Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

Bild:
<< vorherige Seite

Beschreibung. Familienkriege.
tagsfliegen; einzelne fressen auch Früchte. Bei ihren Jagden kommen sie des nachts selbst bis in die
Wohnungen der Menschen hinein, um deren Zimmer auszuräumen. Ziemlich viele Arten sind aber
Blutsauger und überfallen Vögel und Säugethiere, auch selbst den Menschen während des Schlafes.
Jhr Winterschlaf wird oft unterbrochen. Sie gebären gewöhnlich zwei Junge.

Jn Europa ist diese Familie durch die Sippe der Hufeisennasen vertreten, deren Gesicht man
sich nach dem Bild auf S. 172 vorstellen kann. Der Nasenaufsatz, welcher das ganze Gesicht von der
Schnauzenspitze bis zur Stirn bedeckt, ist entschieden das Merkwürdigste am ganzen Thiere, wie es bei
den früher erwähnten die Bildung des Ohres war. Er besteht aus drei Theilen, dem Hufeisen, dem
Längskamme und der Lanzette. Ersteres beginnt vorn auf der Schnauzenspitze, umschließt die in einer
tiefen Hautfalte auf dem Rücken liegenden Nasenlöcher und endet mit seinen Seitenästen vor den Augen.
Der Längskamm erhebt sich in der Mitte des Hufeisens hinter den Nasenlöchern, hat vorn eine erweiterte
Querfläche und hinter derselben eine sattelartige Einbuchtung, in welcher der Längskamm in einer vor-
stehenden Spitze endet. Die zur Stirn querstehende Hautlanzette erhebt sich zwischen den Augen unter
dem hintern Ende der Hufeisenäste und hat jederseits der erhöhten Mittellinie drei zellenförmige Ver-
tiefungen, welche durch Querhäute von einander getrennt werden. Das Ohr ist weit einfacher. Ein
häutiger, entwickelter Ohrdeckel ist nicht vorhanden.

Die Hufeisenfledermäuse haben breite, verhältnißmäßig kurze Flughäute. Jhr Flügelschlag
ist daher flatternd und der Flug weniger gewandt. Der Schwanz ist sehr kurz; hierdurch erscheint
die Flughaut stumpfwinkelig. Fast bei allen Arten ist der Pelz hellfarbig, oben etwas dunkler,
als unten, gewöhnlich mehr oder weniger rauchbraun überflogen. Das einzelne Haar ist am Grunde
schmuzig weißlich an den Spitzen aber dunkler rauchbraun. Junge Thiere sind gewöhnlich dunkler,
als die alten.

Jn Europa kennt man vier Arten der genannten Sippe, welche sich in ihrem Wesen und auch
in ihrem äußern Gesicht sehr ähnlich sind und sich hauptsächlich durch die Größe unterscheiden. Eine
der gemeinsten ist die kleine Hufeisennase (Rhinolophus Hippocrepis). Sie ist eine der kleinsten
unserer Fledermäuse; denn ihre ganze Länge beträgt nur 21/2 Zoll, ihre Flugbreite 81/2 Zoll. Der
Pelz ist hellfarbig, grauweißlich, oben ein wenig dunkler, als unten. Die Flughäute sind breit und
erlauben dem Thiere nur einen sehr unsichern Flug. --

Die kleine Hufeisennase geht unter ihren Sippschaftsverwandten am weitesten nach Norden hinauf.
Jm mittlern Europa lebt sie fast überall, und auch im Süden ist sie häufig. Jn den Gebirgen steigt
sie bis über den Waldgürtel empor. Unter ihren Sippschaftsverwandten ist sie die geselligste; man
findet sie in Höhlen, verlassenen Gräbern, Ruinen und unter den Dächern unbewohnter Gebäude
oft zu Hunderten beisammen. Jm Frühjahr erscheint sie bei Zeiten, fliegt aber erst bei eintretender
Dunkelheit. Die Zahl ihrer Jungen ist gewöhnlich zwei.

