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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Die Affen. Meerkatzen.
ist es eine wahre Lust, wenn man einer Horde dieser Thiere im Walde begegnet. Da kann man ein
Leben, ein Schreien und Kämpfen, ein sich Zürnen und Versöhnen, ein Klettern und Laufen, Rauben
und Plündern, Gesichterschneiden und Gliederverrenken bemerken! Sie bilden einen eignen Staat und
erkennen keinen Herrn über sich an, als den Stärkern Jhresgleichen; sie beachten kein Recht, als das,
welches durch spitze Zähne und kräftige Hände von dem alten Affenstammvater geübt wird; sie halten
keine Gefahr für möglich, aus welcher es nicht auch einen Ausweg gäbe; sie machen sich jede Lage
behaglich, fürchten niemals Mangel und Noth und verbringen so ihr Leben in beständiger Regsamkeit
und Fröhlichkeit. Ein grenzenloser Leichtsinn und ein höchst spashafter Ernst im Verein ist ihnen
eigen; mit beiden beginnen und vollbringen sie alle ihre Geschäfte. Kein Ziel ist zu weit gesteckt, kein
Wipfel zu hoch, kein Schatz sicher genug, kein Eigenthum achtbar. So darf es uns nicht Wunder
nehmen, daß die Eingebornen Ost-Sudahns nur mit grenzenloser Verachtung und mit Zorn von
ihnen sprechen; ebensowenig aber wird man es dem unbetheiligten Beobachter verdenken, wenn er sie
als höchst ergötzliche Wesen betrachtet.

[Abbildung] Der rothe Affe (Ceroopithecus ruber).

Man bemerkt eine Meerkatzenbande im Urwalde sehr leicht. Wenn man auch den wechselvollen
Ausruf des Leitaffens nicht vernimmt, hört man wenigstens bald das Geräusch, welches die laufende
und springende Gesellschaft auf den Bäumen verursacht, und wenn man dieses nicht hört, sieht man
die Thiere laufen, spielen, ruhig dasitzen, sich sonnen, sich gewisser Schmarotzer halber Liebesdienste
erzeigen: -- niemals fällt es ihnen ein, sich vor irgend Jemand zu verbergen. Auf dem Boden trifft
man sie blos da, wo es Etwas zu fressen giebt; sonst leben sie in den Wipfeln der Bäume und nehmen
ihren Weg von einem Ast zum andern. Und dabei ist es ihnen völlig gleichgiltig, ob sie durch die
dicksten Dornen durchmüssen oder nicht.

Aeußerst anziehend für den Beobachter ist es, wenn er eine auf Raub ausziehende Bande be-
lauschen kann. Mich hat die Dreistigkeit, welche sie dabei zeigen, immer ebenso ergötzt, wie sie den
Eingebornen empörte. Unter Führung des alten, oft geprüften und wohlerfahrnen Stammvaters
zieht die Bande der Thiere dem Getreidefelde zu; die Aeffinnen, welche Kinder haben, tragen diese

Die Affen. Meerkatzen.
iſt es eine wahre Luſt, wenn man einer Horde dieſer Thiere im Walde begegnet. Da kann man ein
Leben, ein Schreien und Kämpfen, ein ſich Zürnen und Verſöhnen, ein Klettern und Laufen, Rauben
und Plündern, Geſichterſchneiden und Gliederverrenken bemerken! Sie bilden einen eignen Staat und
erkennen keinen Herrn über ſich an, als den Stärkern Jhresgleichen; ſie beachten kein Recht, als das,
welches durch ſpitze Zähne und kräftige Hände von dem alten Affenſtammvater geübt wird; ſie halten
keine Gefahr für möglich, aus welcher es nicht auch einen Ausweg gäbe; ſie machen ſich jede Lage
behaglich, fürchten niemals Mangel und Noth und verbringen ſo ihr Leben in beſtändiger Regſamkeit
und Fröhlichkeit. Ein grenzenloſer Leichtſinn und ein höchſt ſpashafter Ernſt im Verein iſt ihnen
eigen; mit beiden beginnen und vollbringen ſie alle ihre Geſchäfte. Kein Ziel iſt zu weit geſteckt, kein
Wipfel zu hoch, kein Schatz ſicher genug, kein Eigenthum achtbar. So darf es uns nicht Wunder
nehmen, daß die Eingebornen Oſt-Sudahns nur mit grenzenloſer Verachtung und mit Zorn von
ihnen ſprechen; ebenſowenig aber wird man es dem unbetheiligten Beobachter verdenken, wenn er ſie
als höchſt ergötzliche Weſen betrachtet.

[Abbildung] Der rothe Affe (Ceroopithecus ruber).

