und gründlichste. Jede Klette wird ausgelöst, jeder Dorn herausgezogen, ein etwa vorkommender Schmarotzer aber auch nicht ausgelassen, sondern vielmehr mit Leidenschaft gejagt und mit Begierde gefressen. Uebrigens gelingt ihnen die Reinigung nicht immer vollständig; denn manche Dornen sind so tief eingedrungen, daß die Affen sie bei aller Anstrengung nicht aus ihren Gliedern herausziehen können. Dies kann ich ganz gewiß behaupten, weil ich selbst eine Meerkatze geschossen habe, in deren Hand noch ein Mimosendorn steckte, welcher von unten eingedrungen war und die ganze Hand durchbohrt hatte. Daß Solches möglich ist, hat mich nicht verwundert, weil ich mir selbst einmal einen Mimosendorn durch die Ledersohle, meine große Fußzehe und das Oberleder des Stiefels hindurch gestochen habe und mir sehr wohl denken kann, daß ein von oben herunter auf einen Ast springender Affe kräftig genug auffällt, um eine ähnliche Erfahrung von der Schärfe und Härte jener Dornen machen zu können.
Erst wenn die Reinigung im großen Ganzen beendet ist, tritt die Affenherde wieder den Rückzug an, d. h. sie geht ohne weiteres von neuem nach dem Felde zurück, um dort ihre Spitzbübereien fort- zusetzen. So kommt es, daß sie der Einwohner des Landes eigentlich niemals aus seinen Feldern los wird, sondern stets unter einer Plage zu leiden hat, welche noch ärger, als die der Heuschrecken ist. Da die Leute keine Feuergewehre besitzen, wissen sie sich nur durch oftmaliges Verjagen der Affen zu schützen, denn alle anderen Kunstmittel zur Vertreibung fruchten bei diesen losen Geistern gar nichts -- nicht einmal die sonst unfehlbaren Kraftsprüche ihrer Heiligen oder Zauberer; und eben deshalb sehen die braunen Leute Jnnerafrikas alle Affen als entschiedene Gottesleugner und Glaubens- verächter an. Ein weiser Scheich Ost-Sudahns sagte mir: "Glaube mir, Herr, den deutlichsten Be- weis von der Gottlosigkeit der Affen kannst Du darin erblicken, daß sie sich niemals vor dem Worte des Gesandten Gottes beugen. Alle Thiere des Herrn achten und ehren den Propheten -- Allah's Frieden sei über ihm! -- die Affen verachten ihn. Derjenige, welcher ein Amulet schreibt und in seine Felder aushängt, auf daß die Nilpferde, Elefanten und Affen seine Früchte nicht auffressen und seinen Wohlstand schädigen, muß immer erfahren, daß nur der Elefant dieses Wahrnungszeichen achtet. Das macht, weil er ein gerechtes Thier ist, der Affe aber ist ein durch Allah's Zorn aus dem Menschen in ein Scheusal verwandeltes Geschöpf und ein Sohn, Enkel und Urenkel des Ungerechten, und das Nilpferd die abschreckende Hülle des scheußlichen Zauberers."
Jn Ost-Sudahn jagt man die Meerkatzen nicht, wohl aber fängt man sie und zwar gewöhnlich in Netzen, unter denen man leckere Speisen aufstellt. Die Affen, welche den Köder wegnehmen wollen, werden von den Netzen bedeckt und verwickeln sich dergestalt in diese, daß sie nicht im Stande sind, sich frei zu machen, so wüthend sie sich auch geberden. Wir Europäer erlegten die Thiere mit dem Feuergewehr ohne alle Schwierigkeit, weil sie erst dann fliehen, wenn Einige aus ihrer Mitte ihr Leben gelassen haben. Sie fürchten sich wenig oder nicht vor dem Menschen. Ost habe ich beobachtet, daß sie Fußgänger oder Reiter, Maulthiere und Kamele unter sich wegziehen ließen, ohne zu mucksen, während sie dagegen beim Anblick eines Hundes sofort ihr Angstgeschrei ausstießen.