Sie ist auch schon ein Vampir, wie aus Beobachtungen, welche Kolenati gemacht hat, deut-
lich hervorgeht. Dieser Forscher fand im Winter in einer Kalkhöhle in Mähren 45 Stück schlafende
Fledermäuse und zwar größtentheils gemeine Ohrenfledermäuse und kleine Hufeifennafen,
nahm sie mit sich nach Brünn und ließ alle zusammen in einem großen Zimmer, in welchem
seine Sammlung aufgestellt ist, herumfliegen und sich selbst eine Ruhestätte suchen. Er übernachtete
in Gesellschaft der Fledermäuse, um sie genauer beobachten zu können. Von sieben bis zwölf Uhr
abends flatterte die Ohrenfledermaus, dann ging sie zur Ruhe; von ein bis drei Uhr in der Nacht
flatterte die Hufeisennase, und hierauf begab sie sich zur Ruhe; von drei bis fünf Uhr morgens
flatterten dann wieder einige Ohrenfledermäuse. Diese hielten sich, selbst wenn der Beobachter ruhig
stand, in einer Entfernung von drei bis fünf Fuß von ihm, während sich die Hufeisennasen seinem
Gesicht bis auf zwei Zoll Entfernung näherten, einige Augenblicke an einer Stelle sich flatternd
hielten, aber auch oft zu seinen Füßen herab flogen und dort in ähnlicher Entfernung flatternd
blieben. Als wenige Tage später der Naturforscher einem seiner Freunde die Fledermäuse vorführen

Beſchreibung. Familienkriege.
tagsfliegen; einzelne freſſen auch Früchte. Bei ihren Jagden kommen ſie des nachts ſelbſt bis in die
Wohnungen der Menſchen hinein, um deren Zimmer auszuräumen. Ziemlich viele Arten ſind aber
Blutſauger und überfallen Vögel und Säugethiere, auch ſelbſt den Menſchen während des Schlafes.
Jhr Winterſchlaf wird oft unterbrochen. Sie gebären gewöhnlich zwei Junge.

Jn Europa iſt dieſe Familie durch die Sippe der Hufeiſennaſen vertreten, deren Geſicht man
ſich nach dem Bild auf S. 172 vorſtellen kann. Der Naſenaufſatz, welcher das ganze Geſicht von der
Schnauzenſpitze bis zur Stirn bedeckt, iſt entſchieden das Merkwürdigſte am ganzen Thiere, wie es bei
den früher erwähnten die Bildung des Ohres war. Er beſteht aus drei Theilen, dem Hufeiſen, dem
Längskamme und der Lanzette. Erſteres beginnt vorn auf der Schnauzenſpitze, umſchließt die in einer
tiefen Hautfalte auf dem Rücken liegenden Naſenlöcher und endet mit ſeinen Seitenäſten vor den Augen.
Der Längskamm erhebt ſich in der Mitte des Hufeiſens hinter den Naſenlöchern, hat vorn eine erweiterte
Querfläche und hinter derſelben eine ſattelartige Einbuchtung, in welcher der Längskamm in einer vor-
ſtehenden Spitze endet. Die zur Stirn querſtehende Hautlanzette erhebt ſich zwiſchen den Augen unter
dem hintern Ende der Hufeiſenäſte und hat jederſeits der erhöhten Mittellinie drei zellenförmige Ver-
tiefungen, welche durch Querhäute von einander getrennt werden. Das Ohr iſt weit einfacher. Ein
häutiger, entwickelter Ohrdeckel iſt nicht vorhanden.

Die Hufeiſenfledermäuſe haben breite, verhältnißmäßig kurze Flughäute. Jhr Flügelſchlag
iſt daher flatternd und der Flug weniger gewandt. Der Schwanz iſt ſehr kurz; hierdurch erſcheint
die Flughaut ſtumpfwinkelig. Faſt bei allen Arten iſt der Pelz hellfarbig, oben etwas dunkler,
als unten, gewöhnlich mehr oder weniger rauchbraun überflogen. Das einzelne Haar iſt am Grunde
ſchmuzig weißlich an den Spitzen aber dunkler rauchbraun. Junge Thiere ſind gewöhnlich dunkler,
als die alten.

