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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Die Affen. Krallenaffen. Seidenaffen.
Fähigkeiten des Affen sind gering; er lernt niemals seinen Herrn kennen, folgt seinem Rufe nicht
und ist gegen seine Liebkosungen ganz gleichgiltig. Selbst zur Befriedigung ihrer Begierden und
Leidenschaften sieht man sie keine Handlung ausführen, welche auf einigen Verstand schließen ließe.
Rengger hat blos eine große Anhänglichkeit zwischen Männchen und Weibchen bemerkt. Ein ein-
gefangenes Paar geht stets zu Grunde, wenn eins seiner Glieder stirbt, das andere grämt sich zu
Tode. Die Freiheit lieben die Thiere über Alles, und sie benutzen deshalb jede Gelegenheit, um zu
entweichen, auch wenn man sie jung gefangen und schon Jahre lang in der Gefangenschaft gehalten hat.

Nach Europa scheint er nur einmal lebend gekommen zu sein: Weinland sah ihn (1861) im
Regent's Park bei London.

Schomburgks Bericht bestätigt die obigen Angaben. "Jn Ascurda," sagt er, "lernte ich auch
eins der merkwürdigsten Thiere Guianas, den Nachtaffen oder Durukuli der Jndianer, als
zahmes Hausthier kennen. Es war der erste, den ich überhaupt während meines Aufenthalts sah,
einen zweiten fand ich später. Es ist ein niedliches, eigenthümliches und ebenso lichtscheues Thier, wie
die Eule und die Fledermaus. Sein kleiner runder Kopf, die gewaltig großen, gelben Augen, die
kleinen, kurzen Ohren geben ihm ein äußerst merkwürdiges, possierliches Aeußere. Die ängstlichen
hilflosen Bewegungen erregen förmliches Mitleid. Am Tage ist der Durukuli fast vollkommen blind,
taumelt wie ein Blinder umher, klammert sich an den ersten besten dunklen Gegenstand an und drückt
an denselben das Gesicht, um dem schmerzhaften Eindrucke des Lichts zu entgehen. Der dunkelste
Winkel der Hütte ist sein liebster Aufenthalt, und hier liegt er während des Tages in einem förm-
lichen Todtenschlafe, aus welchem ihn nur mehrere Schläge erwecken können. Kaum aber ist die Nacht
hereingebrochen, so kommt der feste Schläfer aus seinem Schlupfwinkel hervor, und nun giebt es
kein muntereres Thier. Von Hängematte geht's zu Hängematte, dabei werden dem darin liegenden
Schlafenden Hände und Gesicht beleckt; vom Boden geht's bis zum äußersten Balken, und was nicht
fest genug steht, liegt am Morgen gewöhnlich auf der Erde umher. Vermöge der Länge der Hinter-
füße gegen die der Vorderfüße gehört der Durukuli zu den ausgezeichnetsten Springern. Merkwürdig
ist es, wenn das Thier Abends bei Tische seinen Tummelplatz unter diesem aufschlägt, dann an den
Leuten emporkriecht und wie von einer Tarantel gestochen zurückprallt, sobald es von den Lichtstrahlen
der auf dem Tische stehenden Kerzen getroffen wird. Jm Dunkeln leuchten die Augen viel stärker,
als die des Katzengeschlechts. Obschon der Durukuli wie die Affen mit Allem vorlieb nimmt, so
scheinen kleinere Vögel doch sein Lieblingsfraß zu sein. Das lichtscheue Wesen, wie die tiefen Verstecke
in denen das Thier am Tage zubringt, scheinen mir die Hauptursache, daß es so selten gesehen wird."

Fell und Fleisch werden blos von den wilden Jndianern benutzt.



