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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Aus dem Gefangenleben des Babuin.
ihr Strick zuließ. Gleichwohl war ihre Neugierde so groß, daß sie nie umhin konnten, sich die ihnen
entsetzlichen Thiere in der Nähe zu betrachten. Jch brachte ihnen unter anderen mehrmals giftige
Schlangen in Blechschachteln mit. Sie wußten aus Erfahrung, was für gefährliche Wesen diese
Schachteln beherbergten, konnten aber doch nicht widerstehen, die geschlossenen Gefängnisse der
Schlangen aufzumachen und weideten sich dann gleichsam an ihrem eignen Entsetzen. Jn dieser
Furcht vor Lurchen sind meiner Erfahrung nach alle Affen gleich.

Einer dieser Paviane verendete auf sehr traurige Weise. Mein Diener wollte ihn im Nil baden
und warf ihn vom Bord unsers Schiffes aus in den Strom. Der Affe war an einem langen Stricke
befestigt, dessen Ende mein Diener in der Hand behielt. Unglücklicherweise aber entfiel ihm dieser, der
Affe verfank, ohne auch nur einen Versuch im Schwimmen zu machen, und ertrank.

Ein anderes Mitglied der Gesellschaft brachte ich mit mir nach Deutschland und in meine
Heimat. Es zeichnete sich durch auffallenden Verstand aus, verübte aber auch viel lose und tolle
Streiche. Unser Haushund hatte sich jahrelang als Tyrann gefallen und war in seinem Alter so
mürrisch geworden, daß er eigentlich mit keinem Geschöpf im Frieden lebte und, wenn er erzürnt war
oder gestraft werden sollte, sogar nach seinem eignen Herrn biß. An Atile, so hieß mein Pavian,
fand er aber einen ihm nicht nur ebenbürtigen, sondern sogar überlegenen Gegner. Atile machte
sich ein Vergnügen daraus, den Hund auf jede Weise zu ärgern. Wenn er draußen im Hofe
seinen Mittagsschlummer hielt und sich in der bequemsten Weise auf den grünen Rasen hingestreckt
hatte, erschien die neckische Aeffin leise neben ihm, sah mit Befriedigung, daß er fest schlafe, ergriff
ihn sacht am Schwanze und erweckte ihn durch einen plötzlichen Riß an diesem geachteten Anhängsel
aus seinen Träumen. Wüthend fuhr der Hund auf und stürzte sich bellend und knurrend auf die
Aeffin. Diese nahm die herausfordernde Stellung an, schlug mit der einen Hand wiederholt auf den
Boden und erwartete getrost ihren erbitterten Feind. Der erreichte sie zu seinem grenzenlosen
Aerger niemals. Sowie er nämlich nach ihr biß, sprang sie mit einem Satze über den Hund hinweg
und hatte ihn im nächsten Augenblick wieder beim Schwanze. Daß der Hund durch solche Belei-
digung zuletzt geradezu rasend wurde und wirklich vor Wuth schäumte, konnte ich ihm nicht verdenken.
Es half ihm aber Alles nichts, und schließlich räumte er stets mit eingezogenem Schwanze das Feld.

Atile liebte Pflegekinder aller Art. Hassan, die bereits erwähnte Meerkatze, war ihr Liebling
und genoß ihre Zuneigung in sehr hohem Grade -- so lange es sich nicht um das Fressen handelte.
Daß der gutmüthige Hassan so zu sagen jeden Bissen mit ihr theilte, schien sie ganz selbstverständlich
und keines Dankes würdig zu finden. Sie verlangte von ihm sklavische Unterwürfigkeit: sie brach
ihm -- wie schon bemerkt -- augenblicklich das Maul auf und leerte die gefüllten Vorrathskammern
Hassaus ohne Umstände aus, wenn dieser den kühnen Gedanken gehabt hatte, auch für sich Etwas in
Sicherheit zu bringen. Uebrigens genügte ihrem großen Herzen ein Pflegekind noch nicht; ihre Liebe
verlangte mehr Beschäftigung. Sie stahl junge Hunde und Katzen, wo sie nur immer konnte, und trug
sie oft lange mit sich herum. Eine junge Katze, welche sie gekratzt hatte, wußte sie unschädlich zu
machen, indem sie mit großer Verwunderung die Klauen des Thieres untersuchte und die ihr bedenklich
erscheinenden Nägel dann ohne weiteres abbiß. Die menschliche Gesellschaft liebte sie sehr, zog aber
Männer ganz entschieden Frauen vor und neckte und ärgerte Letztere in jeder Weise. Auf Männer
wurde sie blos dann böse, wenn diese ihr Etwas zu Leide gethan hatten, oder wenn sie glaubte,
daß ich sie auf die Leute hetzen wolle. Jn diesem Punkte war sie nämlich ganz wie ein abgerichteter
Hund. Man durfte ihr blos ein Wort sagen oder Jemand zeigen: sie fuhr dann sicher wüthend auf
den Betreffenden los und biß ihn oft empfindlich. Empfangene Beleidigungen vergaß sie wochenlang
nicht und rächte sich, sobald sich ihr Gelegenheit bot.

