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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Leidenschaftlichkeit des Mandril. Haus im Glücke.
gessen; der eifersüchtige Affe ging ohne Besinnen durch die offene Thür und sah sich eine Minute
später hinter den eisernen Gittern.

Von anderen gezähmten Mandrils berichtet man, daß ihre Leidenschaftlichkeit sich auch auf den
Genuß geistiger Getränke erstreckte und sie sich, so oft sie nur konnten, in Bier oder Wein berauschten.
Die Beobachter, welche die betrunkenen Mandrile sahen, versichern, daß sie dann womöglich noch
einmal so scheußlich seien, als vorher.

Einer der berühmtesten Mandrils lebte in England unter sehr glücklichen Verhältnissen. Er war
wohlbekannt unter dem Namen: "Hans im Glück" und ziert noch heute nach seinem Tode das
britische Museum. Das Thier hatte mehrmals die Ehre, in Folge besonderer Einladungen, ein Gast
der königlichen Familie zu sein: kurz, es genoß, wie mein englischer Gewährsmann sagt, ein so glück-
liches Leben, als es nur immer ein Pavian leben kann.

Es ist kein Wunder, wenn über diese wüthenden Thiere früher die allermerkwürdigsten Geschichten
erzählt wurden. Topsel glaubt, daß es der "Arktokyon" oder Bärenhund der Alten sei, ein Vieh,
welches als Bastard von einem Bären und Hunde angesehen wurde. Andere nennen es auch die
zweite Art der scheußlichen Hiäne. Bei den Eingebornen heißt es Barris, und wahrscheinlich ist es
der Urheber der Missethaten, welche man dem Schimpanse zuschreibt.

Die zweite Art dieser Sippe, der Dril, hat so ziemlich dieselbe Gestalt, wie der Mandril,
aber in jedem Alter ein schwarzes Gesicht. Sein Pelz ist mehr grünlich gefärbt, als der des Mandril.
Die längs der Nase verlaufenden runzeligen Wülste sind nicht gefaltet. Der Schwanz ist ein gepin-
selter Stummel. Jn der Größe steht er weit hinter dem Mandril zurück. Seine Heimat ist dieselbe,
wie die seines greulichen Verwandten. Von seinen Sitten in der Freiheit weiß man nur sehr wenig,
doch scheint es, daß dieselben denen des Mandrils ähneln. Auch der Dril kommt öfters nach
Europa, namentlich nach England, und erfreut sich dort einer ziemlich guten Gesundheit. Das geistige
Wesen der Gefangenen hat gezeigt, daß sie eben auch echte Paviane sind: gelehrig in der Jugend,
wild und tückisch im Alter.



Der Unterschied zwischen allen Erzeugnissen des heißen Erdgürtels der alten Welt und denen
Südamerikas, ist regelmäßig ein durchgreifender und augenscheinlicher. Die Westhälfte der Erde
zeigt der Osthälfte gegenüber fast immer ein durchaus selbständiges Gepräge: Alles in ihm ist anders,
als in der alten Welt, und nur hier und da erinnert noch Etwas an diese; aber dann haben wir
es auch nicht mit dem eigentlichen Amerika zu thun: denn dieses sind die Landstriche zwischen den
Wendekreisen. Sie bilden eine eigene Welt für sich. Erde und Klima, Licht und Luft, Pflanze und
Thier -- Alles ist anders, als drüben im Osten. Deshalb tritt uns, wenn das Glück es uns ge-
stattet, der Wandersehnsucht des Herzens zu folgen, in den Wendekreisen des Westens Alles und Jedes
so märchenhaft oder zauberartig entgegen: der Reiz der Neuheit besiegt, der Reichthum der Natur
bewältigt und läßt die vielen Vorzüge unserer Erdhälfte vergessen.

