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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Die Affen. Hundsköpfe. -- Mandril. Dril.
ist ziemlich leicht und sicher; sie gehen aber niemals aufrecht, sondern immer auf allen Vieren. Jhre
Stimme klingt tief und hohl, nicht aber laut, weil sie durch einen häutigen Kehlsack gedämpft wird.
Am besten vergleicht man sie mit dem Grunzen des Schweines.

Alte Mandrils können niemals gezähmt werden. Sie sind überhaupt nicht lebendig zu erlangen,
weil sie auch berauscht noch allzu gefährliche Gegner des Menschen sind. Gewöhnlich kommen nur
Junge nach Europa und unter diesen vorzugsweise Weibchen, weil die Männchen gar zu abscheulich
sind und, wenn sie älter werden, ihre Wärter oft in bedenklicher Weise mishandeln. Kein Thier haben
die Wärter mehr zu fürchten, als den alten Mandril. Er verträgt übrigens die Gefangenschaft sehr
gut und hält auch in unserm Klima viele Jahre aus. Seine Leidenschaften zeigen sich selbst bei der
besten Behandlung und wachsen mit zunehmendem Alter unverhältnißmäßig. "Sein Blick, sein
Geschrei und seine Stimme," sagt Cuvier, "kündigen eine vollkommen viehische Unverschämtheit an.
Die schmuzigsten Gelüste befriedigt es auf die schamloseste Weise. Es scheint, als ob die Natur in
ihm ein Bild des Lasters mit all seiner Häßlichkeit habe aufstellen wollen."

[Abbildung] Der Dril (Papio lencophaeus).

An den gefangenen Mandrils beobachtete man mehr, als an anderen Hundsköpfen, eine große Eifer-
sucht gegen ihren Wärter und, wenn die Gefangenen Männchen sind, noch mehr gegen weibliche Personen,
welche ihnen bekannt wurden. Sie werden rasend, wenn ein Mann solche Freundinnen von ihnen lieb-
kost oder zu liebkosen vorgiebt, und tragen ihm ein so großes Verbrechen sicherlich lange Zeit nach.
Jm Pflanzengarten zu Paris wurde diese Eifersucht einmal sehr gut benutzt, um einen Mandril (oder,
wie Andere sagen, einen Tschakma), welcher aus seinem Käfig ausgebrochen war und viel Unheil an-
richtete, wieder in das Gefängniß zu bringen. Er hatte alle gütlichen Versuche scheitern gemacht und
bereits einige von seinen Wärtern verwundet, als der schlaueste derselben auf den Gedanken kam
den Affen durch seine eigene Leidenschaft in den Kerker zurückzulocken. An der Rückseite des Käfigs
nämlich befand sich eine kleine Thüre: hinter diese mußte sich die Tochter eines der Wärter stellen,
und zwar so, daß sie der Affe sehen konnte. Nun trat einer der Wärter zu dem Mädchen, umarmte
es und stellte sich dann an, als ob er es küssen wollte. Dies war zu viel für den liebenden Mandril.
Er stürzte wie rasend auf den Mann los, gewiß in der besten Absicht, ihn zu zerreißen, mußte aber,
um zu seinem Zwecke zu gelangen, nothwendig in den Käfig hineingehen. Alle Klugheit war ver-

Die Affen. Hundsköpfe. — Mandril. Dril.
iſt ziemlich leicht und ſicher; ſie gehen aber niemals aufrecht, ſondern immer auf allen Vieren. Jhre
Stimme klingt tief und hohl, nicht aber laut, weil ſie durch einen häutigen Kehlſack gedämpft wird.
Am beſten vergleicht man ſie mit dem Grunzen des Schweines.

Alte Mandrils können niemals gezähmt werden. Sie ſind überhaupt nicht lebendig zu erlangen,
weil ſie auch berauſcht noch allzu gefährliche Gegner des Menſchen ſind. Gewöhnlich kommen nur
Junge nach Europa und unter dieſen vorzugsweiſe Weibchen, weil die Männchen gar zu abſcheulich
ſind und, wenn ſie älter werden, ihre Wärter oft in bedenklicher Weiſe mishandeln. Kein Thier haben
die Wärter mehr zu fürchten, als den alten Mandril. Er verträgt übrigens die Gefangenſchaft ſehr
gut und hält auch in unſerm Klima viele Jahre aus. Seine Leidenſchaften zeigen ſich ſelbſt bei der
beſten Behandlung und wachſen mit zunehmendem Alter unverhältnißmäßig. „Sein Blick, ſein
Geſchrei und ſeine Stimme,‟ ſagt Cuvier, „kündigen eine vollkommen viehiſche Unverſchämtheit an.
Die ſchmuzigſten Gelüſte befriedigt es auf die ſchamloſeſte Weiſe. Es ſcheint, als ob die Natur in
ihm ein Bild des Laſters mit all ſeiner Häßlichkeit habe aufſtellen wollen.‟

[Abbildung] Der Dril (Papio lencophæus).