Viele Naturforscher sehen in den Thieren, welche wir hier zu einer besondern Familie ver-
einigen, nur Sippen der vorhergehenden Familie und stellen sie deshalb mit dieser zusammen. Die
unterscheidenden Merkmale zwischen ihnen und den vorhergehenden Affen sind aber immerhin be-
trächtlich genug, um eine derartige Trennung, wie wir sie anwenden, zu rechtfertigen.

Die Krallenaffen (Arctopitheci) sind kleine, niedliche Bewohner der Urwälder Südamerikas.
Jhre Hinterfüße sind mit einem den übrigen Zehen entgegensetzbaren Daumen versehen; die Vorder-
füße dagegen haben keinen eigentlichen Daumen, weil die Jnnenzehe nicht den übrigen entgegengesetzt
werden kann. Nur der Daumen der Hinterzehe hat einen platten Nagel, alle übrigen Zehen dagegen
besitzen Krallen. Jn diesen Unterschieden vornehmlich sind die Gründe zu suchen, welche einige Natur-
forscher bestimmten, die Krallenaffen als besondere Familie von den übrigen Vierhändern der neuen
Welt zu sondern. Die Hände der Krallenaffen sind zu eigentlichen Pfoten geworden und unsere Thiere

Die Affen. Krallenaffen. Seidenaffen.
Fähigkeiten des Affen ſind gering; er lernt niemals ſeinen Herrn kennen, folgt ſeinem Rufe nicht
und iſt gegen ſeine Liebkoſungen ganz gleichgiltig. Selbſt zur Befriedigung ihrer Begierden und
Leidenſchaften ſieht man ſie keine Handlung ausführen, welche auf einigen Verſtand ſchließen ließe.
Rengger hat blos eine große Anhänglichkeit zwiſchen Männchen und Weibchen bemerkt. Ein ein-
gefangenes Paar geht ſtets zu Grunde, wenn eins ſeiner Glieder ſtirbt, das andere grämt ſich zu
Tode. Die Freiheit lieben die Thiere über Alles, und ſie benutzen deshalb jede Gelegenheit, um zu
entweichen, auch wenn man ſie jung gefangen und ſchon Jahre lang in der Gefangenſchaft gehalten hat.

Nach Europa ſcheint er nur einmal lebend gekommen zu ſein: Weinland ſah ihn (1861) im
Regent’s Park bei London.

Schomburgks Bericht beſtätigt die obigen Angaben. „Jn Ascurda,‟ ſagt er, „lernte ich auch
eins der merkwürdigſten Thiere Guianas, den Nachtaffen oder Durukuli der Jndianer, als
zahmes Hausthier kennen. Es war der erſte, den ich überhaupt während meines Aufenthalts ſah,
einen zweiten fand ich ſpäter. Es iſt ein niedliches, eigenthümliches und ebenſo lichtſcheues Thier, wie
die Eule und die Fledermaus. Sein kleiner runder Kopf, die gewaltig großen, gelben Augen, die
kleinen, kurzen Ohren geben ihm ein äußerſt merkwürdiges, poſſierliches Aeußere. Die ängſtlichen
hilfloſen Bewegungen erregen förmliches Mitleid. Am Tage iſt der Durukuli faſt vollkommen blind,
taumelt wie ein Blinder umher, klammert ſich an den erſten beſten dunklen Gegenſtand an und drückt
an denſelben das Geſicht, um dem ſchmerzhaften Eindrucke des Lichts zu entgehen. Der dunkelſte
Winkel der Hütte iſt ſein liebſter Aufenthalt, und hier liegt er während des Tages in einem förm-
lichen Todtenſchlafe, aus welchem ihn nur mehrere Schläge erwecken können. Kaum aber iſt die Nacht
hereingebrochen, ſo kommt der feſte Schläfer aus ſeinem Schlupfwinkel hervor, und nun giebt es
kein muntereres Thier. Von Hängematte geht’s zu Hängematte, dabei werden dem darin liegenden
Schlafenden Hände und Geſicht beleckt; vom Boden geht’s bis zum äußerſten Balken, und was nicht
feſt genug ſteht, liegt am Morgen gewöhnlich auf der Erde umher. Vermöge der Länge der Hinter-
füße gegen die der Vorderfüße gehört der Durukuli zu den ausgezeichnetſten Springern. Merkwürdig
iſt es, wenn das Thier Abends bei Tiſche ſeinen Tummelplatz unter dieſem aufſchlägt, dann an den
Leuten emporkriecht und wie von einer Tarantel geſtochen zurückprallt, ſobald es von den Lichtſtrahlen
der auf dem Tiſche ſtehenden Kerzen getroffen wird. Jm Dunkeln leuchten die Augen viel ſtärker,
als die des Katzengeſchlechts. Obſchon der Durukuli wie die Affen mit Allem vorlieb nimmt, ſo
ſcheinen kleinere Vögel doch ſein Lieblingsfraß zu ſein. Das lichtſcheue Weſen, wie die tiefen Verſtecke
in denen das Thier am Tage zubringt, ſcheinen mir die Haupturſache, daß es ſo ſelten geſehen wird.‟