Bei der Affenjagd ging es mir, wie so vielen Anderen vorher: sie wurde mir einmal gründlich verleidet. Jch schoß nach einer Meerkatze, welche mir gerade das Gesicht zudrehte; sie war getroffen und stürzte von dem Baume herab, blieb ruhig sitzen und wischte sich, ohne einen Laut von sich zu geben, das aus den vielen Wunden ihres Antlitzes hervorrieselnde Blut mit der einen Hand so menschlich, so erhaben ruhig ab, daß ich aufs äußerste erregt hinzueilte und, weil beide Läufe meines Gewehres abgeschossen waren, dem armen Thiere mein Jagdmesser mehrere Male durch die Brust stieß, um es von seinen Leiden zu befreien. Aber ich habe von diesem Tage an nie wieder auf kleine Affen geschossen und rathe Jedem davon ab, welcher nicht seiner wissenschaftlichen Arbeiten wegen auf die Affenjagd gehen muß. Mir war es immer, als habe ich einen Menschen gemordet, und das Bild des sterbenden Affen hat mich förmlich verfolgt, obgleich ich doch manches Thier gejagt habe.
Nur einmal haben mir die Meerkatzen eine Jagdfreude gemacht. Jch beobachtete, daß allabend- lich Schlangenhalsvögel, Jbisse und Reiher auf einer einzelnen Mimose am Stromufer des
Schädlichkeit. Jagd.
und gründlichſte. Jede Klette wird ausgelöſt, jeder Dorn herausgezogen, ein etwa vorkommender Schmarotzer aber auch nicht ausgelaſſen, ſondern vielmehr mit Leidenſchaft gejagt und mit Begierde gefreſſen. Uebrigens gelingt ihnen die Reinigung nicht immer vollſtändig; denn manche Dornen ſind ſo tief eingedrungen, daß die Affen ſie bei aller Anſtrengung nicht aus ihren Gliedern herausziehen können. Dies kann ich ganz gewiß behaupten, weil ich ſelbſt eine Meerkatze geſchoſſen habe, in deren Hand noch ein Mimoſendorn ſteckte, welcher von unten eingedrungen war und die ganze Hand durchbohrt hatte. Daß Solches möglich iſt, hat mich nicht verwundert, weil ich mir ſelbſt einmal einen Mimoſendorn durch die Lederſohle, meine große Fußzehe und das Oberleder des Stiefels hindurch geſtochen habe und mir ſehr wohl denken kann, daß ein von oben herunter auf einen Aſt ſpringender Affe kräftig genug auffällt, um eine ähnliche Erfahrung von der Schärfe und Härte jener Dornen machen zu können.
Erſt wenn die Reinigung im großen Ganzen beendet iſt, tritt die Affenherde wieder den Rückzug an, d. h. ſie geht ohne weiteres von neuem nach dem Felde zurück, um dort ihre Spitzbübereien fort- zuſetzen. So kommt es, daß ſie der Einwohner des Landes eigentlich niemals aus ſeinen Feldern los wird, ſondern ſtets unter einer Plage zu leiden hat, welche noch ärger, als die der Heuſchrecken iſt. Da die Leute keine Feuergewehre beſitzen, wiſſen ſie ſich nur durch oftmaliges Verjagen der Affen zu ſchützen, denn alle anderen Kunſtmittel zur Vertreibung fruchten bei dieſen loſen Geiſtern gar nichts — nicht einmal die ſonſt unfehlbaren Kraftſprüche ihrer Heiligen oder Zauberer; und eben deshalb ſehen die braunen Leute Jnnerafrikas alle Affen als entſchiedene Gottesleugner und Glaubens- verächter an. Ein weiſer Schëich Oſt-Sudahns ſagte mir: „Glaube mir, Herr, den deutlichſten Be- weis von der Gottloſigkeit der Affen kannſt Du darin erblicken, daß ſie ſich niemals vor dem Worte des Geſandten Gottes beugen. Alle Thiere des Herrn achten und ehren den Propheten — Allah’s Frieden ſei über ihm! — die Affen verachten ihn. Derjenige, welcher ein Amulet ſchreibt und in ſeine Felder aushängt, auf daß die Nilpferde, Elefanten und Affen ſeine Früchte nicht auffreſſen und ſeinen Wohlſtand ſchädigen, muß immer erfahren, daß nur der Elefant dieſes Wahrnungszeichen achtet. Das macht, weil er ein gerechtes Thier iſt, der Affe aber iſt ein durch Allah’s Zorn aus dem Menſchen in ein Scheuſal verwandeltes Geſchöpf und ein Sohn, Enkel und Urenkel des Ungerechten, und das Nilpferd die abſchreckende Hülle des ſcheußlichen Zauberers.‟
Jn Oſt-Sudahn jagt man die Meerkatzen nicht, wohl aber fängt man ſie und zwar gewöhnlich in Netzen, unter denen man leckere Speiſen aufſtellt. Die Affen, welche den Köder wegnehmen wollen, werden von den Netzen bedeckt und verwickeln ſich dergeſtalt in dieſe, daß ſie nicht im Stande ſind, ſich frei zu machen, ſo wüthend ſie ſich auch geberden. Wir Europäer erlegten die Thiere mit dem Feuergewehr ohne alle Schwierigkeit, weil ſie erſt dann fliehen, wenn Einige aus ihrer Mitte ihr Leben gelaſſen haben. Sie fürchten ſich wenig oder nicht vor dem Menſchen. Oſt habe ich beobachtet, daß ſie Fußgänger oder Reiter, Maulthiere und Kamele unter ſich wegziehen ließen, ohne zu muckſen, während ſie dagegen beim Anblick eines Hundes ſofort ihr Angſtgeſchrei ausſtießen.
