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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1832.

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eine Neigung von 80° erlangen zu sehen, dagegen hat die Magnet-
nadel im nördlichen America schon in der Breite von 54° (im süd-
lichsten Theile der Hudsonsbay) eben die Neigung von 80°. Ver-
folgt man die Linien auf der Erde, wo die Neigung 83°, 85°,
und mehr beträgt, so findet man immer deutlicher, daß sie sich in
etwas ovaler Form um einen Punct herumziehen, der ungefähr
100° westlich von Greenwich in 71° Norderbreite, etwas
südlich von der Gegend liegt, wo Parry auf seiner Polarreise
überwinterte. Parry beobachtete eine Neigung von 883/4°, und
befand sich also nicht weit von dem Puncte, wo die Neigung 90°
betragen muß. Dieser eine Punct ist ziemlich genau bekannt und
in der Charte (Taf. V.) nördlich von America angegeben. Die Krüm-
mung der Linien gleicher Neigung in Sibirien deutet auf einen
eben solchen, aber sehr im unzugänglichen Norden liegenden, zweiten
Punct hin, wo die Neigung 90° ist, dessen genaue Lage aber
schwerer zu bestimmen ist, weil wir keine Beobachtungen aus Gegen-
den, die ihm sehr nahe sind, erhalten können. Und eben so wie
es zwei nördliche magnetische Pole der Erde giebt, (denn so
können wir jene Puncte nennen,) so zeigen uns die Linien gleicher
Neigung auf der südlichen Halbkugel, daß es dort einen magnetischen
Südpol ungefähr in 70° Breite grade südlich von Neuholland und
einen Südpol in noch größerer Breite südwestlich von der südlich-
sten Spitze America's geben muß. Die Zeichnung Tafel V. giebt
die ungefähre Lage der vier Pole an.

Die Erde ist selbst ein Magnet.

Die Erde zeigt sich uns also selbst als ein Magnet, als
mit einer nur auf die magnetisirten Körper wirkenden Kraft be-
gabt, wodurch in der nördlichen Halbkugel der nach Norden zei-
gende Pol der Nadel angezogen wird, in der südlichen Halbkugel
der nach Süden zeigende Pol. Ueberlegen wir nun, daß der Nord-
pol eines Magnetes den Südpol des andern anzieht, so erhellt,
daß wir eigentlich dem Nord-Ende unserer natürlichen und künst-
lichen Magnete Südpolarität beilegen müßten, weil dieser Theil der
Nadel vom Nordpole der Erde selbst angezogen wird; und wirklich
haben mehrere, vorzüglich französische, Schriftsteller diesen Ausdruck
angenommen, daß sie das nach Norden zeigende Ende der Nadel

III. Ee

eine Neigung von 80° erlangen zu ſehen, dagegen hat die Magnet-
nadel im noͤrdlichen America ſchon in der Breite von 54° (im ſuͤd-
lichſten Theile der Hudſonsbay) eben die Neigung von 80°. Ver-
folgt man die Linien auf der Erde, wo die Neigung 83°, 85°,
und mehr betraͤgt, ſo findet man immer deutlicher, daß ſie ſich in
etwas ovaler Form um einen Punct herumziehen, der ungefaͤhr
100° weſtlich von Greenwich in 71° Norderbreite, etwas
ſuͤdlich von der Gegend liegt, wo Parry auf ſeiner Polarreiſe
uͤberwinterte. Parry beobachtete eine Neigung von 88¾°, und
befand ſich alſo nicht weit von dem Puncte, wo die Neigung 90°
betragen muß. Dieſer eine Punct iſt ziemlich genau bekannt und
in der Charte (Taf. V.) noͤrdlich von America angegeben. Die Kruͤm-
mung der Linien gleicher Neigung in Sibirien deutet auf einen
eben ſolchen, aber ſehr im unzugaͤnglichen Norden liegenden, zweiten
Punct hin, wo die Neigung 90° iſt, deſſen genaue Lage aber
ſchwerer zu beſtimmen iſt, weil wir keine Beobachtungen aus Gegen-
den, die ihm ſehr nahe ſind, erhalten koͤnnen. Und eben ſo wie
es zwei noͤrdliche magnetiſche Pole der Erde giebt, (denn ſo
koͤnnen wir jene Puncte nennen,) ſo zeigen uns die Linien gleicher
Neigung auf der ſuͤdlichen Halbkugel, daß es dort einen magnetiſchen
Suͤdpol ungefaͤhr in 70° Breite grade ſuͤdlich von Neuholland und
einen Suͤdpol in noch groͤßerer Breite ſuͤdweſtlich von der ſuͤdlich-
ſten Spitze America's geben muß. Die Zeichnung Tafel V. giebt
die ungefaͤhre Lage der vier Pole an.

