des Lineals mit der scharfen Kante an den Ostpunct des Kästchens, worin die Magnetnadel sich befindet, und richtet das Lineal ver- tical aufwärts, dann wird der Südpol der Nadel angezogen; man neigt den obern Theil nach Norden hin, immer mehr und mehr herab, so nimmt diese Ablenkung der Nadel ab, und wird Null, wenn das Lineal 23° gegen den Horizont geneigt ist; kömmt es unter diese Neigung, so fängt der Nordpol an, sich dem Eisen zu nähern, obgleich noch immer derselbe Punct des Lineals an dem Kästchen anliegt; dieses Ende zeigt sich also bald als Südpol, bald als Nordpol, bloß nach der Lage des ganzen Eisenstabes wechselnd. Das weiche Eisen ist unter der Einwirkung der Erde in seinem untern Theile eben so nordpolarisch, wie es der untere Theil der Neigungsnadel ist; aber die Eigenschaft des weichen Eisens, den unter Einwirkung eines Magnetes entstandenen magnetischen Zu- stand sogleich wieder zu verlieren, zeigt sich auch hier bei der Aen- derung der Lage.
Barlow stellte seine Versuche zunächst zum Nutzen der Schifffahrt an, und dachte daher auf Mittel, wie man diese un- richtige Ablenkung der Nadel im Schiffe corrigire. Offenbar wa- ren es die bei der jetzigen Einrichtung der Schiffe zahlreichen und großen Eisenmassen, die, jetzt mehr als ehmals, diese Ablenkungen bewirkten, und diese Einwirkung ist so stark, daß sie selbst in den englischen Häfen über 10 Gr., in den nördlichen Gegenden aber mehr als 40° Ablenkung bewirken kann. Man überzeugt sich von dieser Einwirkung, wenn man auf dem im Hafen liegenden, mit dem Steuer nach Norden gekehrten Schiffe nach einem Gegen- stande visirt und den Richtungswinkel mit der Magnetnadel be- stimmt, hierauf aber das Schiff um 90° nach der einen und um 90° nach der andern Richtung wenden läßt; dann ändert die Nadel ihre Stellung und jener Richtungswinkel wird bei jeder Lage des Schiffes anders gefunden. Daß diese Unsicherheit, ob man nach Norden oder nach Nord-Ost steuert, nicht gleichgültig ist, brauche ich nicht erst zu bemerken. Barlow überlegte nun, daß eine nahe, wenn gleich kleinere, Masse die Einwirkung jener großen Massen ausgleichen könne, und erfand daher seine Corrections- platte, deren richtige Stellung man, ehe das Schiff den Hafen verläßt, durch Versuche bestimmt. Diese Eisenplatte wird nämlich
des Lineals mit der ſcharfen Kante an den Oſtpunct des Kaͤſtchens, worin die Magnetnadel ſich befindet, und richtet das Lineal ver- tical aufwaͤrts, dann wird der Suͤdpol der Nadel angezogen; man neigt den obern Theil nach Norden hin, immer mehr und mehr herab, ſo nimmt dieſe Ablenkung der Nadel ab, und wird Null, wenn das Lineal 23° gegen den Horizont geneigt iſt; koͤmmt es unter dieſe Neigung, ſo faͤngt der Nordpol an, ſich dem Eiſen zu naͤhern, obgleich noch immer derſelbe Punct des Lineals an dem Kaͤſtchen anliegt; dieſes Ende zeigt ſich alſo bald als Suͤdpol, bald als Nordpol, bloß nach der Lage des ganzen Eiſenſtabes wechſelnd. Das weiche Eiſen iſt unter der Einwirkung der Erde in ſeinem untern Theile eben ſo nordpolariſch, wie es der untere Theil der Neigungsnadel iſt; aber die Eigenſchaft des weichen Eiſens, den unter Einwirkung eines Magnetes entſtandenen magnetiſchen Zu- ſtand ſogleich wieder zu verlieren, zeigt ſich auch hier bei der Aen- derung der Lage.
