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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Leben des Saimiri. Beschreibung des Titi.
ein Kampf entsponnen hat. Die Jaguars z. B. machen Jagd auf die Bisamschweine und Tapirs,
welche nur Schutz finden, indem sie beisammenbleiben und, in gedrängten Rudeln dahinjagend, das
ihnen in den Weg kommende Gebüsch niederreißen. Die Affen, schen und furchtsam, erschrecken ob
dieser Jagd und beantworten von den Bäumen herab das Geschrei der größeren Thiere. Sie wecken
die gesellig lebenden Vögel auf, und nicht lange, so ist die ganze Gesellschaft in Aufruhr."

Der Todtenkopf gehört zu den Furchtsamsten der Furchtsamen, so lange er sich nicht von
seiner vollkommenen Sicherheit überzeugt hat; er wird aber zu einem echten Affen, wenn es gilt,
handelnd aufzutreten. Er ist ein Kind in seinem Wesen, und kein anderer Affe sieht auch im Gesicht
einem Kinde so ähnlich, als er: "es ist derselbe Ausdruck von Unschuld, dasselbe schalkhafte Lächeln,
derselbe rasche Uebergang von Freude zur Trauer." Sein Gesicht ist der treue Spiegel der äußeren
Eindrücke und inneren Empfindungen. Wenn er erschreckt wird, vergießen seine großen Augen
Thränen, und auch den Schmerz giebt er durch Weinen zu erkennen. Seine Empfindlichkeit und
Reizbarkeit ist groß; doch ist er nicht eigenwillig und seine Gutmüthigkeit bleibt sich fast immer gleich,
so daß es eigentlich schwer ist, das liebe Thierchen zu erzürnen. Auf seinen Herrn achtet er mit großer
Sorgfalt. Wenn man in seiner Gegenwart spricht, wird bald seine ganze Aufmerksamkeit rege. Er
blickt Einem starr und unverwandt ins Gesicht, verfolgt und beobachtet mit seinen lebhaften Augen
jede Bewegung der Lippen und sucht sich dann bald zu nähern, klettert Einem auf die Schulter und
betastet Zahn und Zunge sorgfältig, als wolle er dadurch die ihm unverständlichen Laute der Rede
zu enträthseln suchen.

Seine Nahrung nimmt er mit den Händen, oft aber mit dem Munde auf. Mit seinem Schwanze
vermag er erreichbare Dinge an sich zu ziehen, kann sie aber nicht damit festhalten. Verschiedene
Früchte und Blattknospen bilden wohl den größten Theil seiner Mahlzeiten; doch ist er auch ein
eifriger Jäger von kleinen Vögeln und Kerbthieren. Ein von Humboldt gezähmter Eichhornaffe
unterschied sogar abgebildete Kerbthiere von anderen bildlichen Darstellungen und streckte, so oft man
ihm die bezügliche Tafel vorhielt, rasch die kleine Hand aus, in der Hoffnung, eine Heuschrecke oder
Wespe zu erhalten.

Sein liebenswürdiges Wesen macht ihn allgemein beliebt. Er wird sehr gesucht und zum Ver-
gnügen Aller gehalten. Auch bei den Wilden ist er gern gesehen und deshalb oft ein Gast ihrer
Hütten. Alt Gefangene überleben selten den Verlust ihrer Freiheit, und selbst die, welche in der ersten
Jugend dem Menschen zugesellt wurden, dauern nicht lange bei ihm aus.

Die Jndianer jagen am liebsten an kühlen, regnerischen Tagen nach dem Saimiri. "Schießt
man," erzählt Humboldt, "mit Pfeilen, welche in verdünntes Gift getaucht sind, auf einen jener
Knäuel, so fängt man viele junge Affen auf einmal lebendig. Der junge Saimiri bleibt im Fallen
an seiner Mutter hängen, und wird er durch den Sturz nicht verletzt, so weicht er nicht von Schulter
und Hals des todten Thieres. Die meisten, welche man in den Hütten der Jndianer antrifft, sind
auf diese Weise von den Leichen ihrer Mütter gerissen worden."

