zur Ruhe; von ein bis drei Uhr in der Nacht flatterte die Hufeisennase, und hierauf begab sie sich zur Ruhe; von drei bis fünf Uhr morgens flatterten dann wieder einige Ohrenfledermäuse. Diese hielten sich, selbst wenn der Beobachter ruhig stand, in einer Entfernung von drei bis fünf Fuß von ihm, während sich die Hufeisennasen seinem Gesicht bis auf zwei Zoll Entfernung näherten, einige Augenblicke an einer Stelle sich flatternd hielten, aber auch oft zu seinen Füßen herab flogen und dort in ähnlicher Entfernung flatternd blieben. Als wenige Tage später der Naturforscher einem seiner Freunde die Fledermäuse vorführen
Beſchreibung. Familienkriege.
tagsfliegen; einzelne freſſen auch Früchte. Bei ihren Jagden kommen ſie des nachts ſelbſt bis in die Wohnungen der Menſchen hinein, um deren Zimmer auszuräumen. Ziemlich viele Arten ſind aber Blutſauger und überfallen Vögel und Säugethiere, auch ſelbſt den Menſchen während des Schlafes. Jhr Winterſchlaf wird oft unterbrochen. Sie gebären gewöhnlich zwei Junge.
Jn Europa iſt dieſe Familie durch die Sippe der Hufeiſennaſen vertreten, deren Geſicht man ſich nach dem Bild auf S. 172 vorſtellen kann. Der Naſenaufſatz, welcher das ganze Geſicht von der Schnauzenſpitze bis zur Stirn bedeckt, iſt entſchieden das Merkwürdigſte am ganzen Thiere, wie es bei den früher erwähnten die Bildung des Ohres war. Er beſteht aus drei Theilen, dem Hufeiſen, dem Längskamme und der Lanzette. Erſteres beginnt vorn auf der Schnauzenſpitze, umſchließt die in einer tiefen Hautfalte auf dem Rücken liegenden Naſenlöcher und endet mit ſeinen Seitenäſten vor den Augen. Der Längskamm erhebt ſich in der Mitte des Hufeiſens hinter den Naſenlöchern, hat vorn eine erweiterte Querfläche und hinter derſelben eine ſattelartige Einbuchtung, in welcher der Längskamm in einer vor- ſtehenden Spitze endet. Die zur Stirn querſtehende Hautlanzette erhebt ſich zwiſchen den Augen unter dem hintern Ende der Hufeiſenäſte und hat jederſeits der erhöhten Mittellinie drei zellenförmige Ver- tiefungen, welche durch Querhäute von einander getrennt werden. Das Ohr iſt weit einfacher. Ein häutiger, entwickelter Ohrdeckel iſt nicht vorhanden.
Die Hufeiſenfledermäuſe haben breite, verhältnißmäßig kurze Flughäute. Jhr Flügelſchlag iſt daher flatternd und der Flug weniger gewandt. Der Schwanz iſt ſehr kurz; hierdurch erſcheint die Flughaut ſtumpfwinkelig. Faſt bei allen Arten iſt der Pelz hellfarbig, oben etwas dunkler, als unten, gewöhnlich mehr oder weniger rauchbraun überflogen. Das einzelne Haar iſt am Grunde ſchmuzig weißlich an den Spitzen aber dunkler rauchbraun. Junge Thiere ſind gewöhnlich dunkler, als die alten.
Jn Europa kennt man vier Arten der genannten Sippe, welche ſich in ihrem Weſen und auch in ihrem äußern Geſicht ſehr ähnlich ſind und ſich hauptſächlich durch die Größe unterſcheiden. Eine der gemeinſten iſt die kleine Hufeiſennaſe (Rhinolophus Hippocrepis). Sie iſt eine der kleinſten unſerer Fledermäuſe; denn ihre ganze Länge beträgt nur 2½ Zoll, ihre Flugbreite 8½ Zoll. Der Pelz iſt hellfarbig, grauweißlich, oben ein wenig dunkler, als unten. Die Flughäute ſind breit und erlauben dem Thiere nur einen ſehr unſichern Flug. —
Die kleine Hufeiſennaſe geht unter ihren Sippſchaftsverwandten am weiteſten nach Norden hinauf. Jm mittlern Europa lebt ſie faſt überall, und auch im Süden iſt ſie häufig. Jn den Gebirgen ſteigt ſie bis über den Waldgürtel empor. Unter ihren Sippſchaftsverwandten iſt ſie die geſelligſte; man findet ſie in Höhlen, verlaſſenen Gräbern, Ruinen und unter den Dächern unbewohnter Gebäude oft zu Hunderten beiſammen. Jm Frühjahr erſcheint ſie bei Zeiten, fliegt aber erſt bei eintretender Dunkelheit. Die Zahl ihrer Jungen iſt gewöhnlich zwei.