Bei der Affenjagd ging es mir, wie ſo vielen Anderen vorher: ſie wurde mir einmal gründlich verleidet. Jch ſchoß nach einer Meerkatze, welche mir gerade das Geſicht zudrehte; ſie war getroffen und ſtürzte von dem Baume herab, blieb ruhig ſitzen und wiſchte ſich, ohne einen Laut von ſich zu geben, das aus den vielen Wunden ihres Antlitzes hervorrieſelnde Blut mit der einen Hand ſo menſchlich, ſo erhaben ruhig ab, daß ich aufs äußerſte erregt hinzueilte und, weil beide Läufe meines Gewehres abgeſchoſſen waren, dem armen Thiere mein Jagdmeſſer mehrere Male durch die Bruſt ſtieß, um es von ſeinen Leiden zu befreien. Aber ich habe von dieſem Tage an nie wieder auf kleine Affen geſchoſſen und rathe Jedem davon ab, welcher nicht ſeiner wiſſenſchaftlichen Arbeiten wegen auf die Affenjagd gehen muß. Mir war es immer, als habe ich einen Menſchen gemordet, und das Bild des ſterbenden Affen hat mich förmlich verfolgt, obgleich ich doch manches Thier gejagt habe.
Nur einmal haben mir die Meerkatzen eine Jagdfreude gemacht. Jch beobachtete, daß allabend- lich Schlangenhalsvögel, Jbiſſe und Reiher auf einer einzelnen Mimoſe am Stromufer des
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[55/0109]
Schädlichkeit. Jagd.
und gründlichſte. Jede Klette wird ausgelöſt, jeder Dorn herausgezogen, ein etwa vorkommender
Schmarotzer aber auch nicht ausgelaſſen, ſondern vielmehr mit Leidenſchaft gejagt und mit Begierde
gefreſſen. Uebrigens gelingt ihnen die Reinigung nicht immer vollſtändig; denn manche Dornen ſind
ſo tief eingedrungen, daß die Affen ſie bei aller Anſtrengung nicht aus ihren Gliedern herausziehen
können. Dies kann ich ganz gewiß behaupten, weil ich ſelbſt eine Meerkatze geſchoſſen habe, in deren
Hand noch ein Mimoſendorn ſteckte, welcher von unten eingedrungen war und die ganze Hand
durchbohrt hatte. Daß Solches möglich iſt, hat mich nicht verwundert, weil ich mir ſelbſt einmal
einen Mimoſendorn durch die Lederſohle, meine große Fußzehe und das Oberleder des Stiefels
hindurch geſtochen habe und mir ſehr wohl denken kann, daß ein von oben herunter auf einen Aſt
ſpringender Affe kräftig genug auffällt, um eine ähnliche Erfahrung von der Schärfe und Härte
jener Dornen machen zu können.
Erſt wenn die Reinigung im großen Ganzen beendet iſt, tritt die Affenherde wieder den Rückzug
an, d. h. ſie geht ohne weiteres von neuem nach dem Felde zurück, um dort ihre Spitzbübereien fort-
zuſetzen. So kommt es, daß ſie der Einwohner des Landes eigentlich niemals aus ſeinen Feldern los
wird, ſondern ſtets unter einer Plage zu leiden hat, welche noch ärger, als die der Heuſchrecken iſt.