Die Erde iſt ſelbſt ein Magnet.

Die Erde zeigt ſich uns alſo ſelbſt als ein Magnet, als
mit einer nur auf die magnetiſirten Koͤrper wirkenden Kraft be-
gabt, wodurch in der noͤrdlichen Halbkugel der nach Norden zei-
gende Pol der Nadel angezogen wird, in der ſuͤdlichen Halbkugel
der nach Suͤden zeigende Pol. Ueberlegen wir nun, daß der Nord-
pol eines Magnetes den Suͤdpol des andern anzieht, ſo erhellt,
daß wir eigentlich dem Nord-Ende unſerer natuͤrlichen und kuͤnſt-
lichen Magnete Suͤdpolaritaͤt beilegen muͤßten, weil dieſer Theil der
Nadel vom Nordpole der Erde ſelbſt angezogen wird; und wirklich
haben mehrere, vorzuͤglich franzoͤſiſche, Schriftſteller dieſen Ausdruck
angenommen, daß ſie das nach Norden zeigende Ende der Nadel

III. Ee
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[433/0447] eine Neigung von 80° erlangen zu ſehen, dagegen hat die Magnet- nadel im noͤrdlichen America ſchon in der Breite von 54° (im ſuͤd- lichſten Theile der Hudſonsbay) eben die Neigung von 80°. Ver- folgt man die Linien auf der Erde, wo die Neigung 83°, 85°, und mehr betraͤgt, ſo findet man immer deutlicher, daß ſie ſich in etwas ovaler Form um einen Punct herumziehen, der ungefaͤhr 100° weſtlich von Greenwich in 71° Norderbreite, etwas ſuͤdlich von der Gegend liegt, wo Parry auf ſeiner Polarreiſe uͤberwinterte. Parry beobachtete eine Neigung von 88¾°, und befand ſich alſo nicht weit von dem Puncte, wo die Neigung 90° betragen muß. Dieſer eine Punct iſt ziemlich genau bekannt und in der Charte (Taf. V.) noͤrdlich von America angegeben. Die Kruͤm- mung der Linien gleicher Neigung in Sibirien deutet auf einen eben ſolchen, aber ſehr im unzugaͤnglichen Norden liegenden, zweiten Punct hin, wo die Neigung 90° iſt, deſſen genaue Lage aber ſchwerer zu beſtimmen iſt, weil wir keine Beobachtungen aus Gegen- den, die ihm ſehr nahe ſind, erhalten koͤnnen. Und eben ſo wie es zwei noͤrdliche magnetiſche Pole der Erde giebt, (denn ſo koͤnnen wir jene Puncte nennen,) ſo zeigen uns die Linien gleicher Neigung auf der ſuͤdlichen Halbkugel, daß es dort einen magnetiſchen Suͤdpol ungefaͤhr in 70° Breite grade ſuͤdlich von Neuholland und einen Suͤdpol in noch groͤßerer Breite ſuͤdweſtlich von der ſuͤdlich- ſten Spitze America's geben muß. Die Zeichnung Tafel V. giebt die ungefaͤhre Lage der vier Pole an. Die Erde iſt ſelbſt ein Magnet. Die Erde zeigt ſich uns alſo ſelbſt als ein Magnet, als mit einer nur auf die magnetiſirten Koͤrper wirkenden Kraft be- gabt, wodurch in der noͤrdlichen Halbkugel der nach Norden zei- gende Pol der Nadel angezogen wird, in der ſuͤdlichen Halbkugel der nach Suͤden zeigende Pol. Ueberlegen wir nun, daß der Nord- pol eines Magnetes den Suͤdpol des andern anzieht, ſo erhellt, daß wir eigentlich dem Nord-Ende unſerer natuͤrlichen und kuͤnſt- lichen Magnete Suͤdpolaritaͤt beilegen muͤßten, weil dieſer Theil der Nadel vom Nordpole der Erde ſelbſt angezogen wird; und wirklich haben mehrere, vorzuͤglich franzoͤſiſche, Schriftſteller dieſen Ausdruck angenommen, daß ſie das nach Norden zeigende Ende der Nadel III. Ee

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Zitationshilfe: Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1832, S. 433. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre03_1832/447>, abgerufen am 23.11.2024.