Barlow ſtellte ſeine Verſuche zunaͤchſt zum Nutzen der Schifffahrt an, und dachte daher auf Mittel, wie man dieſe un- richtige Ablenkung der Nadel im Schiffe corrigire. Offenbar wa- ren es die bei der jetzigen Einrichtung der Schiffe zahlreichen und großen Eiſenmaſſen, die, jetzt mehr als ehmals, dieſe Ablenkungen bewirkten, und dieſe Einwirkung iſt ſo ſtark, daß ſie ſelbſt in den engliſchen Haͤfen uͤber 10 Gr., in den noͤrdlichen Gegenden aber mehr als 40° Ablenkung bewirken kann. Man uͤberzeugt ſich von dieſer Einwirkung, wenn man auf dem im Hafen liegenden, mit dem Steuer nach Norden gekehrten Schiffe nach einem Gegen- ſtande viſirt und den Richtungswinkel mit der Magnetnadel be- ſtimmt, hierauf aber das Schiff um 90° nach der einen und um 90° nach der andern Richtung wenden laͤßt; dann aͤndert die Nadel ihre Stellung und jener Richtungswinkel wird bei jeder Lage des Schiffes anders gefunden. Daß dieſe Unſicherheit, ob man nach Norden oder nach Nord-Oſt ſteuert, nicht gleichguͤltig iſt, brauche ich nicht erſt zu bemerken. Barlow uͤberlegte nun, daß eine nahe, wenn gleich kleinere, Maſſe die Einwirkung jener großen Maſſen ausgleichen koͤnne, und erfand daher ſeine Corrections- platte, deren richtige Stellung man, ehe das Schiff den Hafen verlaͤßt, durch Verſuche beſtimmt. Dieſe Eiſenplatte wird naͤmlich
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des Lineals mit der ſcharfen Kante an den Oſtpunct des Kaͤſtchens,
worin die Magnetnadel ſich befindet, und richtet das Lineal ver-
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neigt den obern Theil nach Norden hin, immer mehr und mehr
herab, ſo nimmt dieſe Ablenkung der Nadel ab, und wird Null,
wenn das Lineal 23° gegen den Horizont geneigt iſt; koͤmmt es
unter dieſe Neigung, ſo faͤngt der Nordpol an, ſich dem Eiſen zu
naͤhern, obgleich noch immer derſelbe Punct des Lineals an dem
Kaͤſtchen anliegt; dieſes Ende zeigt ſich alſo bald als Suͤdpol, bald
als Nordpol, bloß nach der Lage des ganzen Eiſenſtabes wechſelnd.
Das weiche Eiſen iſt unter der Einwirkung der Erde in ſeinem
untern Theile eben ſo nordpolariſch, wie es der untere Theil der
Neigungsnadel iſt; aber die Eigenſchaft des weichen Eiſens, den
unter Einwirkung eines Magnetes entſtandenen magnetiſchen Zu-
ſtand ſogleich wieder zu verlieren, zeigt ſich auch hier bei der Aen-
derung der Lage.
Barlow ſtellte ſeine Verſuche zunaͤchſt zum Nutzen der
Schifffahrt an, und dachte daher auf Mittel, wie man dieſe un-
richtige Ablenkung der Nadel im Schiffe corrigire. Offenbar wa-
ren es die bei der jetzigen Einrichtung der Schiffe zahlreichen und
großen Eiſenmaſſen, die, jetzt mehr als ehmals, dieſe Ablenkungen
bewirkten, und dieſe Einwirkung iſt ſo ſtark, daß ſie ſelbſt in den
engliſchen Haͤfen uͤber 10 Gr., in den noͤrdlichen Gegenden aber
mehr als 40° Ablenkung bewirken kann. Man uͤberzeugt ſich
von dieſer Einwirkung, wenn man auf dem im Hafen liegenden,
mit dem Steuer nach Norden gekehrten Schiffe nach einem Gegen-
ſtande viſirt und den Richtungswinkel mit der Magnetnadel be-
ſtimmt, hierauf aber das Schiff um 90° nach der einen und um
90° nach der andern Richtung wenden laͤßt; dann aͤndert die
Nadel ihre Stellung und jener Richtungswinkel wird bei jeder Lage
des Schiffes anders gefunden. Daß dieſe Unſicherheit, ob man
nach Norden oder nach Nord-Oſt ſteuert, nicht gleichguͤltig iſt,
brauche ich nicht erſt zu bemerken. Barlow uͤberlegte nun, daß
eine nahe, wenn gleich kleinere, Maſſe die Einwirkung jener großen
Maſſen ausgleichen koͤnne, und erfand daher ſeine Corrections-
platte, deren richtige Stellung man, ehe das Schiff den Hafen
verlaͤßt, durch Verſuche beſtimmt. Dieſe Eiſenplatte wird naͤmlich
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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1832, S. 454. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre03_1832/468>, abgerufen am 22.11.2024.
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