Jn Europa kennt man vier Arten der genannten Sippe, welche ſich in ihrem Weſen und auch
in ihrem äußern Geſicht ſehr ähnlich ſind und ſich hauptſächlich durch die Größe unterſcheiden. Eine
der gemeinſten iſt die kleine Hufeiſennaſe (Rhinolophus Hippocrepis). Sie iſt eine der kleinſten
unſerer Fledermäuſe; denn ihre ganze Länge beträgt nur 2½ Zoll, ihre Flugbreite 8½ Zoll. Der
Pelz iſt hellfarbig, grauweißlich, oben ein wenig dunkler, als unten. Die Flughäute ſind breit und
erlauben dem Thiere nur einen ſehr unſichern Flug. —

Die kleine Hufeiſennaſe geht unter ihren Sippſchaftsverwandten am weiteſten nach Norden hinauf.
Jm mittlern Europa lebt ſie faſt überall, und auch im Süden iſt ſie häufig. Jn den Gebirgen ſteigt
ſie bis über den Waldgürtel empor. Unter ihren Sippſchaftsverwandten iſt ſie die geſelligſte; man
findet ſie in Höhlen, verlaſſenen Gräbern, Ruinen und unter den Dächern unbewohnter Gebäude
oft zu Hunderten beiſammen. Jm Frühjahr erſcheint ſie bei Zeiten, fliegt aber erſt bei eintretender
Dunkelheit. Die Zahl ihrer Jungen iſt gewöhnlich zwei.

