Braun, Karl: Die Vagabundenfrage. Berlin, 1883.arbeiten, und wenn wir sie nicht mehr an die Scholle fesseln,
arbeiten, und wenn wir sie nicht mehr an die Scholle fesseln,
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0033" n="31"/> arbeiten, und wenn wir sie nicht mehr an die Scholle fesseln,<lb/> so laufen sie fort, unser Land, so lautet der Ausdruck, wird «de-<lb/> peuplirt» werden; dann haben wir keine Bauern mehr, und<lb/> Majestät haben keine Soldaten. Das that eine gute Wirkung.<lb/> Der König nahm Abstand von dieser Reform. Friedrich Wil-<lb/> helm III. aber hat sie durchgeführt und darüber nicht allein ein<lb/> Gesetz erlassen am 25. März 1809, sondern ihm auch eine sehr<lb/> schöne Begründung beigefügt, indem er sagte:</p><lb/> <cit> <quote> <p>«Die Rittergutsbesitzer haben sich der Freizügigkeit<lb/> widersetzt und die Besorgniß geäußert, die Unterthanen<lb/> würden, sobald sie die natürliche Freiheit wieder erlangt<lb/> hätten, Mißbrauch damit treiben und</p><lb/> <list> <item>1. sich von dem Landbau entfernen und alle nach den<lb/> Städten gehen,</item><lb/> <item>2. lieber als Tagelöhner wie als Gesinde arbeiten,</item><lb/> <item>3. übermäßigen Lohn und bessere Kost fordern,</item><lb/> <item>4. sich dem Müßiggange ergeben und vagabundiren etc.</item> </list><lb/> <p>Diese Einwendungen der Rittergutsbesitzer widerlegt<lb/> nun König Friedrich Wilhelm III., indem er bemerkt:</p><lb/> <list> <item>Zu 1. es sei nicht abzusehen, wie der Hang der Landbe-<lb/> wohner, in die Städte zu ziehen, dadurch vermehrt<lb/> werden könne, daß ihnen der Aufenthalt auf dem<lb/> Lande durch Erlangung der persönlichen Freiheit an-<lb/> genehmer gemacht wird; es stehe vielmehr zu erwarten,<lb/> daß mehr städtische Arbeitsleute auf das Land ziehen<lb/> werden, wenn auf dem Lande die bisher so abschreckend<lb/> wirkenden Beschränkungen der persönlichen Freiheit<lb/> aufgehoben sind;</item><lb/> <item>Zu 2. durch Aufhebung des Dienstzwanges werde die Lage<lb/> des Gesindes verbessert, es werden daher weniger, als<lb/> bisher Veranlassung haben, das Dienen gegen Tage-<lb/> löhnerei zu vertauschen;</item><lb/> <item>Zu 3. freilich werde und müsse da, wo man dem Zwangs-<lb/> Gesinde so wenig gereicht hat, daß es ohne Beistand<lb/> der Eltern nicht bestehen konnte, einige billige Er-<lb/> höhung eintreten; jedenfalls aber würde durch die per-<lb/> sönliche Freiheit die Concurrenz in heilsamer Weise ver-<lb/> mehrt; und da freie Leute im Gegensatz zum Zwangs-<lb/> gesinde mit mehr gutem Willen arbeiten, werde mehr<lb/></item> </list> </quote> </cit> </div> </body> </text> </TEI> [31/0033]
arbeiten, und wenn wir sie nicht mehr an die Scholle fesseln,
so laufen sie fort, unser Land, so lautet der Ausdruck, wird «de-
peuplirt» werden; dann haben wir keine Bauern mehr, und
Majestät haben keine Soldaten. Das that eine gute Wirkung.
Der König nahm Abstand von dieser Reform. Friedrich Wil-
helm III. aber hat sie durchgeführt und darüber nicht allein ein
Gesetz erlassen am 25. März 1809, sondern ihm auch eine sehr
schöne Begründung beigefügt, indem er sagte:
«Die Rittergutsbesitzer haben sich der Freizügigkeit
widersetzt und die Besorgniß geäußert, die Unterthanen
würden, sobald sie die natürliche Freiheit wieder erlangt
hätten, Mißbrauch damit treiben und
1. sich von dem Landbau entfernen und alle nach den
Städten gehen,
2. lieber als Tagelöhner wie als Gesinde arbeiten,
3. übermäßigen Lohn und bessere Kost fordern,
4. sich dem Müßiggange ergeben und vagabundiren etc.
Diese Einwendungen der Rittergutsbesitzer widerlegt
nun König Friedrich Wilhelm III., indem er bemerkt:
Zu 1. es sei nicht abzusehen, wie der Hang der Landbe-
wohner, in die Städte zu ziehen, dadurch vermehrt
werden könne, daß ihnen der Aufenthalt auf dem
Lande durch Erlangung der persönlichen Freiheit an-
genehmer gemacht wird; es stehe vielmehr zu erwarten,
daß mehr städtische Arbeitsleute auf das Land ziehen
werden, wenn auf dem Lande die bisher so abschreckend
wirkenden Beschränkungen der persönlichen Freiheit
aufgehoben sind;
Zu 2. durch Aufhebung des Dienstzwanges werde die Lage
des Gesindes verbessert, es werden daher weniger, als
bisher Veranlassung haben, das Dienen gegen Tage-
löhnerei zu vertauschen;
Zu 3. freilich werde und müsse da, wo man dem Zwangs-
Gesinde so wenig gereicht hat, daß es ohne Beistand
der Eltern nicht bestehen konnte, einige billige Er-
höhung eintreten; jedenfalls aber würde durch die per-
sönliche Freiheit die Concurrenz in heilsamer Weise ver-
mehrt; und da freie Leute im Gegensatz zum Zwangs-
gesinde mit mehr gutem Willen arbeiten, werde mehr
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