Sie iſt auch ſchon ein Vampir, wie aus Beobachtungen, welche Kolenati gemacht hat, deut- lich hervorgeht. Dieſer Forſcher fand im Winter in einer Kalkhöhle in Mähren 45 Stück ſchlafende Fledermäuſe und zwar größtentheils gemeine Ohrenfledermäuſe und kleine Hufeifennafen, nahm ſie mit ſich nach Brünn und ließ alle zuſammen in einem großen Zimmer, in welchem ſeine Sammlung aufgeſtellt iſt, herumfliegen und ſich ſelbſt eine Ruheſtätte ſuchen. Er übernachtete in Geſellſchaft der Fledermäuſe, um ſie genauer beobachten zu können. Von ſieben bis zwölf Uhr abends flatterte die Ohrenfledermaus, dann ging ſie zur Ruhe; von ein bis drei Uhr in der Nacht flatterte die Hufeiſennaſe, und hierauf begab ſie ſich zur Ruhe; von drei bis fünf Uhr morgens flatterten dann wieder einige Ohrenfledermäuſe. Dieſe hielten ſich, ſelbſt wenn der Beobachter ruhig ſtand, in einer Entfernung von drei bis fünf Fuß von ihm, während ſich die Hufeiſennaſen ſeinem Geſicht bis auf zwei Zoll Entfernung näherten, einige Augenblicke an einer Stelle ſich flatternd hielten, aber auch oft zu ſeinen Füßen herab flogen und dort in ähnlicher Entfernung flatternd blieben. Als wenige Tage ſpäter der Naturforſcher einem ſeiner Freunde die Fledermäuſe vorführen
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[171/0229]
Beſchreibung. Familienkriege.
tagsfliegen; einzelne freſſen auch Früchte. Bei ihren Jagden kommen ſie des nachts ſelbſt bis in die
Wohnungen der Menſchen hinein, um deren Zimmer auszuräumen. Ziemlich viele Arten ſind aber
Blutſauger und überfallen Vögel und Säugethiere, auch ſelbſt den Menſchen während des Schlafes.
Jhr Winterſchlaf wird oft unterbrochen. Sie gebären gewöhnlich zwei Junge.
Jn Europa iſt dieſe Familie durch die Sippe der Hufeiſennaſen vertreten, deren Geſicht man
ſich nach dem Bild auf S. 172 vorſtellen kann. Der Naſenaufſatz, welcher das ganze Geſicht von der
Schnauzenſpitze bis zur Stirn bedeckt, iſt entſchieden das Merkwürdigſte am ganzen Thiere, wie es bei
den früher erwähnten die Bildung des Ohres war. Er beſteht aus drei Theilen, dem Hufeiſen, dem
Längskamme und der Lanzette. Erſteres beginnt vorn auf der Schnauzenſpitze, umſchließt die in einer
tiefen Hautfalte auf dem Rücken liegenden Naſenlöcher und endet mit ſeinen Seitenäſten vor den Augen.
Der Längskamm erhebt ſich in der Mitte des Hufeiſens hinter den Naſenlöchern, hat vorn eine erweiterte
Querfläche und hinter derſelben eine ſattelartige Einbuchtung, in welcher der Längskamm in einer vor-
ſtehenden Spitze endet. Die zur Stirn querſtehende Hautlanzette erhebt ſich zwiſchen den Augen unter
dem hintern Ende der Hufeiſenäſte und hat jederſeits der erhöhten Mittellinie drei zellenförmige Ver-
tiefungen, welche durch Querhäute von einander getrennt werden. Das Ohr iſt weit einfacher. Ein
häutiger, entwickelter Ohrdeckel iſt nicht vorhanden.