Selbst diejenigen, welche schon länger in der Gefangenschaft gelebt haben, sind aus dem Jnnern
schwer nur bis an die Küste zu bringen. Sobald man die Wälder hinter sich hat und die Steppen
betritt, werden sie traurig und niedergeschlagen und siechen allgemach dahin. Jn Europa gehören sie
zu den größten Seltenheiten der Thiergärten und Schaubuden.

Der Titi oder die Vindita (kleine Witwe) der Spanier wird gegenwärtig einer andern Sippe
zugezählt, als der Saimiri, den man Chrysothrix genannt und abgetrennt hat, weil er sich von jenem
und seinem Verwandten durch den Kopfbau und die Zahl der rippentragenden Wirbel unterscheidet.

Unsere kleine Witwe (Chrysothrix torquata) ist ein äußerst niedliches und farbenschönes Ge-
schöpf. Jhre Leibeslänge beträgt funfzehn, die Schwanzlänge achtzehn Zoll. Das Haar ist fein und
glänzend, fehlt aber in dem weißen, ins Blaue spielenden Gesicht und auf den kleinen, wohlgebildeten
Ohren. Von der schwarzen Grundfarbe hebt sich ein weißes Kehlband scharf ab, und auch die Vorder-

Leben des Saimiri. Beſchreibung des Titi.
ein Kampf entſponnen hat. Die Jaguars z. B. machen Jagd auf die Biſamſchweine und Tapirs,
welche nur Schutz finden, indem ſie beiſammenbleiben und, in gedrängten Rudeln dahinjagend, das
ihnen in den Weg kommende Gebüſch niederreißen. Die Affen, ſchen und furchtſam, erſchrecken ob
dieſer Jagd und beantworten von den Bäumen herab das Geſchrei der größeren Thiere. Sie wecken
die geſellig lebenden Vögel auf, und nicht lange, ſo iſt die ganze Geſellſchaft in Aufruhr.‟

Der Todtenkopf gehört zu den Furchtſamſten der Furchtſamen, ſo lange er ſich nicht von
ſeiner vollkommenen Sicherheit überzeugt hat; er wird aber zu einem echten Affen, wenn es gilt,
handelnd aufzutreten. Er iſt ein Kind in ſeinem Weſen, und kein anderer Affe ſieht auch im Geſicht
einem Kinde ſo ähnlich, als er: „es iſt derſelbe Ausdruck von Unſchuld, daſſelbe ſchalkhafte Lächeln,
derſelbe raſche Uebergang von Freude zur Trauer.‟ Sein Geſicht iſt der treue Spiegel der äußeren
Eindrücke und inneren Empfindungen. Wenn er erſchreckt wird, vergießen ſeine großen Augen
Thränen, und auch den Schmerz giebt er durch Weinen zu erkennen. Seine Empfindlichkeit und
Reizbarkeit iſt groß; doch iſt er nicht eigenwillig und ſeine Gutmüthigkeit bleibt ſich faſt immer gleich,
ſo daß es eigentlich ſchwer iſt, das liebe Thierchen zu erzürnen. Auf ſeinen Herrn achtet er mit großer
Sorgfalt. Wenn man in ſeiner Gegenwart ſpricht, wird bald ſeine ganze Aufmerkſamkeit rege. Er
blickt Einem ſtarr und unverwandt ins Geſicht, verfolgt und beobachtet mit ſeinen lebhaften Augen
jede Bewegung der Lippen und ſucht ſich dann bald zu nähern, klettert Einem auf die Schulter und
betaſtet Zahn und Zunge ſorgfältig, als wolle er dadurch die ihm unverſtändlichen Laute der Rede
zu enträthſeln ſuchen.

Seine Nahrung nimmt er mit den Händen, oft aber mit dem Munde auf. Mit ſeinem Schwanze
vermag er erreichbare Dinge an ſich zu ziehen, kann ſie aber nicht damit feſthalten. Verſchiedene
Früchte und Blattknospen bilden wohl den größten Theil ſeiner Mahlzeiten; doch iſt er auch ein
eifriger Jäger von kleinen Vögeln und Kerbthieren. Ein von Humboldt gezähmter Eichhornaffe
unterſchied ſogar abgebildete Kerbthiere von anderen bildlichen Darſtellungen und ſtreckte, ſo oft man
ihm die bezügliche Tafel vorhielt, raſch die kleine Hand aus, in der Hoffnung, eine Heuſchrecke oder
Wespe zu erhalten.

