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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Die Affen. Makaken. -- Bhunder. Schweinsaffe.
weder Uebung noch Erfahrung zu Grunde liegen konnte. Der junge Bhunder klammert sich gleich
anfangs an die senkrechten Eisenstangen seines Käfigs und kletterte an ihnen nach Laune auf und
nieder, machte wohl auch einige Schritte auf dem Stroh, sprang freiwillig von der Höhe seines
Käfigs auf seine vier Hände herab und dann wieder gegen die Gitter, an welchen er sich mit einer
Behendigkeit und Sicherheit anklammerte, die dem erfahrensten Affen Ehre gemacht hätte. Die Mutter
verfolgte jede Bewegung ihres Kindes mit der größten Aufmerksamkeit und schien immer bereit, einen
etwaigen Schaden ihres Lieblings zu verhindern. Später versuchte sie, sich von Zeit zu Zeit der
Bürde zu entledigen, blieb aber stets gleich besorgt um ihr Kind, und wenn sie nur die mindeste
Gefahr zu befürchten glaubte, nahm sie es sogleich wieder zu sich. Die leichteste Berührung des-
selben mit ihrer Hand war dem folgsamen Zögling ein Befehl zur Rückkehr, und er nahm dann
augenblicklich die gewohnte Lage an der Brust der Mutter wieder ein. Die Sprünge und Spiele des
kleinen Thieres wurden im gleichen Verhältniß ausführlicher, als die Kräfte desselben zunahmen.
Jch habe seine lustigen Uebungen oft lange mit dem größten Vergnügen beobachtet und kann bezeugen,
daß ich es nie eine falsche Bewegung thun, irriges Maß nehmen oder nicht vollkommen genau den
Punkt, welchen es beabsichtigt hatte, erreichen sah. Der kleine Affe gab mir den unzweideutigen
Beweis, daß er schon von allem Anfang an Entfernungen beurtheilen und den für jeden seiner
Sprünge erforderlichen Grad von Kraft zu bestimmen vermochte. Er kannte seine natürlichen Be-
wegungen vom ersten Augenblick an und wußte durch sie Das zu erreichen, was ein anderes Thier,
selbst wenn es den Verstand eines Menschen besessen haben würde, erst nach zahlreichen Versuchen
und manchfachen Uebungen hätte erlangen können. Hier konnte man wohl sagen: Was wissen wir,
wenn wir eine Erklärung der Handlungen der Thiere geben sollen?"

"Nach sechs Wochen ungefähr ward dem Affen eine kräftigere Nahrung, als die Muttermilch,
und damit zeigte sich eine neue Erscheinung. Die Thiere gewährten neue Aufschlüsse über ihr geistiges
Wesen. Dieselbe Mutter, welche wir früher mit der zärtlichsten Sorgfalt für ihr Junges beschäftigt
sahen, welche dasselbe ohne Unterbrechung an ihrem Körper und ihren Brüsten hängend trug, und von
welcher man glauben sollte, sie würde, von Mutterliebe getrieben, ihm den Bissen aus dem eignen
Munde zu reichen bereit sein: dieselbe Mutter gestattete ihm, als es zu essen anfing, nicht, auch nur
das Geringste von der ihm dargereichten Speise zu berühren. Sobald der Wärter Obst und Brod
gereicht hatte, bemächtigte sie sich solcher, stieß das Junge, wenn es sich nähern wollte, von sich und
füllte eilends Backentaschen und Hände, damit ihr Nichts entgehe. Man würde sehr irren, wenn
man glauben wollte, daß ein edlerer Trieb, als die Freßgier, sie zu diesem Betragen bewogen habe.
Zum Saugen konnte sie das Junge nicht nöthigen wollen; denn sie hatte keine Milch mehr, und eben-
sowenig konnte sie Besorgniß hegen, daß die Speisen ihrem Jungen schädlich sein könnten; denn dieses
fraß dieselben begierig und befand sich dabei recht wohl. Der Hunger machte es nun bald sehr kühn,
unternehmend und behend. Es ließ sich nicht mehr von den Schlägen der Mutter zurückschrecken; und
was sie auch thun mochte, um ihr Kind zu entfernen und Alles für sich allein zu behalten: das
Junge war pfiffig und gewandt genug, doch immer sich des einen oder des andern Bissens zu bemäch-
tigen und ihn hinter dem Rücken der Mutter, so fern als möglich von ihr, rasch zu verzehren. Diese Vor-
sicht war auch gar nicht unnöthig; denn die Alte lief mehrmals in die entfernteste Ecke des Raumes,
um ihrem Kinde die Nahrung wieder abzunehmen. Um nun die Nachtheile zu verhüten, welche die
unmütterlichen Gefühle hätten mit sich bringen können, ließen wir mehr Vorräthe reichen, als die Alte
verzehren oder auch nur in ihrem Munde verbergen konnte, und damit war dem Jungen geholfen.
Dieses lebte nun bei guter Gesundheit und wurde von der Mutter gepflegt, so lange es sich nicht um das
Essen handelte. Es unterschied die Personen recht gut, welche ihm Nahrung reichten oder es liebkosten,
war sehr gutartig und hatte von dem Affencharakter einstweilen nur die Munterkeit und Behendigkeit."