Man bemerkt eine Meerkatzenbande im Urwalde ſehr leicht. Wenn man auch den wechſelvollen
Ausruf des Leitaffens nicht vernimmt, hört man wenigſtens bald das Geräuſch, welches die laufende
und ſpringende Geſellſchaft auf den Bäumen verurſacht, und wenn man dieſes nicht hört, ſieht man
die Thiere laufen, ſpielen, ruhig daſitzen, ſich ſonnen, ſich gewiſſer Schmarotzer halber Liebesdienſte
erzeigen: — niemals fällt es ihnen ein, ſich vor irgend Jemand zu verbergen. Auf dem Boden trifft
man ſie blos da, wo es Etwas zu freſſen giebt; ſonſt leben ſie in den Wipfeln der Bäume und nehmen
ihren Weg von einem Aſt zum andern. Und dabei iſt es ihnen völlig gleichgiltig, ob ſie durch die
dickſten Dornen durchmüſſen oder nicht.

Aeußerſt anziehend für den Beobachter iſt es, wenn er eine auf Raub ausziehende Bande be-
lauſchen kann. Mich hat die Dreiſtigkeit, welche ſie dabei zeigen, immer ebenſo ergötzt, wie ſie den
Eingebornen empörte. Unter Führung des alten, oft geprüften und wohlerfahrnen Stammvaters
zieht die Bande der Thiere dem Getreidefelde zu; die Aeffinnen, welche Kinder haben, tragen dieſe

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[52/0106] Die Affen. Meerkatzen. iſt es eine wahre Luſt, wenn man einer Horde dieſer Thiere im Walde begegnet. Da kann man ein Leben, ein Schreien und Kämpfen, ein ſich Zürnen und Verſöhnen, ein Klettern und Laufen, Rauben und Plündern, Geſichterſchneiden und Gliederverrenken bemerken! Sie bilden einen eignen Staat und erkennen keinen Herrn über ſich an, als den Stärkern Jhresgleichen; ſie beachten kein Recht, als das, welches durch ſpitze Zähne und kräftige Hände von dem alten Affenſtammvater geübt wird; ſie halten keine Gefahr für möglich, aus welcher es nicht auch einen Ausweg gäbe; ſie machen ſich jede Lage behaglich, fürchten niemals Mangel und Noth und verbringen ſo ihr Leben in beſtändiger Regſamkeit und Fröhlichkeit. Ein grenzenloſer Leichtſinn und ein höchſt ſpashafter Ernſt im Verein iſt ihnen eigen; mit beiden beginnen und vollbringen ſie alle ihre Geſchäfte. Kein Ziel iſt zu weit geſteckt, kein Wipfel zu hoch, kein Schatz ſicher genug, kein Eigenthum achtbar. So darf es uns nicht Wunder nehmen, daß die Eingebornen Oſt-Sudahns nur mit grenzenloſer Verachtung und mit Zorn von ihnen ſprechen; ebenſowenig aber wird man es dem unbetheiligten Beobachter verdenken, wenn er ſie als höchſt ergötzliche Weſen betrachtet. [Abbildung Der rothe Affe (Ceroopithecus ruber).] Man bemerkt eine Meerkatzenbande im Urwalde ſehr leicht. Wenn man auch den wechſelvollen Ausruf des Leitaffens nicht vernimmt, hört man wenigſtens bald das Geräuſch, welches die laufende und ſpringende Geſellſchaft auf den Bäumen verurſacht, und wenn man dieſes nicht hört, ſieht man die Thiere laufen, ſpielen, ruhig daſitzen, ſich ſonnen, ſich gewiſſer Schmarotzer halber Liebesdienſte erzeigen: — niemals fällt es ihnen ein, ſich vor irgend Jemand zu verbergen. Auf dem Boden trifft man ſie blos da, wo es Etwas zu freſſen giebt; ſonſt leben ſie in den Wipfeln der Bäume und nehmen ihren Weg von einem Aſt zum andern. Und dabei iſt es ihnen völlig gleichgiltig, ob ſie durch die dickſten Dornen durchmüſſen oder nicht. Aeußerſt anziehend für den Beobachter iſt es, wenn er eine auf Raub ausziehende Bande be- lauſchen kann. Mich hat die Dreiſtigkeit, welche ſie dabei zeigen, immer ebenſo ergötzt, wie ſie den Eingebornen empörte. Unter Führung des alten, oft geprüften und wohlerfahrnen Stammvaters zieht die Bande der Thiere dem Getreidefelde zu; die Aeffinnen, welche Kinder haben, tragen dieſe

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/106>, abgerufen am 30.04.2024.