Fell und Fleiſch werden blos von den wilden Jndianern benutzt.



Viele Naturforſcher ſehen in den Thieren, welche wir hier zu einer beſondern Familie ver-
einigen, nur Sippen der vorhergehenden Familie und ſtellen ſie deshalb mit dieſer zuſammen. Die
unterſcheidenden Merkmale zwiſchen ihnen und den vorhergehenden Affen ſind aber immerhin be-
trächtlich genug, um eine derartige Trennung, wie wir ſie anwenden, zu rechtfertigen.

Die Krallenaffen (Arctopitheci) ſind kleine, niedliche Bewohner der Urwälder Südamerikas.
Jhre Hinterfüße ſind mit einem den übrigen Zehen entgegenſetzbaren Daumen verſehen; die Vorder-
füße dagegen haben keinen eigentlichen Daumen, weil die Jnnenzehe nicht den übrigen entgegengeſetzt
werden kann. Nur der Daumen der Hinterzehe hat einen platten Nagel, alle übrigen Zehen dagegen
beſitzen Krallen. Jn dieſen Unterſchieden vornehmlich ſind die Gründe zu ſuchen, welche einige Natur-
forſcher beſtimmten, die Krallenaffen als beſondere Familie von den übrigen Vierhändern der neuen
Welt zu ſondern. Die Hände der Krallenaffen ſind zu eigentlichen Pfoten geworden und unſere Thiere