Jch habe die ausgezeichnete Beobachtung des großen französischen Forschers absichtlich hier in
aller Ausführung gegeben, weil meine eigenen Wahrnehmungen an den Meerkatzen uns das mütter-
liche und kindliche Verhältniß in einem andern Licht gezeigt haben.

Die Affen. Makaken. — Bhunder. Schweinsaffe.
weder Uebung noch Erfahrung zu Grunde liegen konnte. Der junge Bhunder klammert ſich gleich
anfangs an die ſenkrechten Eiſenſtangen ſeines Käfigs und kletterte an ihnen nach Laune auf und
nieder, machte wohl auch einige Schritte auf dem Stroh, ſprang freiwillig von der Höhe ſeines
Käfigs auf ſeine vier Hände herab und dann wieder gegen die Gitter, an welchen er ſich mit einer
Behendigkeit und Sicherheit anklammerte, die dem erfahrenſten Affen Ehre gemacht hätte. Die Mutter
verfolgte jede Bewegung ihres Kindes mit der größten Aufmerkſamkeit und ſchien immer bereit, einen
etwaigen Schaden ihres Lieblings zu verhindern. Später verſuchte ſie, ſich von Zeit zu Zeit der
Bürde zu entledigen, blieb aber ſtets gleich beſorgt um ihr Kind, und wenn ſie nur die mindeſte
Gefahr zu befürchten glaubte, nahm ſie es ſogleich wieder zu ſich. Die leichteſte Berührung des-
ſelben mit ihrer Hand war dem folgſamen Zögling ein Befehl zur Rückkehr, und er nahm dann
augenblicklich die gewohnte Lage an der Bruſt der Mutter wieder ein. Die Sprünge und Spiele des
kleinen Thieres wurden im gleichen Verhältniß ausführlicher, als die Kräfte deſſelben zunahmen.
Jch habe ſeine luſtigen Uebungen oft lange mit dem größten Vergnügen beobachtet und kann bezeugen,
daß ich es nie eine falſche Bewegung thun, irriges Maß nehmen oder nicht vollkommen genau den
Punkt, welchen es beabſichtigt hatte, erreichen ſah. Der kleine Affe gab mir den unzweideutigen
Beweis, daß er ſchon von allem Anfang an Entfernungen beurtheilen und den für jeden ſeiner
Sprünge erforderlichen Grad von Kraft zu beſtimmen vermochte. Er kannte ſeine natürlichen Be-
wegungen vom erſten Augenblick an und wußte durch ſie Das zu erreichen, was ein anderes Thier,
ſelbſt wenn es den Verſtand eines Menſchen beſeſſen haben würde, erſt nach zahlreichen Verſuchen
und manchfachen Uebungen hätte erlangen können. Hier konnte man wohl ſagen: Was wiſſen wir,
wenn wir eine Erklärung der Handlungen der Thiere geben ſollen?‟