Da die Leute keine Feuergewehre beſitzen, wiſſen ſie ſich nur durch oftmaliges Verjagen der Affen
zu ſchützen, denn alle anderen Kunſtmittel zur Vertreibung fruchten bei dieſen loſen Geiſtern gar
nichts — nicht einmal die ſonſt unfehlbaren Kraftſprüche ihrer Heiligen oder Zauberer; und eben
deshalb ſehen die braunen Leute Jnnerafrikas alle Affen als entſchiedene Gottesleugner und Glaubens-
verächter an. Ein weiſer Schëich Oſt-Sudahns ſagte mir: „Glaube mir, Herr, den deutlichſten Be-
weis von der Gottloſigkeit der Affen kannſt Du darin erblicken, daß ſie ſich niemals vor dem Worte
des Geſandten Gottes beugen. Alle Thiere des Herrn achten und ehren den Propheten — Allah’s
Frieden ſei über ihm! — die Affen verachten ihn. Derjenige, welcher ein Amulet ſchreibt und in
ſeine Felder aushängt, auf daß die Nilpferde, Elefanten und Affen ſeine Früchte nicht auffreſſen
und ſeinen Wohlſtand ſchädigen, muß immer erfahren, daß nur der Elefant dieſes Wahrnungszeichen
achtet. Das macht, weil er ein gerechtes Thier iſt, der Affe aber iſt ein durch Allah’s Zorn aus dem
Menſchen in ein Scheuſal verwandeltes Geſchöpf und ein Sohn, Enkel und Urenkel des Ungerechten,
und das Nilpferd die abſchreckende Hülle des ſcheußlichen Zauberers.‟
Jn Oſt-Sudahn jagt man die Meerkatzen nicht, wohl aber fängt man ſie und zwar gewöhnlich
in Netzen, unter denen man leckere Speiſen aufſtellt. Die Affen, welche den Köder wegnehmen wollen,
werden von den Netzen bedeckt und verwickeln ſich dergeſtalt in dieſe, daß ſie nicht im Stande ſind,
ſich frei zu machen, ſo wüthend ſie ſich auch geberden. Wir Europäer erlegten die Thiere mit dem
Feuergewehr ohne alle Schwierigkeit, weil ſie erſt dann fliehen, wenn Einige aus ihrer Mitte ihr
Leben gelaſſen haben. Sie fürchten ſich wenig oder nicht vor dem Menſchen. Oſt habe ich beobachtet,
daß ſie Fußgänger oder Reiter, Maulthiere und Kamele unter ſich wegziehen ließen, ohne zu muckſen,
während ſie dagegen beim Anblick eines Hundes ſofort ihr Angſtgeſchrei ausſtießen.
Bei der Affenjagd ging es mir, wie ſo vielen Anderen vorher: ſie wurde mir einmal gründlich
verleidet. Jch ſchoß nach einer Meerkatze, welche mir gerade das Geſicht zudrehte; ſie war getroffen
und ſtürzte von dem Baume herab, blieb ruhig ſitzen und wiſchte ſich, ohne einen Laut von ſich zu
geben, das aus den vielen Wunden ihres Antlitzes hervorrieſelnde Blut mit der einen Hand ſo
menſchlich, ſo erhaben ruhig ab, daß ich aufs äußerſte erregt hinzueilte und, weil beide Läufe meines
Gewehres abgeſchoſſen waren, dem armen Thiere mein Jagdmeſſer mehrere Male durch die Bruſt
ſtieß, um es von ſeinen Leiden zu befreien. Aber ich habe von dieſem Tage an nie wieder auf kleine
Affen geſchoſſen und rathe Jedem davon ab, welcher nicht ſeiner wiſſenſchaftlichen Arbeiten wegen auf
die Affenjagd gehen muß. Mir war es immer, als habe ich einen Menſchen gemordet, und das Bild
des ſterbenden Affen hat mich förmlich verfolgt, obgleich ich doch manches Thier gejagt habe.
Nur einmal haben mir die Meerkatzen eine Jagdfreude gemacht. Jch beobachtete, daß allabend-
lich Schlangenhalsvögel, Jbiſſe und Reiher auf einer einzelnen Mimoſe am Stromufer des
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/109>, abgerufen am 23.07.2024.
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