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[124/0182] Die Affen. Krallenaffen. Seidenaffen. Fähigkeiten des Affen ſind gering; er lernt niemals ſeinen Herrn kennen, folgt ſeinem Rufe nicht und iſt gegen ſeine Liebkoſungen ganz gleichgiltig. Selbſt zur Befriedigung ihrer Begierden und Leidenſchaften ſieht man ſie keine Handlung ausführen, welche auf einigen Verſtand ſchließen ließe. Rengger hat blos eine große Anhänglichkeit zwiſchen Männchen und Weibchen bemerkt. Ein ein- gefangenes Paar geht ſtets zu Grunde, wenn eins ſeiner Glieder ſtirbt, das andere grämt ſich zu Tode. Die Freiheit lieben die Thiere über Alles, und ſie benutzen deshalb jede Gelegenheit, um zu entweichen, auch wenn man ſie jung gefangen und ſchon Jahre lang in der Gefangenſchaft gehalten hat. Nach Europa ſcheint er nur einmal lebend gekommen zu ſein: Weinland ſah ihn (1861) im Regent’s Park bei London. Schomburgks Bericht beſtätigt die obigen Angaben. „Jn Ascurda,‟ ſagt er, „lernte ich auch eins der merkwürdigſten Thiere Guianas, den Nachtaffen oder Durukuli der Jndianer, als zahmes Hausthier kennen. Es war der erſte, den ich überhaupt während meines Aufenthalts ſah, einen zweiten fand ich ſpäter. Es iſt ein niedliches, eigenthümliches und ebenſo lichtſcheues Thier, wie die Eule und die Fledermaus. Sein kleiner runder Kopf, die gewaltig großen, gelben Augen, die kleinen, kurzen Ohren geben ihm ein äußerſt merkwürdiges, poſſierliches Aeußere. Die ängſtlichen hilfloſen Bewegungen erregen förmliches Mitleid. Am Tage iſt der Durukuli faſt vollkommen blind, taumelt wie ein Blinder umher, klammert ſich an den erſten beſten dunklen Gegenſtand an und drückt an denſelben das Geſicht, um dem ſchmerzhaften Eindrucke des Lichts zu entgehen. Der dunkelſte Winkel der Hütte iſt ſein liebſter Aufenthalt, und hier liegt er während des Tages in einem förm- lichen Todtenſchlafe, aus welchem ihn nur mehrere Schläge erwecken können. Kaum aber iſt die Nacht hereingebrochen, ſo kommt der feſte Schläfer aus ſeinem Schlupfwinkel hervor, und nun giebt es kein muntereres Thier. Von Hängematte geht’s zu Hängematte, dabei werden dem darin liegenden Schlafenden Hände und Geſicht beleckt; vom Boden geht’s bis zum äußerſten Balken, und was nicht feſt genug ſteht, liegt am Morgen gewöhnlich auf der Erde umher. Vermöge der Länge der Hinter- füße gegen die der Vorderfüße gehört der Durukuli zu den ausgezeichnetſten Springern. Merkwürdig iſt es, wenn das Thier Abends bei Tiſche ſeinen Tummelplatz unter dieſem aufſchlägt, dann an den Leuten emporkriecht und wie von einer Tarantel geſtochen zurückprallt, ſobald es von den Lichtſtrahlen der auf dem Tiſche ſtehenden Kerzen getroffen wird. Jm Dunkeln leuchten die Augen viel ſtärker, als die des Katzengeſchlechts. Obſchon der Durukuli wie die Affen mit Allem vorlieb nimmt, ſo ſcheinen kleinere Vögel doch ſein Lieblingsfraß zu ſein. Das lichtſcheue Weſen, wie die tiefen Verſtecke in denen das Thier am Tage zubringt, ſcheinen mir die Haupturſache, daß es ſo ſelten geſehen wird.‟ Fell und Fleiſch werden blos von den wilden Jndianern benutzt. Viele Naturforſcher ſehen in den Thieren, welche wir hier zu einer beſondern Familie ver- einigen, nur Sippen der vorhergehenden Familie und ſtellen ſie deshalb mit dieſer zuſammen. Die unterſcheidenden Merkmale zwiſchen ihnen und den vorhergehenden Affen ſind aber immerhin be- trächtlich genug, um eine derartige Trennung, wie wir ſie anwenden, zu rechtfertigen. Die Krallenaffen (Arctopitheci) ſind kleine, niedliche Bewohner der Urwälder Südamerikas. Jhre Hinterfüße ſind mit einem den übrigen Zehen entgegenſetzbaren Daumen verſehen; die Vorder- füße dagegen haben keinen eigentlichen Daumen, weil die Jnnenzehe nicht den übrigen entgegengeſetzt werden kann. Nur der Daumen der Hinterzehe hat einen platten Nagel, alle übrigen Zehen dagegen beſitzen Krallen. Jn dieſen Unterſchieden vornehmlich ſind die Gründe zu ſuchen, welche einige Natur- forſcher beſtimmten, die Krallenaffen als beſondere Familie von den übrigen Vierhändern der neuen Welt zu ſondern. Die Hände der Krallenaffen ſind zu eigentlichen Pfoten geworden und unſere Thiere

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/182>, abgerufen am 22.11.2024.