Sie iſt auch ſchon ein Vampir, wie aus Beobachtungen, welche Kolenati gemacht hat, deut-
lich hervorgeht. Dieſer Forſcher fand im Winter in einer Kalkhöhle in Mähren 45 Stück ſchlafende
Fledermäuſe und zwar größtentheils gemeine Ohrenfledermäuſe und kleine Hufeifennafen,
nahm ſie mit ſich nach Brünn und ließ alle zuſammen in einem großen Zimmer, in welchem
ſeine Sammlung aufgeſtellt iſt, herumfliegen und ſich ſelbſt eine Ruheſtätte ſuchen. Er übernachtete
in Geſellſchaft der Fledermäuſe, um ſie genauer beobachten zu können. Von ſieben bis zwölf Uhr
abends flatterte die Ohrenfledermaus, dann ging ſie zur Ruhe; von ein bis drei Uhr in der Nacht
flatterte die Hufeiſennaſe, und hierauf begab ſie ſich zur Ruhe; von drei bis fünf Uhr morgens
flatterten dann wieder einige Ohrenfledermäuſe. Dieſe hielten ſich, ſelbſt wenn der Beobachter ruhig
ſtand, in einer Entfernung von drei bis fünf Fuß von ihm, während ſich die Hufeiſennaſen ſeinem
Geſicht bis auf zwei Zoll Entfernung näherten, einige Augenblicke an einer Stelle ſich flatternd
hielten, aber auch oft zu ſeinen Füßen herab flogen und dort in ähnlicher Entfernung flatternd
blieben. Als wenige Tage ſpäter der Naturforſcher einem ſeiner Freunde die Fledermäuſe vorführen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <div n="3">
          <p><pb facs="#f0229" n="171"/><fw place="top" type="header">Be&#x017F;chreibung. Familienkriege.</fw><lb/>
tagsfliegen; einzelne fre&#x017F;&#x017F;en auch Früchte. Bei ihren Jagden kommen &#x017F;ie des nachts &#x017F;elb&#x017F;t bis in die<lb/>
Wohnungen der Men&#x017F;chen hinein, um deren Zimmer auszuräumen. Ziemlich viele Arten &#x017F;ind aber<lb/>
Blut&#x017F;auger und überfallen Vögel und Säugethiere, auch &#x017F;elb&#x017F;t den Men&#x017F;chen während des Schlafes.<lb/>
Jhr Winter&#x017F;chlaf wird oft unterbrochen. Sie gebären gewöhnlich zwei Junge.</p><lb/>
          <p>Jn Europa i&#x017F;t die&#x017F;e Familie durch die Sippe der <hi rendition="#g">Hufei&#x017F;enna&#x017F;en</hi> vertreten, deren Ge&#x017F;icht man<lb/>
&#x017F;ich nach dem Bild auf S. 172 vor&#x017F;tellen kann. Der Na&#x017F;enauf&#x017F;atz, welcher das ganze Ge&#x017F;icht von der<lb/>
Schnauzen&#x017F;pitze bis zur Stirn bedeckt, i&#x017F;t ent&#x017F;chieden das Merkwürdig&#x017F;te am ganzen Thiere, wie es bei<lb/>
den früher erwähnten die Bildung des Ohres war. Er be&#x017F;teht aus drei Theilen, dem Hufei&#x017F;en, dem<lb/>
Längskamme und der Lanzette. Er&#x017F;teres beginnt vorn auf der Schnauzen&#x017F;pitze, um&#x017F;chließt die in einer<lb/>
tiefen Hautfalte auf dem Rücken liegenden Na&#x017F;enlöcher und endet mit &#x017F;einen Seitenä&#x017F;ten vor den Augen.<lb/>
Der Längskamm erhebt &#x017F;ich in der Mitte des Hufei&#x017F;ens hinter den Na&#x017F;enlöchern, hat vorn eine erweiterte<lb/>
Querfläche und hinter der&#x017F;elben eine &#x017F;attelartige Einbuchtung, in welcher der Längskamm in einer vor-<lb/>
&#x017F;tehenden Spitze endet. Die zur Stirn quer&#x017F;tehende Hautlanzette erhebt &#x017F;ich zwi&#x017F;chen den Augen unter<lb/>
dem hintern Ende der Hufei&#x017F;enä&#x017F;te und hat jeder&#x017F;eits der erhöhten Mittellinie drei zellenförmige Ver-<lb/>
tiefungen, welche durch Querhäute von einander getrennt werden. Das Ohr i&#x017F;t weit einfacher. Ein<lb/>
häutiger, entwickelter Ohrdeckel i&#x017F;t nicht vorhanden.</p><lb/>
          <p>Die <hi rendition="#g">Hufei&#x017F;enfledermäu&#x017F;e</hi> haben breite, verhältnißmäßig kurze Flughäute. Jhr Flügel&#x017F;chlag<lb/>
i&#x017F;t daher flatternd und der Flug weniger gewandt. Der Schwanz i&#x017F;t &#x017F;ehr kurz; hierdurch er&#x017F;cheint<lb/>
die Flughaut &#x017F;tumpfwinkelig. Fa&#x017F;t bei allen Arten i&#x017F;t der Pelz hellfarbig, oben etwas dunkler,<lb/>
als unten, gewöhnlich mehr oder weniger rauchbraun überflogen. Das einzelne Haar i&#x017F;t am Grunde<lb/>
&#x017F;chmuzig weißlich an den Spitzen aber dunkler rauchbraun. Junge Thiere &#x017F;ind gewöhnlich dunkler,<lb/>