Bei Betrachtung derjenigen Thiere, welche wir zunächst zu berücksichtigen haben, ist Dies wohl
weniger oder nicht der Fall. Die neuweltlichen Affen oder Schmalnasen sind zwar merkwürdige
Geschöpfe: schön aber sind sie nicht oder wenigstens nur einzelne. Und Eines muß augenblicklich auf-
fallen: nur der Leibes- und Gliederbau stempelt sie zu Affen, nicht aber auch das geistige Wesen.
Alle neuweltlichen Affen sind viel unbeholfenere, trägere, traurigere, geistlosere Geschöpfe, als ihre
Familienverwandten der alten Welt. Sie sind harmloser, guthmüthiger, unschädlicher, als diese: aber
ebendeshalb keine echten Affen mehr. Denn diese wollen wir gar nicht ohne die nur ihnen gehörenden
Eigenschaften, ohne ihre Lustigkeit, Munterkeit, Keckheit, Unverschämtheit, ja, ich möchte sagen, ohne
ihre Niederträchtigkeit. Wir sind nun einmal gewohnt, unser Zerrbild in den merkwürdigen Gesellen

Leidenſchaftlichkeit des Mandril. Haus im Glücke.
geſſen; der eiferſüchtige Affe ging ohne Beſinnen durch die offene Thür und ſah ſich eine Minute
ſpäter hinter den eiſernen Gittern.

Von anderen gezähmten Mandrils berichtet man, daß ihre Leidenſchaftlichkeit ſich auch auf den
Genuß geiſtiger Getränke erſtreckte und ſie ſich, ſo oft ſie nur konnten, in Bier oder Wein berauſchten.
Die Beobachter, welche die betrunkenen Mandrile ſahen, verſichern, daß ſie dann womöglich noch
einmal ſo ſcheußlich ſeien, als vorher.

Einer der berühmteſten Mandrils lebte in England unter ſehr glücklichen Verhältniſſen. Er war
wohlbekannt unter dem Namen: „Hans im Glück‟ und ziert noch heute nach ſeinem Tode das
britiſche Muſeum. Das Thier hatte mehrmals die Ehre, in Folge beſonderer Einladungen, ein Gaſt
der königlichen Familie zu ſein: kurz, es genoß, wie mein engliſcher Gewährsmann ſagt, ein ſo glück-
liches Leben, als es nur immer ein Pavian leben kann.

Es iſt kein Wunder, wenn über dieſe wüthenden Thiere früher die allermerkwürdigſten Geſchichten
erzählt wurden. Topſel glaubt, daß es der „Arktokyon‟ oder Bärenhund der Alten ſei, ein Vieh,
welches als Baſtard von einem Bären und Hunde angeſehen wurde. Andere nennen es auch die
zweite Art der ſcheußlichen Hiäne. Bei den Eingebornen heißt es Barris, und wahrſcheinlich iſt es
der Urheber der Miſſethaten, welche man dem Schimpanſe zuſchreibt.

Die zweite Art dieſer Sippe, der Dril, hat ſo ziemlich dieſelbe Geſtalt, wie der Mandril,
aber in jedem Alter ein ſchwarzes Geſicht. Sein Pelz iſt mehr grünlich gefärbt, als der des Mandril.
Die längs der Naſe verlaufenden runzeligen Wülſte ſind nicht gefaltet. Der Schwanz iſt ein gepin-
ſelter Stummel. Jn der Größe ſteht er weit hinter dem Mandril zurück. Seine Heimat iſt dieſelbe,
wie die ſeines greulichen Verwandten. Von ſeinen Sitten in der Freiheit weiß man nur ſehr wenig,
doch ſcheint es, daß dieſelben denen des Mandrils ähneln. Auch der Dril kommt öfters nach
Europa, namentlich nach England, und erfreut ſich dort einer ziemlich guten Geſundheit. Das geiſtige
Weſen der Gefangenen hat gezeigt, daß ſie eben auch echte Paviane ſind: gelehrig in der Jugend,
wild und tückiſch im Alter.