An den gefangenen Mandrils beobachtete man mehr, als an anderen Hundsköpfen, eine große Eifer-
ſucht gegen ihren Wärter und, wenn die Gefangenen Männchen ſind, noch mehr gegen weibliche Perſonen,
welche ihnen bekannt wurden. Sie werden raſend, wenn ein Mann ſolche Freundinnen von ihnen lieb-
koſt oder zu liebkoſen vorgiebt, und tragen ihm ein ſo großes Verbrechen ſicherlich lange Zeit nach.
Jm Pflanzengarten zu Paris wurde dieſe Eiferſucht einmal ſehr gut benutzt, um einen Mandril (oder,
wie Andere ſagen, einen Tſchakma), welcher aus ſeinem Käfig ausgebrochen war und viel Unheil an-
richtete, wieder in das Gefängniß zu bringen. Er hatte alle gütlichen Verſuche ſcheitern gemacht und
bereits einige von ſeinen Wärtern verwundet, als der ſchlaueſte derſelben auf den Gedanken kam
den Affen durch ſeine eigene Leidenſchaft in den Kerker zurückzulocken. An der Rückſeite des Käfigs
nämlich befand ſich eine kleine Thüre: hinter dieſe mußte ſich die Tochter eines der Wärter ſtellen,
und zwar ſo, daß ſie der Affe ſehen konnte. Nun trat einer der Wärter zu dem Mädchen, umarmte
es und ſtellte ſich dann an, als ob er es küſſen wollte. Dies war zu viel für den liebenden Mandril.
Er ſtürzte wie raſend auf den Mann los, gewiß in der beſten Abſicht, ihn zu zerreißen, mußte aber,
um zu ſeinem Zwecke zu gelangen, nothwendig in den Käfig hineingehen. Alle Klugheit war ver-

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[92/0148] Die Affen. Hundsköpfe. — Mandril. Dril. iſt ziemlich leicht und ſicher; ſie gehen aber niemals aufrecht, ſondern immer auf allen Vieren. Jhre Stimme klingt tief und hohl, nicht aber laut, weil ſie durch einen häutigen Kehlſack gedämpft wird. Am beſten vergleicht man ſie mit dem Grunzen des Schweines. Alte Mandrils können niemals gezähmt werden. Sie ſind überhaupt nicht lebendig zu erlangen, weil ſie auch berauſcht noch allzu gefährliche Gegner des Menſchen ſind. Gewöhnlich kommen nur Junge nach Europa und unter dieſen vorzugsweiſe Weibchen, weil die Männchen gar zu abſcheulich ſind und, wenn ſie älter werden, ihre Wärter oft in bedenklicher Weiſe mishandeln. Kein Thier haben die Wärter mehr zu fürchten, als den alten Mandril. Er verträgt übrigens die Gefangenſchaft ſehr gut und hält auch in unſerm Klima viele Jahre aus. Seine Leidenſchaften zeigen ſich ſelbſt bei der beſten Behandlung und wachſen mit zunehmendem Alter unverhältnißmäßig. „Sein Blick, ſein Geſchrei und ſeine Stimme,‟ ſagt Cuvier, „kündigen eine vollkommen viehiſche Unverſchämtheit an. Die ſchmuzigſten Gelüſte befriedigt es auf die ſchamloſeſte Weiſe. Es ſcheint, als ob die Natur in ihm ein Bild des Laſters mit all ſeiner Häßlichkeit habe aufſtellen wollen.‟ [Abbildung Der Dril (Papio lencophæus).] An den gefangenen Mandrils beobachtete man mehr, als an anderen Hundsköpfen, eine große Eifer- ſucht gegen ihren Wärter und, wenn die Gefangenen Männchen ſind, noch mehr gegen weibliche Perſonen, welche ihnen bekannt wurden. Sie werden raſend, wenn ein Mann ſolche Freundinnen von ihnen lieb- koſt oder zu liebkoſen vorgiebt, und tragen ihm ein ſo großes Verbrechen ſicherlich lange Zeit nach. Jm Pflanzengarten zu Paris wurde dieſe Eiferſucht einmal ſehr gut benutzt, um einen Mandril (oder, wie Andere ſagen, einen Tſchakma), welcher aus ſeinem Käfig ausgebrochen war und viel Unheil an- richtete, wieder in das Gefängniß zu bringen. Er hatte alle gütlichen Verſuche ſcheitern gemacht und bereits einige von ſeinen Wärtern verwundet, als der ſchlaueſte derſelben auf den Gedanken kam den Affen durch ſeine eigene Leidenſchaft in den Kerker zurückzulocken. An der Rückſeite des Käfigs nämlich befand ſich eine kleine Thüre: hinter dieſe mußte ſich die Tochter eines der Wärter ſtellen, und zwar ſo, daß ſie der Affe ſehen konnte. Nun trat einer der Wärter zu dem Mädchen, umarmte es und ſtellte ſich dann an, als ob er es küſſen wollte. Dies war zu viel für den liebenden Mandril. Er ſtürzte wie raſend auf den Mann los, gewiß in der beſten Abſicht, ihn zu zerreißen, mußte aber, um zu ſeinem Zwecke zu gelangen, nothwendig in den Käfig hineingehen. Alle Klugheit war ver-

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/148>, abgerufen am 30.04.2024.