Sein liebenswürdiges Weſen macht ihn allgemein beliebt. Er wird ſehr geſucht und zum Ver-
gnügen Aller gehalten. Auch bei den Wilden iſt er gern geſehen und deshalb oft ein Gaſt ihrer
Hütten. Alt Gefangene überleben ſelten den Verluſt ihrer Freiheit, und ſelbſt die, welche in der erſten
Jugend dem Menſchen zugeſellt wurden, dauern nicht lange bei ihm aus.

Die Jndianer jagen am liebſten an kühlen, regneriſchen Tagen nach dem Saimiri. „Schießt
man,‟ erzählt Humboldt, „mit Pfeilen, welche in verdünntes Gift getaucht ſind, auf einen jener
Knäuel, ſo fängt man viele junge Affen auf einmal lebendig. Der junge Saimiri bleibt im Fallen
an ſeiner Mutter hängen, und wird er durch den Sturz nicht verletzt, ſo weicht er nicht von Schulter
und Hals des todten Thieres. Die meiſten, welche man in den Hütten der Jndianer antrifft, ſind
auf dieſe Weiſe von den Leichen ihrer Mütter geriſſen worden.‟

Selbſt diejenigen, welche ſchon länger in der Gefangenſchaft gelebt haben, ſind aus dem Jnnern
ſchwer nur bis an die Küſte zu bringen. Sobald man die Wälder hinter ſich hat und die Steppen
betritt, werden ſie traurig und niedergeſchlagen und ſiechen allgemach dahin. Jn Europa gehören ſie
zu den größten Seltenheiten der Thiergärten und Schaubuden.

Der Titi oder die Vindita (kleine Witwe) der Spanier wird gegenwärtig einer andern Sippe
zugezählt, als der Saimiri, den man Chrysothrix genannt und abgetrennt hat, weil er ſich von jenem
und ſeinem Verwandten durch den Kopfbau und die Zahl der rippentragenden Wirbel unterſcheidet.

Unſere kleine Witwe (Chrysothrix torquata) iſt ein äußerſt niedliches und farbenſchönes Ge-
ſchöpf. Jhre Leibeslänge beträgt funfzehn, die Schwanzlänge achtzehn Zoll. Das Haar iſt fein und
glänzend, fehlt aber in dem weißen, ins Blaue ſpielenden Geſicht und auf den kleinen, wohlgebildeten
Ohren. Von der ſchwarzen Grundfarbe hebt ſich ein weißes Kehlband ſcharf ab, und auch die Vorder-