Der Unterſchied zwiſchen allen Erzeugniſſen des heißen Erdgürtels der alten Welt und denen
Südamerikas, iſt regelmäßig ein durchgreifender und augenſcheinlicher. Die Weſthälfte der Erde
zeigt der Oſthälfte gegenüber faſt immer ein durchaus ſelbſtändiges Gepräge: Alles in ihm iſt anders,
als in der alten Welt, und nur hier und da erinnert noch Etwas an dieſe; aber dann haben wir
es auch nicht mit dem eigentlichen Amerika zu thun: denn dieſes ſind die Landſtriche zwiſchen den
Wendekreiſen. Sie bilden eine eigene Welt für ſich. Erde und Klima, Licht und Luft, Pflanze und
Thier — Alles iſt anders, als drüben im Oſten. Deshalb tritt uns, wenn das Glück es uns ge-
ſtattet, der Wanderſehnſucht des Herzens zu folgen, in den Wendekreiſen des Weſtens Alles und Jedes
ſo märchenhaft oder zauberartig entgegen: der Reiz der Neuheit beſiegt, der Reichthum der Natur
bewältigt und läßt die vielen Vorzüge unſerer Erdhälfte vergeſſen.

Bei Betrachtung derjenigen Thiere, welche wir zunächſt zu berückſichtigen haben, iſt Dies wohl
weniger oder nicht der Fall. Die neuweltlichen Affen oder Schmalnaſen ſind zwar merkwürdige
Geſchöpfe: ſchön aber ſind ſie nicht oder wenigſtens nur einzelne. Und Eines muß augenblicklich auf-
fallen: nur der Leibes- und Gliederbau ſtempelt ſie zu Affen, nicht aber auch das geiſtige Weſen.
Alle neuweltlichen Affen ſind viel unbeholfenere, trägere, traurigere, geiſtloſere Geſchöpfe, als ihre
Familienverwandten der alten Welt. Sie ſind harmloſer, guthmüthiger, unſchädlicher, als dieſe: aber
ebendeshalb keine echten Affen mehr. Denn dieſe wollen wir gar nicht ohne die nur ihnen gehörenden
Eigenſchaften, ohne ihre Luſtigkeit, Munterkeit, Keckheit, Unverſchämtheit, ja, ich möchte ſagen, ohne
ihre Niederträchtigkeit. Wir ſind nun einmal gewohnt, unſer Zerrbild in den merkwürdigen Geſellen