Jhr Scharfsinn war außerordentlich groß. Sie stahl meisterhaft, machte Thüren auf und zu
und besaß eine bedeutende Fertigkeit, Knoten zu lösen, wenn sie glaubte, dadurch irgend Etwas zu
erreichen. Schachteln und Kisten öffnete sie ebenfalls und plünderte sie dann immer rein aus. Wir
pflegten sie oft zu erschrecken, indem wir ein Häufchen Pulver vor sie auf den Boden schütteten und

Aus dem Gefangenleben des Babuin.
ihr Strick zuließ. Gleichwohl war ihre Neugierde ſo groß, daß ſie nie umhin konnten, ſich die ihnen
entſetzlichen Thiere in der Nähe zu betrachten. Jch brachte ihnen unter anderen mehrmals giftige
Schlangen in Blechſchachteln mit. Sie wußten aus Erfahrung, was für gefährliche Weſen dieſe
Schachteln beherbergten, konnten aber doch nicht widerſtehen, die geſchloſſenen Gefängniſſe der
Schlangen aufzumachen und weideten ſich dann gleichſam an ihrem eignen Entſetzen. Jn dieſer
Furcht vor Lurchen ſind meiner Erfahrung nach alle Affen gleich.

Einer dieſer Paviane verendete auf ſehr traurige Weiſe. Mein Diener wollte ihn im Nil baden
und warf ihn vom Bord unſers Schiffes aus in den Strom. Der Affe war an einem langen Stricke
befeſtigt, deſſen Ende mein Diener in der Hand behielt. Unglücklicherweiſe aber entfiel ihm dieſer, der
Affe verfank, ohne auch nur einen Verſuch im Schwimmen zu machen, und ertrank.

Ein anderes Mitglied der Geſellſchaft brachte ich mit mir nach Deutſchland und in meine
Heimat. Es zeichnete ſich durch auffallenden Verſtand aus, verübte aber auch viel loſe und tolle
Streiche. Unſer Haushund hatte ſich jahrelang als Tyrann gefallen und war in ſeinem Alter ſo
mürriſch geworden, daß er eigentlich mit keinem Geſchöpf im Frieden lebte und, wenn er erzürnt war
oder geſtraft werden ſollte, ſogar nach ſeinem eignen Herrn biß. An Atile, ſo hieß mein Pavian,
fand er aber einen ihm nicht nur ebenbürtigen, ſondern ſogar überlegenen Gegner. Atile machte
ſich ein Vergnügen daraus, den Hund auf jede Weiſe zu ärgern. Wenn er draußen im Hofe
ſeinen Mittagsſchlummer hielt und ſich in der bequemſten Weiſe auf den grünen Raſen hingeſtreckt
hatte, erſchien die neckiſche Aeffin leiſe neben ihm, ſah mit Befriedigung, daß er feſt ſchlafe, ergriff
ihn ſacht am Schwanze und erweckte ihn durch einen plötzlichen Riß an dieſem geachteten Anhängſel
aus ſeinen Träumen. Wüthend fuhr der Hund auf und ſtürzte ſich bellend und knurrend auf die
Aeffin. Dieſe nahm die herausfordernde Stellung an, ſchlug mit der einen Hand wiederholt auf den
Boden und erwartete getroſt ihren erbitterten Feind. Der erreichte ſie zu ſeinem grenzenloſen
Aerger niemals. Sowie er nämlich nach ihr biß, ſprang ſie mit einem Satze über den Hund hinweg
und hatte ihn im nächſten Augenblick wieder beim Schwanze. Daß der Hund durch ſolche Belei-
digung zuletzt geradezu raſend wurde und wirklich vor Wuth ſchäumte, konnte ich ihm nicht verdenken.
Es half ihm aber Alles nichts, und ſchließlich räumte er ſtets mit eingezogenem Schwanze das Feld.

