Die Halbaffen. Langfüßer. -- Madagaskarratte. Mäuse- und Koboldmaki. Fingerthier.
Laut "du", steigert sich dann und endet mit dem schwächeren, miauenden "dju". Der ganze Ruf klingt ungefähr wie "du, tu tu, thu, tu tui dju dju", sehr dumpf und hohl. -- Wie es scheint, ist unser Gefangener die ganze Nacht hindurch munter; morgens sucht er erst, nachdem es vollkommen licht geworden ist, sein Lager. --
Ueber die Fortpflanzung der Ohrenaffen weiß man nur wenig. Sie bereiten sich in Baum- höhlen oder verlassenen Vogelnestern ein weiches, mit zartem Gras ausgelegtes Wochenbett und gebären, verbergen und erziehen dort ihr einziges oder ihre zwei Jungen. Später werden dieselben, wenn auch nicht mehr getragen, so doch noch lange von dem Weibchen geführt und gepflegt.
Jst nun schon der Tendj oder Moholi ein niedliches Thier, so sind doch zwei andere Mit- glieder seiner oder, wie Andere wollen, einer eigenen Sippe -- der Zwergmakis (Mierocebus) -- noch weit zartere Geschöpfe. Die eine Art ist als "Madagaskar-Ratte" vielleicht bekannter geworden, als unter ihrem wissenschaftlichen Namen Otolicnus minor -- der kleinere Galago. (Seite 144, Fig. 2.) Das Thierchen hat die Größe einer kleinen Ratte (51/2 Zoll Leibes-, 6 Zoll Schwanzlänge) und auch einen licht mäusefarbigen Pelz, daher wohl entfernte Aehnlichkeit mit einem jener bekannten Ragethiere, dessen Namen ihm Unkundige gaben. Es lebt auf Madagaskar; bei Tage schläft es in zusammengerollter Stellung, des Nachts springt es mit großen Sätzen gewandt von Baum zu Baum, ganz nach Art der Haselmäuse. Jn der Gefangenschaft kann man es mit saftigen Früchten hinhalten.
Jn der neueren Zeit (1859) hat man aber noch einen andern Zwergmaki entdeckt, welcher seinem Namen mehr, als jeder andere entspricht. Er ist der Zwerg der Zwerge; denn er erreicht blos die Größe einer Maus. Nur wenige Breitengrade nördlich von den Gegenden, in denen der Herkules aller Vierhänder, der Gorilla, lebt, nämlich zu Jkoneto, einem Ort am Kalabarflusse in Guinea, etwas oberhalb Creec-Town, fand der Missionär Thomson das Mäuseäffchen auf und hielt eins längere Zeit lebendig. Es wurde sehr zahm und zutraulich und lief frei in der Wohnung seines Besitzers umher. Sein beliebtester Zufluchtsort war der Rockärmel seines Herrn oder auch dessen Hals, zwischen Backenbart und Rockkragen. Thomson behauptet, niemals ein zierlicheres Ge- schöpf gesehen zu haben. Als es gestorben, schickte er es an Murray nach London, welcher es beschrieb und Mäusemaki (Otolienus murinus) nannte. Seine Pelzfärbung ist auch mäusegrau.
Die schlechten Abbildungen, welche leider noch heut zu Tage die meisten volksthümlichen und selbst wissenschaftlichen thierbeschreibenden Werke verunreinigen, mögen wohl eine der Hauptursachen gewesen sein, daß man einen Maki vor allen anderen Gespenstthier oder Koboldmaki genannt hat. Uns zeigt die richtigere Abbildung, welche ich bieten kann, daß der Koboldmaki eben auch nicht mehr Gespensterhaftes hat, als die bisher genannten; wir bemerken an ihm vielmehr eine sehr große Aehnlichkeit mit den Galagos, welche wir soeben kennen lernten. Erst die genauere Vergleichung läßt Unterschiede auffinden, welche die Forscher berechtigen, das Koboldässchen einer eigenen Sippe unserer Familie zuzuzählen und es so von den übrigen Langfüßern zu trennen. Der Name dieser Sippe ist Tarsius -- Handwurzelthier --, eben weil die Tarsen oder Handwurzeln auffallend ver- längert sind und so gleichsam zu dem ersten Range in der Familie berechtigen.