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[93/0149] Leidenſchaftlichkeit des Mandril. Haus im Glücke. geſſen; der eiferſüchtige Affe ging ohne Beſinnen durch die offene Thür und ſah ſich eine Minute ſpäter hinter den eiſernen Gittern. Von anderen gezähmten Mandrils berichtet man, daß ihre Leidenſchaftlichkeit ſich auch auf den Genuß geiſtiger Getränke erſtreckte und ſie ſich, ſo oft ſie nur konnten, in Bier oder Wein berauſchten. Die Beobachter, welche die betrunkenen Mandrile ſahen, verſichern, daß ſie dann womöglich noch einmal ſo ſcheußlich ſeien, als vorher. Einer der berühmteſten Mandrils lebte in England unter ſehr glücklichen Verhältniſſen. Er war wohlbekannt unter dem Namen: „Hans im Glück‟ und ziert noch heute nach ſeinem Tode das britiſche Muſeum. Das Thier hatte mehrmals die Ehre, in Folge beſonderer Einladungen, ein Gaſt der königlichen Familie zu ſein: kurz, es genoß, wie mein engliſcher Gewährsmann ſagt, ein ſo glück- liches Leben, als es nur immer ein Pavian leben kann. Es iſt kein Wunder, wenn über dieſe wüthenden Thiere früher die allermerkwürdigſten Geſchichten erzählt wurden. Topſel glaubt, daß es der „Arktokyon‟ oder Bärenhund der Alten ſei, ein Vieh, welches als Baſtard von einem Bären und Hunde angeſehen wurde. Andere nennen es auch die zweite Art der ſcheußlichen Hiäne. Bei den Eingebornen heißt es Barris, und wahrſcheinlich iſt es der Urheber der Miſſethaten, welche man dem Schimpanſe zuſchreibt. Die zweite Art dieſer Sippe, der Dril, hat ſo ziemlich dieſelbe Geſtalt, wie der Mandril, aber in jedem Alter ein ſchwarzes Geſicht. Sein Pelz iſt mehr grünlich gefärbt, als der des Mandril. Die längs der Naſe verlaufenden runzeligen Wülſte ſind nicht gefaltet. Der Schwanz iſt ein gepin- ſelter Stummel. Jn der Größe ſteht er weit hinter dem Mandril zurück. Seine Heimat iſt dieſelbe, wie die ſeines greulichen Verwandten. Von ſeinen Sitten in der Freiheit weiß man nur ſehr wenig, doch ſcheint es, daß dieſelben denen des Mandrils ähneln. Auch der Dril kommt öfters nach Europa, namentlich nach England, und erfreut ſich dort einer ziemlich guten Geſundheit. Das geiſtige Weſen der Gefangenen hat gezeigt, daß ſie eben auch echte Paviane ſind: gelehrig in der Jugend, wild und tückiſch im Alter. Der Unterſchied zwiſchen allen Erzeugniſſen des heißen Erdgürtels der alten Welt und denen Südamerikas, iſt regelmäßig ein durchgreifender und augenſcheinlicher. Die Weſthälfte der Erde zeigt der Oſthälfte gegenüber faſt immer ein durchaus ſelbſtändiges Gepräge: Alles in ihm iſt anders, als in der alten Welt, und nur hier und da erinnert noch Etwas an dieſe; aber dann haben wir es auch nicht mit dem eigentlichen Amerika zu thun: denn dieſes ſind die Landſtriche zwiſchen den Wendekreiſen. Sie bilden eine eigene Welt für ſich. Erde und Klima, Licht und Luft, Pflanze und Thier — Alles iſt anders, als drüben im Oſten. Deshalb tritt uns, wenn das Glück es uns ge- ſtattet, der Wanderſehnſucht des Herzens zu folgen, in den Wendekreiſen des Weſtens Alles und Jedes ſo märchenhaft oder zauberartig entgegen: der Reiz der Neuheit beſiegt, der Reichthum der Natur bewältigt und läßt die vielen Vorzüge unſerer Erdhälfte vergeſſen. Bei Betrachtung derjenigen Thiere, welche wir zunächſt zu berückſichtigen haben, iſt Dies wohl weniger oder nicht der Fall. Die neuweltlichen Affen oder Schmalnaſen ſind zwar merkwürdige Geſchöpfe: ſchön aber ſind ſie nicht oder wenigſtens nur einzelne. Und Eines muß augenblicklich auf- fallen: nur der Leibes- und Gliederbau ſtempelt ſie zu Affen, nicht aber auch das geiſtige Weſen. Alle neuweltlichen Affen ſind viel unbeholfenere, trägere, traurigere, geiſtloſere Geſchöpfe, als ihre Familienverwandten der alten Welt. Sie ſind harmloſer, guthmüthiger, unſchädlicher, als dieſe: aber ebendeshalb keine echten Affen mehr. Denn dieſe wollen wir gar nicht ohne die nur ihnen gehörenden Eigenſchaften, ohne ihre Luſtigkeit, Munterkeit, Keckheit, Unverſchämtheit, ja, ich möchte ſagen, ohne ihre Niederträchtigkeit. Wir ſind nun einmal gewohnt, unſer Zerrbild in den merkwürdigen Geſellen

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/149>, abgerufen am 30.04.2024.