als die alten.</p><lb/>
          <p>Jn Europa kennt man vier Arten der genannten Sippe, welche &#x017F;ich in ihrem We&#x017F;en und auch<lb/>
in ihrem äußern Ge&#x017F;icht &#x017F;ehr ähnlich &#x017F;ind und &#x017F;ich haupt&#x017F;ächlich durch die Größe unter&#x017F;cheiden. Eine<lb/>
der gemein&#x017F;ten i&#x017F;t die <hi rendition="#g">kleine Hufei&#x017F;enna&#x017F;e</hi> (<hi rendition="#aq">Rhinolophus Hippocrepis</hi>). Sie i&#x017F;t eine der klein&#x017F;ten<lb/>
un&#x017F;erer Fledermäu&#x017F;e; denn ihre ganze Länge beträgt nur 2½ Zoll, ihre Flugbreite 8½ Zoll. Der<lb/>
Pelz i&#x017F;t hellfarbig, grauweißlich, oben ein wenig dunkler, als unten. Die Flughäute &#x017F;ind breit und<lb/>
erlauben dem Thiere nur einen &#x017F;ehr un&#x017F;ichern Flug. &#x2014;</p><lb/>
          <p>Die kleine Hufei&#x017F;enna&#x017F;e geht unter ihren Sipp&#x017F;chaftsverwandten am weite&#x017F;ten nach Norden hinauf.<lb/>
Jm mittlern Europa lebt &#x017F;ie fa&#x017F;t überall, und auch im Süden i&#x017F;t &#x017F;ie häufig. Jn den Gebirgen &#x017F;teigt<lb/>
&#x017F;ie bis über den Waldgürtel empor. Unter ihren Sipp&#x017F;chaftsverwandten i&#x017F;t &#x017F;ie die ge&#x017F;ellig&#x017F;te; man<lb/>
findet &#x017F;ie in Höhlen, verla&#x017F;&#x017F;enen Gräbern, Ruinen und unter den Dächern unbewohnter Gebäude<lb/>
oft zu Hunderten bei&#x017F;ammen. Jm Frühjahr er&#x017F;cheint &#x017F;ie bei Zeiten, fliegt aber er&#x017F;t bei eintretender<lb/>
Dunkelheit. Die Zahl ihrer Jungen i&#x017F;t gewöhnlich zwei.</p><lb/>
          <p>Sie i&#x017F;t auch &#x017F;chon ein <hi rendition="#g">Vampir,</hi> wie aus Beobachtungen, welche <hi rendition="#g">Kolenati</hi> gemacht hat, deut-<lb/>
lich hervorgeht. Die&#x017F;er For&#x017F;cher fand im Winter in einer Kalkhöhle in Mähren 45 Stück &#x017F;chlafende<lb/>
Fledermäu&#x017F;e und zwar größtentheils gemeine <hi rendition="#g">Ohrenfledermäu&#x017F;e</hi> und <hi rendition="#g">kleine Hufeifennafen,</hi><lb/>
nahm &#x017F;ie mit &#x017F;ich nach Brünn und ließ alle zu&#x017F;ammen in einem großen Zimmer, in welchem<lb/>
&#x017F;eine Sammlung aufge&#x017F;tellt i&#x017F;t, herumfliegen und &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t eine Ruhe&#x017F;tätte &#x017F;uchen. Er übernachtete<lb/>
in Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft der Fledermäu&#x017F;e, um &#x017F;ie genauer beobachten zu können. Von &#x017F;ieben bis zwölf Uhr<lb/>
abends flatterte die Ohrenfledermaus, dann ging &#x017F;ie zur Ruhe; von ein bis drei Uhr in der Nacht<lb/>
flatterte die Hufei&#x017F;enna&#x017F;e, und hierauf begab &#x017F;ie &#x017F;ich zur Ruhe; von drei bis fünf Uhr morgens<lb/>
flatterten dann wieder einige Ohrenfledermäu&#x017F;e. Die&#x017F;e hielten &#x017F;ich, &#x017F;elb&#x017F;t wenn der Beobachter ruhig<lb/>
&#x017F;tand, in einer Entfernung von drei bis fünf Fuß von ihm, während &#x017F;ich die Hufei&#x017F;enna&#x017F;en &#x017F;einem<lb/>
Ge&#x017F;icht bis auf zwei Zoll Entfernung näherten, einige Augenblicke an einer Stelle &#x017F;ich flatternd<lb/>
hielten, aber auch oft zu &#x017F;einen Füßen herab flogen und dort in ähnlicher Entfernung flatternd<lb/>
blieben. Als wenige Tage &#x017F;päter der Naturfor&#x017F;cher einem &#x017F;einer Freunde die Fledermäu&#x017F;e vorführen<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[171/0229] Beſchreibung. Familienkriege. tagsfliegen; einzelne freſſen auch Früchte. Bei ihren Jagden kommen ſie des nachts ſelbſt bis in die Wohnungen der Menſchen hinein, um deren Zimmer auszuräumen. Ziemlich viele Arten ſind aber Blutſauger und überfallen Vögel und Säugethiere, auch ſelbſt den Menſchen während des Schlafes. Jhr Winterſchlaf wird oft unterbrochen. Sie gebären gewöhnlich zwei Junge. Jn Europa iſt dieſe Familie durch die Sippe der Hufeiſennaſen vertreten, deren Geſicht man ſich nach dem Bild auf S. 172 