Die Hufeiſenfledermäuſe haben breite, verhältnißmäßig kurze Flughäute. Jhr Flügelſchlag
iſt daher flatternd und der Flug weniger gewandt. Der Schwanz iſt ſehr kurz; hierdurch erſcheint
die Flughaut ſtumpfwinkelig. Faſt bei allen Arten iſt der Pelz hellfarbig, oben etwas dunkler,
als unten, gewöhnlich mehr oder weniger rauchbraun überflogen. Das einzelne Haar iſt am Grunde
ſchmuzig weißlich an den Spitzen aber dunkler rauchbraun. Junge Thiere ſind gewöhnlich dunkler,
als die alten.
Jn Europa kennt man vier Arten der genannten Sippe, welche ſich in ihrem Weſen und auch
in ihrem äußern Geſicht ſehr ähnlich ſind und ſich hauptſächlich durch die Größe unterſcheiden. Eine
der gemeinſten iſt die kleine Hufeiſennaſe (Rhinolophus Hippocrepis). Sie iſt eine der kleinſten
unſerer Fledermäuſe; denn ihre ganze Länge beträgt nur 2½ Zoll, ihre Flugbreite 8½ Zoll. Der
Pelz iſt hellfarbig, grauweißlich, oben ein wenig dunkler, als unten. Die Flughäute ſind breit und
erlauben dem Thiere nur einen ſehr unſichern Flug. —
Die kleine Hufeiſennaſe geht unter ihren Sippſchaftsverwandten am weiteſten nach Norden hinauf.
Jm mittlern Europa lebt ſie faſt überall, und auch im Süden iſt ſie häufig. Jn den Gebirgen ſteigt
ſie bis über den Waldgürtel empor. Unter ihren Sippſchaftsverwandten iſt ſie die geſelligſte; man
findet ſie in Höhlen, verlaſſenen Gräbern, Ruinen und unter den Dächern unbewohnter Gebäude
oft zu Hunderten beiſammen. Jm Frühjahr erſcheint ſie bei Zeiten, fliegt aber erſt bei eintretender
Dunkelheit. Die Zahl ihrer Jungen iſt gewöhnlich zwei.
Sie iſt auch ſchon ein Vampir, wie aus Beobachtungen, welche Kolenati gemacht hat, deut-
lich hervorgeht. Dieſer Forſcher fand im Winter in einer Kalkhöhle in Mähren 45 Stück ſchlafende
Fledermäuſe und zwar größtentheils gemeine Ohrenfledermäuſe und kleine Hufeifennafen,
nahm ſie mit ſich nach Brünn und ließ alle zuſammen in einem großen Zimmer, in welchem
ſeine Sammlung aufgeſtellt iſt, herumfliegen und ſich ſelbſt eine Ruheſtätte ſuchen. Er übernachtete
in Geſellſchaft der Fledermäuſe, um ſie genauer beobachten zu können. Von ſieben bis zwölf Uhr
abends flatterte die Ohrenfledermaus, dann ging ſie zur Ruhe; von ein bis drei Uhr in der Nacht
flatterte die Hufeiſennaſe, und hierauf begab ſie ſich zur Ruhe; von drei bis fünf Uhr morgens
flatterten dann wieder einige Ohrenfledermäuſe. Dieſe hielten ſich, ſelbſt wenn der Beobachter ruhig
ſtand, in einer Entfernung von drei bis fünf Fuß von ihm, während ſich die Hufeiſennaſen ſeinem
Geſicht bis auf zwei Zoll Entfernung näherten, einige Augenblicke an einer Stelle ſich flatternd
hielten, aber auch oft zu ſeinen Füßen herab flogen und dort in ähnlicher Entfernung flatternd
blieben. Als wenige Tage ſpäter der Naturforſcher einem ſeiner Freunde die Fledermäuſe vorführen
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/229>, abgerufen am 24.11.2024.
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