Ein dicker Kopf mit großen, in der Dunkelheit leuchtenden Augen, mittelgroße und löffelförmige, fein behaarte Ohren, eine sehr kurze Schnauze, ungewöhnlich verlängerte Hinterglieder und Fuß- wurzeln, echte Krallen an dem Zeige- und Mittelfinger der Hinterhände und ein langer, dünner, blos an seiner Spitze quastenähnlich behaarter Schwanz bilden die hervorstechenden Kennzeichen der Sippe.
Der Koboldmaki (Tarsius Spectrum) scheint die Galagos in Asien zu vertreten. Sein Vater- land sind die äußersten Molukken, zumal Amboina. Jn der macassarischen Sprache wird er Podje genannt; auf Sumatra heißt er Singa-Poa oder kleiner Löwe. Denn ein Leu, so erzählt die Sage des Landes, sei das Thierchen ehemals gewesen an Gestalt, Größe und Stärke, und erst in der neuern
Die Halbaffen. Langfüßer. — Madagaskarratte. Mäuſe- und Koboldmaki. Fingerthier.
Laut „du‟, ſteigert ſich dann und endet mit dem ſchwächeren, miauenden „dju‟. Der ganze Ruf klingt ungefähr wie „du, tu tu, thu, tu tui dju dju‟, ſehr dumpf und hohl. — Wie es ſcheint, iſt unſer Gefangener die ganze Nacht hindurch munter; morgens ſucht er erſt, nachdem es vollkommen licht geworden iſt, ſein Lager. —
Ueber die Fortpflanzung der Ohrenaffen weiß man nur wenig. Sie bereiten ſich in Baum- höhlen oder verlaſſenen Vogelneſtern ein weiches, mit zartem Gras ausgelegtes Wochenbett und gebären, verbergen und erziehen dort ihr einziges oder ihre zwei Jungen. Später werden dieſelben, wenn auch nicht mehr getragen, ſo doch noch lange von dem Weibchen geführt und gepflegt.
Jſt nun ſchon der Tendj oder Moholi ein niedliches Thier, ſo ſind doch zwei andere Mit- glieder ſeiner oder, wie Andere wollen, einer eigenen Sippe — der Zwergmakis (Mierocebus) — noch weit zartere Geſchöpfe. Die eine Art iſt als „Madagaskar-Ratte‟ vielleicht bekannter geworden, als unter ihrem wiſſenſchaftlichen Namen Otolicnus minor — der kleinere Galago. (Seite 144, Fig. 2.) Das Thierchen hat die Größe einer kleinen Ratte (5½ Zoll Leibes-, 6 Zoll Schwanzlänge) und auch einen licht mäuſefarbigen Pelz, daher wohl entfernte Aehnlichkeit mit einem jener bekannten Ragethiere, deſſen Namen ihm Unkundige gaben. Es lebt auf Madagaskar; bei Tage ſchläft es in zuſammengerollter Stellung, des Nachts ſpringt es mit großen Sätzen gewandt von Baum zu Baum, ganz nach Art der Haſelmäuſe. Jn der Gefangenſchaft kann man es mit ſaftigen Früchten hinhalten.
Jn der neueren Zeit (1859) hat man aber noch einen andern Zwergmaki entdeckt, welcher ſeinem Namen mehr, als jeder andere entſpricht. Er iſt der Zwerg der Zwerge; denn er erreicht blos die Größe einer Maus. Nur wenige Breitengrade nördlich von den Gegenden, in denen der Herkules aller Vierhänder, der Gorilla, lebt, nämlich zu Jkoneto, einem Ort am Kalabarfluſſe in Guinea, etwas oberhalb Creec-Town, fand der Miſſionär Thomſon das Mäuſeäffchen auf und hielt eins längere Zeit lebendig. Es wurde ſehr zahm und zutraulich und lief frei in der Wohnung ſeines Beſitzers umher. Sein beliebteſter Zufluchtsort war der Rockärmel ſeines Herrn oder auch deſſen Hals, zwiſchen Backenbart und Rockkragen. Thomſon behauptet, niemals ein zierlicheres Ge- ſchöpf geſehen zu haben. Als es geſtorben, ſchickte er es an Murray nach London, welcher es beſchrieb und Mäuſemaki (Otolienus murinus) nannte. Seine Pelzfärbung iſt auch mäuſegrau.