vorſtellen kann. Der Naſenaufſatz, welcher das ganze Geſicht von der Schnauzenſpitze bis zur Stirn bedeckt, iſt entſchieden das Merkwürdigſte am ganzen Thiere, wie es bei den früher erwähnten die Bildung des Ohres war. Er beſteht aus drei Theilen, dem Hufeiſen, dem Längskamme und der Lanzette. Erſteres beginnt vorn auf der Schnauzenſpitze, umſchließt die in einer tiefen Hautfalte auf dem Rücken liegenden Naſenlöcher und endet mit ſeinen Seitenäſten vor den Augen. Der Längskamm erhebt ſich in der Mitte des Hufeiſens hinter den Naſenlöchern, hat vorn eine erweiterte Querfläche und hinter derſelben eine ſattelartige Einbuchtung, in welcher der Längskamm in einer vor- ſtehenden Spitze endet. Die zur Stirn querſtehende Hautlanzette erhebt ſich zwiſchen den Augen unter dem hintern Ende der Hufeiſenäſte und hat jederſeits der erhöhten Mittellinie drei zellenförmige Ver- tiefungen, welche durch Querhäute von einander getrennt werden. Das Ohr iſt weit einfacher. Ein häutiger, entwickelter Ohrdeckel iſt nicht vorhanden. Die Hufeiſenfledermäuſe haben breite, verhältnißmäßig kurze Flughäute. Jhr Flügelſchlag iſt daher flatternd und der Flug weniger gewandt. Der Schwanz iſt ſehr kurz; hierdurch erſcheint die Flughaut ſtumpfwinkelig. Faſt bei allen Arten iſt der Pelz hellfarbig, oben etwas dunkler, als unten, gewöhnlich mehr oder weniger rauchbraun überflogen. Das einzelne Haar iſt am Grunde ſchmuzig weißlich an den Spitzen aber dunkler rauchbraun. Junge Thiere ſind gewöhnlich dunkler, als die alten. Jn Europa kennt man vier Arten der genannten Sippe, welche ſich in ihrem Weſen und auch in ihrem äußern Geſicht ſehr ähnlich ſind und ſich hauptſächlich durch die Größe unterſcheiden. Eine der gemeinſten iſt die kleine Hufeiſennaſe (Rhinolophus Hippocrepis). Sie iſt eine der kleinſten unſerer Fledermäuſe; denn ihre ganze Länge beträgt nur 2½ Zoll, ihre Flugbreite 8½ Zoll. Der Pelz iſt hellfarbig, grauweißlich, oben ein wenig dunkler, als unten. Die Flughäute ſind breit und erlauben dem Thiere nur einen ſehr unſichern Flug. — Die kleine Hufeiſennaſe geht unter ihren Sippſchaftsverwandten am weiteſten nach Norden hinauf. Jm mittlern Europa lebt ſie faſt überall, und auch im Süden iſt ſie häufig. Jn den Gebirgen ſteigt ſie bis über den Waldgürtel empor. Unter ihren Sippſchaftsverwandten iſt ſie die geſelligſte; man findet ſie in Höhlen, verlaſſenen Gräbern, Ruinen und unter den Dächern unbewohnter Gebäude oft zu Hunderten beiſammen. Jm Frühjahr erſcheint ſie bei Zeiten, fliegt aber erſt bei eintretender Dunkelheit. Die Zahl ihrer Jungen iſt gewöhnlich zwei. Sie iſt auch ſchon ein Vampir, wie aus Beobachtungen, welche Kolenati gemacht hat, deut- lich hervorgeht. Dieſer Forſcher fand im Winter in einer Kalkhöhle in Mähren 45 Stück ſchlafende Fledermäuſe und zwar größtentheils gemeine Ohrenfledermäuſe und kleine Hufeifennafen, nahm ſie mit ſich nach Brünn und ließ alle zuſammen in einem großen Zimmer, in welchem ſeine Sammlung aufgeſtellt iſt, herumfliegen und ſich ſelbſt eine Ruheſtätte ſuchen. Er übernachtete in Geſellſchaft der Fledermäuſe, um ſie genauer beobachten zu können. Von ſieben bis zwölf Uhr abends flatterte die Ohrenfledermaus, dann ging ſie zur Ruhe; von ein bis drei Uhr in der Nacht flatterte die Hufeiſennaſe, und hierauf begab ſie ſich zur Ruhe; von drei bis fünf Uhr morgens flatterten dann wieder einige Ohrenfledermäuſe. Dieſe hielten ſich, ſelbſt wenn der Beobachter ruhig ſtand, in einer Entfernung von drei bis fünf Fuß von ihm, während ſich die Hufeiſennaſen ſeinem Geſicht bis auf zwei Zoll Entfernung näherten, einige Augenblicke an einer Stelle ſich flatternd hielten, aber auch oft zu ſeinen Füßen herab flogen und dort in ähnlicher Entfernung flatternd blieben. Als wenige Tage ſpäter der Naturforſcher einem ſeiner Freunde die Fledermäuſe vorführen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/229
Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/229>, abgerufen am 06.05.2024.