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[117/0175] Leben des Saimiri. Beſchreibung des Titi. ein Kampf entſponnen hat. Die Jaguars z. B. machen Jagd auf die Biſamſchweine und Tapirs, welche nur Schutz finden, indem ſie beiſammenbleiben und, in gedrängten Rudeln dahinjagend, das ihnen in den Weg kommende Gebüſch niederreißen. Die Affen, ſchen und furchtſam, erſchrecken ob dieſer Jagd und beantworten von den Bäumen herab das Geſchrei der größeren Thiere. Sie wecken die geſellig lebenden Vögel auf, und nicht lange, ſo iſt die ganze Geſellſchaft in Aufruhr.‟ Der Todtenkopf gehört zu den Furchtſamſten der Furchtſamen, ſo lange er ſich nicht von ſeiner vollkommenen Sicherheit überzeugt hat; er wird aber zu einem echten Affen, wenn es gilt, handelnd aufzutreten. Er iſt ein Kind in ſeinem Weſen, und kein anderer Affe ſieht auch im Geſicht einem Kinde ſo ähnlich, als er: „es iſt derſelbe Ausdruck von Unſchuld, daſſelbe ſchalkhafte Lächeln, derſelbe raſche Uebergang von Freude zur Trauer.‟ Sein Geſicht iſt der treue Spiegel der äußeren Eindrücke und inneren Empfindungen. Wenn er erſchreckt wird, vergießen ſeine großen Augen Thränen, und auch den Schmerz giebt er durch Weinen zu erkennen. Seine Empfindlichkeit und Reizbarkeit iſt groß; doch iſt er nicht eigenwillig und ſeine Gutmüthigkeit bleibt ſich faſt immer gleich, ſo daß es eigentlich ſchwer iſt, das liebe Thierchen zu erzürnen. Auf ſeinen Herrn achtet er mit großer Sorgfalt. Wenn man in ſeiner Gegenwart ſpricht, wird bald ſeine ganze Aufmerkſamkeit rege. Er blickt Einem ſtarr und unverwandt ins Geſicht, verfolgt und beobachtet mit ſeinen lebhaften Augen jede Bewegung der Lippen und ſucht ſich dann bald zu nähern, klettert Einem auf die Schulter und betaſtet Zahn und Zunge ſorgfältig, als wolle er dadurch die ihm unverſtändlichen Laute der Rede zu enträthſeln ſuchen. Seine Nahrung nimmt er mit den Händen, oft aber mit dem Munde auf. Mit ſeinem Schwanze vermag er erreichbare Dinge an ſich zu ziehen, kann ſie aber nicht damit feſthalten. Verſchiedene Früchte und Blattknospen bilden wohl den größten Theil ſeiner Mahlzeiten; doch iſt er auch ein eifriger Jäger von kleinen Vögeln und Kerbthieren. Ein von Humboldt gezähmter Eichhornaffe unterſchied ſogar abgebildete Kerbthiere von anderen bildlichen Darſtellungen und ſtreckte, ſo oft man ihm die bezügliche Tafel vorhielt, raſch die kleine Hand aus, in der Hoffnung, eine Heuſchrecke oder Wespe zu erhalten. Sein liebenswürdiges Weſen macht ihn allgemein beliebt. Er wird ſehr geſucht und zum Ver- gnügen Aller gehalten. Auch bei den Wilden iſt er gern geſehen und deshalb oft ein Gaſt ihrer Hütten. Alt Gefangene überleben ſelten den Verluſt ihrer Freiheit, und ſelbſt die, welche in der erſten Jugend dem Menſchen zugeſellt wurden, dauern nicht lange bei ihm aus. Die Jndianer jagen am liebſten an kühlen, regneriſchen Tagen nach dem Saimiri. „Schießt man,‟ erzählt Humboldt, „mit Pfeilen, welche in verdünntes Gift getaucht ſind, auf einen jener Knäuel, ſo fängt man viele junge Affen auf einmal lebendig. Der junge Saimiri bleibt im Fallen an ſeiner Mutter hängen, und wird er durch den Sturz nicht verletzt, ſo weicht er nicht von Schulter und Hals des todten Thieres. Die meiſten, welche man in den Hütten der Jndianer antrifft, ſind auf dieſe Weiſe von den Leichen ihrer Mütter geriſſen worden.‟ Selbſt diejenigen, welche ſchon länger in der Gefangenſchaft gelebt haben, ſind aus dem Jnnern ſchwer nur bis an die Küſte zu bringen. Sobald man die Wälder hinter ſich hat und die Steppen betritt, werden ſie traurig und niedergeſchlagen und ſiechen allgemach dahin. Jn Europa gehören ſie zu den größten Seltenheiten der Thiergärten und Schaubuden. Der Titi oder die Vindita (kleine Witwe) der Spanier wird gegenwärtig einer andern Sippe zugezählt, als der Saimiri, den man Chrysothrix genannt und abgetrennt hat, weil er ſich von jenem und ſeinem Verwandten durch den Kopfbau und die Zahl der rippentragenden Wirbel unterſcheidet. Unſere kleine Witwe (Chrysothrix torquata) iſt ein äußerſt niedliches und farbenſchönes Ge- ſchöpf. Jhre Leibeslänge beträgt funfzehn, die Schwanzlänge achtzehn Zoll. Das Haar iſt fein und glänzend, fehlt aber in dem weißen, ins Blaue ſpielenden Geſicht und auf den kleinen, wohlgebildeten Ohren. Von der ſchwarzen Grundfarbe hebt ſich ein weißes Kehlband ſcharf ab, und auch die Vorder-

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/175>, abgerufen am 26.11.2024.