„Nach ſechs Wochen ungefähr ward dem Affen eine kräftigere Nahrung, als die Muttermilch,
und damit zeigte ſich eine neue Erſcheinung. Die Thiere gewährten neue Aufſchlüſſe über ihr geiſtiges
Weſen. Dieſelbe Mutter, welche wir früher mit der zärtlichſten Sorgfalt für ihr Junges beſchäftigt
ſahen, welche daſſelbe ohne Unterbrechung an ihrem Körper und ihren Brüſten hängend trug, und von
welcher man glauben ſollte, ſie würde, von Mutterliebe getrieben, ihm den Biſſen aus dem eignen
Munde zu reichen bereit ſein: dieſelbe Mutter geſtattete ihm, als es zu eſſen anfing, nicht, auch nur
das Geringſte von der ihm dargereichten Speiſe zu berühren. Sobald der Wärter Obſt und Brod
gereicht hatte, bemächtigte ſie ſich ſolcher, ſtieß das Junge, wenn es ſich nähern wollte, von ſich und
füllte eilends Backentaſchen und Hände, damit ihr Nichts entgehe. Man würde ſehr irren, wenn
man glauben wollte, daß ein edlerer Trieb, als die Freßgier, ſie zu dieſem Betragen bewogen habe.
Zum Saugen konnte ſie das Junge nicht nöthigen wollen; denn ſie hatte keine Milch mehr, und eben-
ſowenig konnte ſie Beſorgniß hegen, daß die Speiſen ihrem Jungen ſchädlich ſein könnten; denn dieſes
fraß dieſelben begierig und befand ſich dabei recht wohl. Der Hunger machte es nun bald ſehr kühn,
unternehmend und behend. Es ließ ſich nicht mehr von den Schlägen der Mutter zurückſchrecken; und
was ſie auch thun mochte, um ihr Kind zu entfernen und Alles für ſich allein zu behalten: das
Junge war pfiffig und gewandt genug, doch immer ſich des einen oder des andern Biſſens zu bemäch-
tigen und ihn hinter dem Rücken der Mutter, ſo fern als möglich von ihr, raſch zu verzehren. Dieſe Vor-
ſicht war auch gar nicht unnöthig; denn die Alte lief mehrmals in die entfernteſte Ecke des Raumes,
um ihrem Kinde die Nahrung wieder abzunehmen. Um nun die Nachtheile zu verhüten, welche die
unmütterlichen Gefühle hätten mit ſich bringen können, ließen wir mehr Vorräthe reichen, als die Alte
verzehren oder auch nur in ihrem Munde verbergen konnte, und damit war dem Jungen geholfen.
Dieſes lebte nun bei guter Geſundheit und wurde von der Mutter gepflegt, ſo lange es ſich nicht um das
Eſſen handelte. Es unterſchied die Perſonen recht gut, welche ihm Nahrung reichten oder es liebkoſten,
war ſehr gutartig und hatte von dem Affencharakter einſtweilen nur die Munterkeit und Behendigkeit.‟

Jch habe die ausgezeichnete Beobachtung des großen franzöſiſchen Forſchers abſichtlich hier in
aller Ausführung gegeben, weil meine eigenen Wahrnehmungen an den Meerkatzen uns das mütter-
liche und kindliche Verhältniß in einem andern Licht gezeigt haben.