Die ſchlechten Abbildungen, welche leider noch heut zu Tage die meiſten volksthümlichen und ſelbſt wiſſenſchaftlichen thierbeſchreibenden Werke verunreinigen, mögen wohl eine der Haupturſachen geweſen ſein, daß man einen Maki vor allen anderen Geſpenſtthier oder Koboldmaki genannt hat. Uns zeigt die richtigere Abbildung, welche ich bieten kann, daß der Koboldmaki eben auch nicht mehr Geſpenſterhaftes hat, als die bisher genannten; wir bemerken an ihm vielmehr eine ſehr große Aehnlichkeit mit den Galagos, welche wir ſoeben kennen lernten. Erſt die genauere Vergleichung läßt Unterſchiede auffinden, welche die Forſcher berechtigen, das Koboldäſſchen einer eigenen Sippe unſerer Familie zuzuzählen und es ſo von den übrigen Langfüßern zu trennen. Der Name dieſer Sippe iſt Tarsius — Handwurzelthier —, eben weil die Tarſen oder Handwurzeln auffallend ver- längert ſind und ſo gleichſam zu dem erſten Range in der Familie berechtigen.
Ein dicker Kopf mit großen, in der Dunkelheit leuchtenden Augen, mittelgroße und löffelförmige, fein behaarte Ohren, eine ſehr kurze Schnauze, ungewöhnlich verlängerte Hinterglieder und Fuß- wurzeln, echte Krallen an dem Zeige- und Mittelfinger der Hinterhände und ein langer, dünner, blos an ſeiner Spitze quaſtenähnlich behaarter Schwanz bilden die hervorſtechenden Kennzeichen der Sippe.
Der Koboldmaki (Tarsius Spectrum) ſcheint die Galagos in Aſien zu vertreten. Sein Vater- land ſind die äußerſten Molukken, zumal Amboina. Jn der macaſſariſchen Sprache wird er Podje genannt; auf Sumatra heißt er Singa-Poa oder kleiner Löwe. Denn ein Leu, ſo erzählt die Sage des Landes, ſei das Thierchen ehemals geweſen an Geſtalt, Größe und Stärke, und erſt in der neuern
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[146/0204]
Die Halbaffen. Langfüßer. — Madagaskarratte. Mäuſe- und Koboldmaki. Fingerthier.
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klingt ungefähr wie „du, tu tu, thu, tu tui dju dju‟, ſehr dumpf und hohl. — Wie es ſcheint, iſt
unſer Gefangener die ganze Nacht hindurch munter; morgens ſucht er erſt, nachdem es vollkommen
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Ueber die Fortpflanzung der Ohrenaffen weiß man nur wenig. Sie bereiten ſich in Baum-
höhlen oder verlaſſenen Vogelneſtern ein weiches, mit zartem Gras ausgelegtes Wochenbett und
gebären, verbergen und erziehen dort ihr einziges oder ihre zwei Jungen. Später werden dieſelben,
wenn auch nicht mehr getragen, ſo doch noch lange von dem Weibchen geführt und gepflegt.
Jſt nun ſchon der Tendj oder Moholi ein niedliches Thier, ſo ſind doch zwei andere Mit-
glieder ſeiner oder, wie Andere wollen, einer eigenen Sippe — der Zwergmakis (Mierocebus) —
noch weit zartere Geſchöpfe. Die eine Art iſt als „Madagaskar-Ratte‟ vielleicht bekannter
geworden, als unter ihrem wiſſenſchaftlichen Namen Otolicnus minor — der kleinere Galago.