Atile liebte Pflegekinder aller Art. Haſſan, die bereits erwähnte Meerkatze, war ihr Liebling
und genoß ihre Zuneigung in ſehr hohem Grade — ſo lange es ſich nicht um das Freſſen handelte.
Daß der gutmüthige Haſſan ſo zu ſagen jeden Biſſen mit ihr theilte, ſchien ſie ganz ſelbſtverſtändlich
und keines Dankes würdig zu finden. Sie verlangte von ihm ſklaviſche Unterwürfigkeit: ſie brach
ihm — wie ſchon bemerkt — augenblicklich das Maul auf und leerte die gefüllten Vorrathskammern
Haſſaus ohne Umſtände aus, wenn dieſer den kühnen Gedanken gehabt hatte, auch für ſich Etwas in
Sicherheit zu bringen. Uebrigens genügte ihrem großen Herzen ein Pflegekind noch nicht; ihre Liebe
verlangte mehr Beſchäftigung. Sie ſtahl junge Hunde und Katzen, wo ſie nur immer konnte, und trug
ſie oft lange mit ſich herum. Eine junge Katze, welche ſie gekratzt hatte, wußte ſie unſchädlich zu
machen, indem ſie mit großer Verwunderung die Klauen des Thieres unterſuchte und die ihr bedenklich
erſcheinenden Nägel dann ohne weiteres abbiß. Die menſchliche Geſellſchaft liebte ſie ſehr, zog aber
Männer ganz entſchieden Frauen vor und neckte und ärgerte Letztere in jeder Weiſe. Auf Männer
wurde ſie blos dann böſe, wenn dieſe ihr Etwas zu Leide gethan hatten, oder wenn ſie glaubte,
daß ich ſie auf die Leute hetzen wolle. Jn dieſem Punkte war ſie nämlich ganz wie ein abgerichteter
Hund. Man durfte ihr blos ein Wort ſagen oder Jemand zeigen: ſie fuhr dann ſicher wüthend auf
den Betreffenden los und biß ihn oft empfindlich. Empfangene Beleidigungen vergaß ſie wochenlang
nicht und rächte ſich, ſobald ſich ihr Gelegenheit bot.

Jhr Scharfſinn war außerordentlich groß. Sie ſtahl meiſterhaft, machte Thüren auf und zu
und beſaß eine bedeutende Fertigkeit, Knoten zu löſen, wenn ſie glaubte, dadurch irgend Etwas zu
erreichen. Schachteln und Kiſten öffnete ſie ebenfalls und plünderte ſie dann immer rein aus. Wir
pflegten ſie oft zu erſchrecken, indem wir ein Häufchen Pulver vor ſie auf den Boden ſchütteten und