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[66/0120] Die Affen. Makaken. — Bhunder. Schweinsaffe. weder Uebung noch Erfahrung zu Grunde liegen konnte. Der junge Bhunder klammert ſich gleich anfangs an die ſenkrechten Eiſenſtangen ſeines Käfigs und kletterte an ihnen nach Laune auf und nieder, machte wohl auch einige Schritte auf dem Stroh, ſprang freiwillig von der Höhe ſeines Käfigs auf ſeine vier Hände herab und dann wieder gegen die Gitter, an welchen er ſich mit einer Behendigkeit und Sicherheit anklammerte, die dem erfahrenſten Affen Ehre gemacht hätte. Die Mutter verfolgte jede Bewegung ihres Kindes mit der größten Aufmerkſamkeit und ſchien immer bereit, einen etwaigen Schaden ihres Lieblings zu verhindern. Später verſuchte ſie, ſich von Zeit zu Zeit der Bürde zu entledigen, blieb aber ſtets gleich beſorgt um ihr Kind, und wenn ſie nur die mindeſte Gefahr zu befürchten glaubte, nahm ſie es ſogleich wieder zu ſich. Die leichteſte Berührung des- ſelben mit ihrer Hand war dem folgſamen Zögling ein Befehl zur Rückkehr, und er nahm dann augenblicklich die gewohnte Lage an der Bruſt der Mutter wieder ein. Die Sprünge und Spiele des kleinen Thieres wurden im gleichen Verhältniß ausführlicher, als die Kräfte deſſelben zunahmen. Jch habe ſeine luſtigen Uebungen oft lange mit dem größten Vergnügen beobachtet und kann bezeugen, daß ich es nie eine falſche Bewegung thun, irriges Maß nehmen oder nicht vollkommen genau den Punkt, welchen es beabſichtigt hatte, erreichen ſah. Der kleine Affe gab mir den unzweideutigen Beweis, daß er ſchon von allem Anfang an Entfernungen beurtheilen und den für jeden ſeiner Sprünge erforderlichen Grad von Kraft zu beſtimmen vermochte. Er kannte ſeine natürlichen Be- wegungen vom erſten Augenblick an und wußte durch ſie Das zu erreichen, was ein anderes Thier, ſelbſt wenn es den Verſtand eines Menſchen beſeſſen haben würde, erſt nach zahlreichen Verſuchen und manchfachen Uebungen hätte erlangen können. Hier konnte man wohl ſagen: Was wiſſen wir, wenn wir eine Erklärung der Handlungen der Thiere geben ſollen?‟ „Nach ſechs Wochen ungefähr ward dem Affen eine kräftigere Nahrung, als die Muttermilch, und damit zeigte ſich eine neue Erſcheinung. Die Thiere gewährten neue Aufſchlüſſe über ihr geiſtiges Weſen. Dieſelbe Mutter, welche wir früher mit der zärtlichſten Sorgfalt für ihr Junges beſchäftigt ſahen, welche daſſelbe ohne Unterbrechung an ihrem Körper und ihren Brüſten hängend trug, und von welcher man glauben ſollte, ſie würde, von Mutterliebe getrieben, ihm den Biſſen aus dem eignen Munde zu reichen bereit ſein: dieſelbe Mutter geſtattete ihm, als es zu eſſen anfing, nicht, auch nur das Geringſte von der ihm dargereichten Speiſe zu berühren. Sobald der Wärter Obſt und Brod gereicht hatte, bemächtigte ſie ſich ſolcher, ſtieß das Junge, wenn es ſich nähern wollte, von ſich und füllte eilends Backentaſchen und Hände, damit ihr Nichts entgehe. Man würde ſehr irren, wenn man glauben wollte, daß ein edlerer Trieb, als die Freßgier, ſie zu dieſem Betragen bewogen habe. Zum Saugen konnte ſie das Junge nicht nöthigen wollen; denn ſie hatte keine Milch mehr, und eben- ſowenig konnte ſie Beſorgniß hegen, daß die Speiſen ihrem Jungen ſchädlich ſein könnten; denn dieſes fraß dieſelben begierig und befand ſich dabei recht wohl. Der Hunger machte es nun bald ſehr kühn, unternehmend und behend. Es ließ ſich nicht mehr von den Schlägen der Mutter zurückſchrecken; und was ſie auch thun mochte, um ihr Kind zu entfernen und Alles für ſich allein zu behalten: das Junge war pfiffig und gewandt genug, doch immer ſich des einen oder des andern Biſſens zu bemäch- tigen und ihn hinter dem Rücken der Mutter, ſo fern als möglich von ihr, raſch zu verzehren. Dieſe Vor- ſicht war auch gar nicht unnöthig; denn die Alte lief mehrmals in die entfernteſte Ecke des Raumes, um ihrem Kinde die Nahrung wieder abzunehmen. Um nun die Nachtheile zu verhüten, welche die unmütterlichen Gefühle hätten mit ſich bringen können, ließen wir mehr Vorräthe reichen, als die Alte verzehren oder auch nur in ihrem Munde verbergen konnte, und damit war dem Jungen geholfen. Dieſes lebte nun bei guter Geſundheit und wurde von der Mutter gepflegt, ſo lange es ſich nicht um das Eſſen handelte. Es unterſchied die Perſonen recht gut, welche ihm Nahrung reichten oder es liebkoſten, war ſehr gutartig und hatte von dem Affencharakter einſtweilen nur die Munterkeit und Behendigkeit.‟ Jch habe die ausgezeichnete Beobachtung des großen franzöſiſchen Forſchers abſichtlich hier in aller Ausführung gegeben, weil meine eigenen Wahrnehmungen an den Meerkatzen uns das mütter- liche und kindliche Verhältniß in einem andern Licht gezeigt haben.

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/120>, abgerufen am 30.04.2024.