(Seite 144, Fig. 2.) Das Thierchen hat die Größe einer kleinen Ratte (5½ Zoll Leibes-, 6 Zoll
Schwanzlänge) und auch einen licht mäuſefarbigen Pelz, daher wohl entfernte Aehnlichkeit mit einem
jener bekannten Ragethiere, deſſen Namen ihm Unkundige gaben. Es lebt auf Madagaskar; bei
Tage ſchläft es in zuſammengerollter Stellung, des Nachts ſpringt es mit großen Sätzen gewandt
von Baum zu Baum, ganz nach Art der Haſelmäuſe. Jn der Gefangenſchaft kann man es mit
ſaftigen Früchten hinhalten.
Jn der neueren Zeit (1859) hat man aber noch einen andern Zwergmaki entdeckt, welcher
ſeinem Namen mehr, als jeder andere entſpricht. Er iſt der Zwerg der Zwerge; denn er erreicht
blos die Größe einer Maus. Nur wenige Breitengrade nördlich von den Gegenden, in denen
der Herkules aller Vierhänder, der Gorilla, lebt, nämlich zu Jkoneto, einem Ort am Kalabarfluſſe
in Guinea, etwas oberhalb Creec-Town, fand der Miſſionär Thomſon das Mäuſeäffchen auf und
hielt eins längere Zeit lebendig. Es wurde ſehr zahm und zutraulich und lief frei in der Wohnung
ſeines Beſitzers umher. Sein beliebteſter Zufluchtsort war der Rockärmel ſeines Herrn oder auch
deſſen Hals, zwiſchen Backenbart und Rockkragen. Thomſon behauptet, niemals ein zierlicheres Ge-
ſchöpf geſehen zu haben. Als es geſtorben, ſchickte er es an Murray nach London, welcher es
beſchrieb und Mäuſemaki (Otolienus murinus) nannte. Seine Pelzfärbung iſt auch mäuſegrau.
Die ſchlechten Abbildungen, welche leider noch heut zu Tage die meiſten volksthümlichen und
ſelbſt wiſſenſchaftlichen thierbeſchreibenden Werke verunreinigen, mögen wohl eine der Haupturſachen
geweſen ſein, daß man einen Maki vor allen anderen Geſpenſtthier oder Koboldmaki genannt
hat. Uns zeigt die richtigere Abbildung, welche ich bieten kann, daß der Koboldmaki eben auch
nicht mehr Geſpenſterhaftes hat, als die bisher genannten; wir bemerken an ihm vielmehr eine ſehr
große Aehnlichkeit mit den Galagos, welche wir ſoeben kennen lernten. Erſt die genauere Vergleichung
läßt Unterſchiede auffinden, welche die Forſcher berechtigen, das Koboldäſſchen einer eigenen Sippe
unſerer Familie zuzuzählen und es ſo von den übrigen Langfüßern zu trennen. Der Name dieſer
Sippe iſt Tarsius — Handwurzelthier —, eben weil die Tarſen oder Handwurzeln auffallend ver-
längert ſind und ſo gleichſam zu dem erſten Range in der Familie berechtigen.
Ein dicker Kopf mit großen, in der Dunkelheit leuchtenden Augen, mittelgroße und löffelförmige,
fein behaarte Ohren, eine ſehr kurze Schnauze, ungewöhnlich verlängerte Hinterglieder und Fuß-
wurzeln, echte Krallen an dem Zeige- und Mittelfinger der Hinterhände und ein langer, dünner, blos
an ſeiner Spitze quaſtenähnlich behaarter Schwanz bilden die hervorſtechenden Kennzeichen der Sippe.
Der Koboldmaki (Tarsius Spectrum) ſcheint die Galagos in Aſien zu vertreten. Sein Vater-
land ſind die äußerſten Molukken, zumal Amboina. Jn der macaſſariſchen Sprache wird er Podje
genannt; auf Sumatra heißt er Singa-Poa oder kleiner Löwe. Denn ein Leu, ſo erzählt die Sage
des Landes, ſei das Thierchen ehemals geweſen an Geſtalt, Größe und Stärke, und erſt in der neuern
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/204>, abgerufen am 23.11.2024.
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