ist die Neigung ungefähr 60°, in Ober-Italien 64°, in Paris 68°, in London 691/2°, u. s. w. Der magnetische Aequator der Erde selbst ist kein größester Kreis, sondern scheint, nach den von Hansteen, Morlet und andern zusammen gestellten Beobachtungen eine un- regelmäßige Linie zu bilden. Er schneidet nicht weit von der west- lichen africanischen Küste den Erd-Aequator, geht durch das atlan- tische Meer südlich von demselben fort, und entfernt sich in der Nähe der Küste Brasiliens am meisten, etwa 15° von demselben; im großen Südmeere findet sich, nicht weit von Neu-Guinea, ein zweiter Durchschnittspunct, und von da geht der magnetische Aequator nördlich vom Erd-Aequator fort, nördlich von Borneo und Ceylon vorbeigehend erreicht er in dem Meere zwischen der Indischen Halb-Insel und Africa seine größte Entfernung vom Erd-Aequator und kehrt so zu dem zuerst erwähnten Durch- schnittspuncte zurück. Und so wie dieser magnetische Aequator alle die Puncte auf der Erde verbindet, wo die Neigung der Magnet- nadel = 0°, so lassen sich auch für alle andern Neigungswinkel die Linien gleicher Neigung (isoclinische Linien) ziehen. Diese Linien zeigen, je größer die Neigung wird, desto mehr eine zweimalige Krümmung nach Süden und nach Norden, indem, so weit die Beobachtungen reichen, im östlichen Asien die Neigung in 50° nördl. geographischer Breite eben so groß ist als im mittlern Asien in 53° bis 55° nördl. Breite, und im atlantischen Meere in 40° Breite eben dieselbe Neigung statt findet, wie in Europa in 50° Breite, an der Grenze Asiens in 57° und in Kamt- schatka in 60° Breite. Etwas Aehnliches findet auf der südlichen Halbkugel statt. Die punctirten Linien zeigen in der Charte diese Linien gleicher Neigung.
Bis hieher habe ich die Beantwortung der Frage, ob es denn Puncte auf der Erde giebt, wo die Magnetnadel, welche vor dem Magnetisiren völlig äquilibrirt war, sich vertical stellt, wo die Neigung 90° ist, aufgeschoben, um das etwas unerwartet scheinende Resultat, daß es vier solche Puncte, zwei im Norden, zwei im Süden, giebt, vorzubereiten.
Gehen wir nämlich von unsern Gegenden aus, wo die Nei- gung 67° bis 68° ist, grade nach Norden, so müßten wir bis nach Spitzbergen (beinahe in 80° Breite) reisen, um die Nadel
iſt die Neigung ungefaͤhr 60°, in Ober-Italien 64°, in Paris 68°, in London 69½°, u. ſ. w. Der magnetiſche Aequator der Erde ſelbſt iſt kein groͤßeſter Kreis, ſondern ſcheint, nach den von Hanſteen, Morlet und andern zuſammen geſtellten Beobachtungen eine un- regelmaͤßige Linie zu bilden. Er ſchneidet nicht weit von der weſt- lichen africaniſchen Kuͤſte den Erd-Aequator, geht durch das atlan- tiſche Meer ſuͤdlich von demſelben fort, und entfernt ſich in der Naͤhe der Kuͤſte Braſiliens am meiſten, etwa 15° von demſelben; im großen Suͤdmeere findet ſich, nicht weit von Neu-Guinea, ein zweiter Durchſchnittspunct, und von da geht der magnetiſche Aequator noͤrdlich vom Erd-Aequator fort, noͤrdlich von Borneo und Ceylon vorbeigehend erreicht er in dem Meere zwiſchen der Indiſchen Halb-Inſel und Africa ſeine groͤßte Entfernung vom Erd-Aequator und kehrt ſo zu dem zuerſt erwaͤhnten Durch- ſchnittspuncte zuruͤck. Und ſo wie dieſer magnetiſche Aequator alle die Puncte auf der Erde verbindet, wo die Neigung der Magnet- nadel = 0°, ſo laſſen ſich auch fuͤr alle andern Neigungswinkel die Linien gleicher Neigung (iſocliniſche Linien) ziehen. Dieſe Linien zeigen, je groͤßer die Neigung wird, deſto mehr eine zweimalige Kruͤmmung nach Suͤden und nach Norden, indem, ſo weit die Beobachtungen reichen, im oͤſtlichen Aſien die Neigung in 50° noͤrdl. geographiſcher Breite eben ſo groß iſt als im mittlern Aſien in 53° bis 55° noͤrdl. Breite, und im atlantiſchen Meere in 40° Breite eben dieſelbe Neigung ſtatt findet, wie in Europa in 50° Breite, an der Grenze Aſiens in 57° und in Kamt- ſchatka in 60° Breite. Etwas Aehnliches findet auf der ſuͤdlichen Halbkugel ſtatt. Die punctirten Linien zeigen in der Charte dieſe Linien gleicher Neigung.