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[87/0143] Aus dem Gefangenleben des Babuin. ihr Strick zuließ. Gleichwohl war ihre Neugierde ſo groß, daß ſie nie umhin konnten, ſich die ihnen entſetzlichen Thiere in der Nähe zu betrachten. Jch brachte ihnen unter anderen mehrmals giftige Schlangen in Blechſchachteln mit. Sie wußten aus Erfahrung, was für gefährliche Weſen dieſe Schachteln beherbergten, konnten aber doch nicht widerſtehen, die geſchloſſenen Gefängniſſe der Schlangen aufzumachen und weideten ſich dann gleichſam an ihrem eignen Entſetzen. Jn dieſer Furcht vor Lurchen ſind meiner Erfahrung nach alle Affen gleich. Einer dieſer Paviane verendete auf ſehr traurige Weiſe. Mein Diener wollte ihn im Nil baden und warf ihn vom Bord unſers Schiffes aus in den Strom. Der Affe war an einem langen Stricke befeſtigt, deſſen Ende mein Diener in der Hand behielt. Unglücklicherweiſe aber entfiel ihm dieſer, der Affe verfank, ohne auch nur einen Verſuch im Schwimmen zu machen, und ertrank. Ein anderes Mitglied der Geſellſchaft brachte ich mit mir nach Deutſchland und in meine Heimat. Es zeichnete ſich durch auffallenden Verſtand aus, verübte aber auch viel loſe und tolle Streiche. Unſer Haushund hatte ſich jahrelang als Tyrann gefallen und war in ſeinem Alter ſo mürriſch geworden, daß er eigentlich mit keinem Geſchöpf im Frieden lebte und, wenn er erzürnt war oder geſtraft werden ſollte, ſogar nach ſeinem eignen Herrn biß. An Atile, ſo hieß mein Pavian, fand er aber einen ihm nicht nur ebenbürtigen, ſondern ſogar überlegenen Gegner. Atile machte ſich ein Vergnügen daraus, den Hund auf jede Weiſe zu ärgern. Wenn er draußen im Hofe ſeinen Mittagsſchlummer hielt und ſich in der bequemſten Weiſe auf den grünen Raſen hingeſtreckt hatte, erſchien die neckiſche Aeffin leiſe neben ihm, ſah mit Befriedigung, daß er feſt ſchlafe, ergriff ihn ſacht am Schwanze und erweckte ihn durch einen plötzlichen Riß an dieſem geachteten Anhängſel aus ſeinen Träumen. Wüthend fuhr der Hund auf und ſtürzte ſich bellend und knurrend auf die Aeffin. Dieſe nahm die herausfordernde Stellung an, ſchlug mit der einen Hand wiederholt auf den Boden und erwartete getroſt ihren erbitterten Feind. Der erreichte ſie zu ſeinem grenzenloſen Aerger niemals. Sowie er nämlich nach ihr biß, ſprang ſie mit einem Satze über den Hund hinweg und hatte ihn im nächſten Augenblick wieder beim Schwanze. Daß der Hund durch ſolche Belei- digung zuletzt geradezu raſend wurde und wirklich vor Wuth ſchäumte, konnte ich ihm nicht verdenken. Es half ihm aber Alles nichts, und ſchließlich räumte er ſtets mit eingezogenem Schwanze das Feld. Atile liebte Pflegekinder aller Art. Haſſan, die bereits erwähnte Meerkatze, war ihr Liebling und genoß ihre Zuneigung in ſehr hohem Grade — ſo lange es ſich nicht um das Freſſen handelte. Daß der gutmüthige Haſſan ſo zu ſagen jeden Biſſen mit ihr theilte, ſchien ſie ganz ſelbſtverſtändlich und keines Dankes würdig zu finden. Sie verlangte von ihm ſklaviſche Unterwürfigkeit: ſie brach ihm — wie ſchon bemerkt — augenblicklich das Maul auf und leerte die gefüllten Vorrathskammern Haſſaus ohne Umſtände aus, wenn dieſer den kühnen Gedanken gehabt hatte, auch für ſich Etwas in Sicherheit zu bringen. Uebrigens genügte ihrem großen Herzen ein Pflegekind noch nicht; ihre Liebe verlangte mehr Beſchäftigung. Sie ſtahl junge Hunde und Katzen, wo ſie nur immer konnte, und trug ſie oft lange mit ſich herum. Eine junge Katze, welche ſie gekratzt hatte, wußte ſie unſchädlich zu machen, indem ſie mit großer Verwunderung die Klauen des Thieres unterſuchte und die ihr bedenklich erſcheinenden Nägel dann ohne weiteres abbiß. Die menſchliche Geſellſchaft liebte ſie ſehr, zog aber Männer ganz entſchieden Frauen vor und neckte und ärgerte Letztere in jeder Weiſe. Auf Männer wurde ſie blos dann böſe, wenn dieſe ihr Etwas zu Leide gethan hatten, oder wenn ſie glaubte, daß ich ſie auf die Leute hetzen wolle. Jn dieſem Punkte war ſie nämlich ganz wie ein abgerichteter Hund. Man durfte ihr blos ein Wort ſagen oder Jemand zeigen: ſie fuhr dann ſicher wüthend auf den Betreffenden los und biß ihn oft empfindlich. Empfangene Beleidigungen vergaß ſie wochenlang nicht und rächte ſich, ſobald ſich ihr Gelegenheit bot. Jhr Scharfſinn war außerordentlich groß. Sie ſtahl meiſterhaft, machte Thüren auf und zu und beſaß eine bedeutende Fertigkeit, Knoten zu löſen, wenn ſie glaubte, dadurch irgend Etwas zu erreichen. Schachteln und Kiſten öffnete ſie ebenfalls und plünderte ſie dann immer rein aus. Wir pflegten ſie oft zu erſchrecken, indem wir ein Häufchen Pulver vor ſie auf den Boden ſchütteten und

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/143>, abgerufen am 30.04.2024.