Bis hieher habe ich die Beantwortung der Frage, ob es denn Puncte auf der Erde giebt, wo die Magnetnadel, welche vor dem Magnetiſiren voͤllig aͤquilibrirt war, ſich vertical ſtellt, wo die Neigung 90° iſt, aufgeſchoben, um das etwas unerwartet ſcheinende Reſultat, daß es vier ſolche Puncte, zwei im Norden, zwei im Suͤden, giebt, vorzubereiten.
Gehen wir naͤmlich von unſern Gegenden aus, wo die Nei- gung 67° bis 68° iſt, grade nach Norden, ſo muͤßten wir bis nach Spitzbergen (beinahe in 80° Breite) reiſen, um die Nadel
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iſt die Neigung ungefaͤhr 60°, in Ober-Italien 64°, in Paris 68°,
in London 69½°, u. ſ. w. Der magnetiſche Aequator der Erde ſelbſt
iſt kein groͤßeſter Kreis, ſondern ſcheint, nach den von Hanſteen,
Morlet und andern zuſammen geſtellten Beobachtungen eine un-
regelmaͤßige Linie zu bilden. Er ſchneidet nicht weit von der weſt-
lichen africaniſchen Kuͤſte den Erd-Aequator, geht durch das atlan-
tiſche Meer ſuͤdlich von demſelben fort, und entfernt ſich in der
Naͤhe der Kuͤſte Braſiliens am meiſten, etwa 15° von demſelben;
im großen Suͤdmeere findet ſich, nicht weit von Neu-Guinea,
ein zweiter Durchſchnittspunct, und von da geht der magnetiſche
Aequator noͤrdlich vom Erd-Aequator fort, noͤrdlich von Borneo
und Ceylon vorbeigehend erreicht er in dem Meere zwiſchen der
Indiſchen Halb-Inſel und Africa ſeine groͤßte Entfernung vom
Erd-Aequator und kehrt ſo zu dem zuerſt erwaͤhnten Durch-
ſchnittspuncte zuruͤck. Und ſo wie dieſer magnetiſche Aequator alle
die Puncte auf der Erde verbindet, wo die Neigung der Magnet-
nadel = 0°, ſo laſſen ſich auch fuͤr alle andern Neigungswinkel die
Linien gleicher Neigung (iſocliniſche Linien) ziehen.
Dieſe Linien zeigen, je groͤßer die Neigung wird, deſto mehr eine
zweimalige Kruͤmmung nach Suͤden und nach Norden, indem, ſo
weit die Beobachtungen reichen, im oͤſtlichen Aſien die Neigung in
50° noͤrdl. geographiſcher Breite eben ſo groß iſt als im mittlern
Aſien in 53° bis 55° noͤrdl. Breite, und im atlantiſchen Meere
in 40° Breite eben dieſelbe Neigung ſtatt findet, wie in Europa
in 50° Breite, an der Grenze Aſiens in 57° und in Kamt-
ſchatka in 60° Breite. Etwas Aehnliches findet auf der ſuͤdlichen
Halbkugel ſtatt. Die punctirten Linien zeigen in der Charte dieſe
Linien gleicher Neigung.
Bis hieher habe ich die Beantwortung der Frage, ob es
denn Puncte auf der Erde giebt, wo die Magnetnadel, welche
vor dem Magnetiſiren voͤllig aͤquilibrirt war, ſich vertical ſtellt,
wo die Neigung 90° iſt, aufgeſchoben, um das etwas unerwartet
ſcheinende Reſultat, daß es vier ſolche Puncte, zwei im Norden,
zwei im Suͤden, giebt, vorzubereiten.
Gehen wir naͤmlich von unſern Gegenden aus, wo die Nei-
gung 67° bis 68° iſt, grade nach Norden, ſo muͤßten wir bis
nach Spitzbergen (beinahe in 80° Breite) reiſen, um die Nadel
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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1832, S. 432. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre03_1832/446>, abgerufen am 22.11.2024.
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