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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1832.

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so scheint es, man zerstöre die vorige Wirkung; aber wenn man
nur nicht N zu lange in A verweilen läßt und die Operation im-
mer nicht eher endigt, bis der Strich in B angekommen ist, so
schadet dieses nichts. Wenn wir uns vorstellen, daß die kleinsten
Theile des Magnetes oder die Theilchen der in ihnen enthaltenen
magnetischen Materie eine Aenderung der Lage annehmen, so scheint
es, daß diese durch die Erschütterung des Bestreichens in jedem
Augenblicke diejenige Aenderung der Lage erhalten, die der Stellung
des Magnetes gemäß ist, ja daß sie durch das nahe Vorübergehen
des Magnetes an ihnen vollkommener zu der Aenderung der Lage
veranlaßt werden, als wenn der Magnet bloß aus der Ferne, am
einen Ende berührend, auf sie gewirkt hätte. Indeß wenn auch
diese Vorstellung von der Aenderung der Lage jedes feinen Theil-
chens bloß eine hypothetische ist, so ist wenigstens der Erfolg ge-
wiß, daß bei jedem von A nach B mit dem Nordpole N vollendeten
Striche der Nordpol bei A, der Südpol bei B sich verstärkt hat.
Folgepuncte können auch hier entstehen, und man würde sie sogar
absichtlich hervorrufen können, wenn man an einem bestimmten
Puncte a mit dem Nordpole verweilte und über die benachbarten
Puncte ohne scharfe Berührung wegeilte, um die in a entstandene
Südpolarität nicht wieder zu zerstören.

Als Verbesserungen dieser Methode sind nach und nach fol-
gende bekannt geworden. Knight, der sich schon im Besitz sehr
starker Magnetstäbe befand, legte (Fig. 127.) zwei Magnetstäbe
mit ihren ungleichnamigen Polen an einander, so daß N, der Nord-
pol des einen, den Südpol s des andern berührte; auf sie ward
der zu magnetisirende Stahl AB so gelegt, daß jene beiden Pole
in seiner Mitte lagen. Schon durch die Berührung ward nun die
Hälfte B eingermaßen in den nordpolarischen Zustand versetzt, die
Hälfte A in den südpolarischen Zustand, und wenn man nun mit
einem etwas stärkern Andrücken beide Magnete gegen die Enden
A, B, aus einander zog, so ward B ein starker Nordpol, A ein
starker Südpol. Offenbar fand hier jene entgegengesetzte Wirkung
nicht statt, die bei der vorigen Methode den schon hervorgebrachten
Nordpol in einen Südpol schien verwandeln zu müssen; sondern
es mußte, je weiter s gegen B, N gegen A rückte, desto mehr der

ſo ſcheint es, man zerſtoͤre die vorige Wirkung; aber wenn man
nur nicht N zu lange in A verweilen laͤßt und die Operation im-
mer nicht eher endigt, bis der Strich in B angekommen iſt, ſo
ſchadet dieſes nichts. Wenn wir uns vorſtellen, daß die kleinſten
Theile des Magnetes oder die Theilchen der in ihnen enthaltenen
magnetiſchen Materie eine Aenderung der Lage annehmen, ſo ſcheint
es, daß dieſe durch die Erſchuͤtterung des Beſtreichens in jedem
Augenblicke diejenige Aenderung der Lage erhalten, die der Stellung
des Magnetes gemaͤß iſt, ja daß ſie durch das nahe Voruͤbergehen
des Magnetes an ihnen vollkommener zu der Aenderung der Lage
veranlaßt werden, als wenn der Magnet bloß aus der Ferne, am
einen Ende beruͤhrend, auf ſie gewirkt haͤtte. Indeß wenn auch
dieſe Vorſtellung von der Aenderung der Lage jedes feinen Theil-
chens bloß eine hypothetiſche iſt, ſo iſt wenigſtens der Erfolg ge-
wiß, daß bei jedem von A nach B mit dem Nordpole N vollendeten
Striche der Nordpol bei A, der Suͤdpol bei B ſich verſtaͤrkt hat.
Folgepuncte koͤnnen auch hier entſtehen, und man wuͤrde ſie ſogar
abſichtlich hervorrufen koͤnnen, wenn man an einem beſtimmten
Puncte a mit dem Nordpole verweilte und uͤber die benachbarten
Puncte ohne ſcharfe Beruͤhrung wegeilte, um die in a entſtandene
Suͤdpolaritaͤt nicht wieder zu zerſtoͤren.

Als Verbeſſerungen dieſer Methode ſind nach und nach fol-
gende bekannt geworden. Knight, der ſich ſchon im Beſitz ſehr
ſtarker Magnetſtaͤbe befand, legte (Fig. 127.) zwei Magnetſtaͤbe
mit ihren ungleichnamigen Polen an einander, ſo daß N, der Nord-
pol des einen, den Suͤdpol s des andern beruͤhrte; auf ſie ward
der zu magnetiſirende Stahl AB ſo gelegt, daß jene beiden Pole
in ſeiner Mitte lagen. Schon durch die Beruͤhrung ward nun die
Haͤlfte B eingermaßen in den nordpolariſchen Zuſtand verſetzt, die
Haͤlfte A in den ſuͤdpolariſchen Zuſtand, und wenn man nun mit
einem etwas ſtaͤrkern Andruͤcken beide Magnete gegen die Enden
A, B, aus einander zog, ſo ward B ein ſtarker Nordpol, A ein
ſtarker Suͤdpol. Offenbar fand hier jene entgegengeſetzte Wirkung
nicht ſtatt, die bei der vorigen Methode den ſchon hervorgebrachten
Nordpol in einen Suͤdpol ſchien verwandeln zu muͤſſen; ſondern
es mußte, je weiter s gegen B, N gegen A ruͤckte, deſto mehr der

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[415/0429] ſo ſcheint es, man zerſtoͤre die vorige Wirkung; aber wenn man nur nicht N zu lange in A verweilen laͤßt und die Operation im- mer nicht eher endigt, bis der Strich in B angekommen iſt, ſo ſchadet dieſes nichts. Wenn wir uns vorſtellen, daß die kleinſten Theile des Magnetes oder die Theilchen der in ihnen enthaltenen magnetiſchen Materie eine Aenderung der Lage annehmen, ſo ſcheint es, daß dieſe durch die Erſchuͤtterung des Beſtreichens in jedem Augenblicke diejenige Aenderung der Lage erhalten, die der Stellung des Magnetes gemaͤß iſt, ja daß ſie durch das nahe Voruͤbergehen des Magnetes an ihnen vollkommener zu der Aenderung der Lage veranlaßt werden, als wenn der Magnet bloß aus der Ferne, am einen Ende beruͤhrend, auf ſie gewirkt haͤtte. Indeß wenn auch dieſe Vorſtellung von der Aenderung der Lage jedes feinen Theil- chens bloß eine hypothetiſche iſt, ſo iſt wenigſtens der Erfolg ge- wiß, daß bei jedem von A nach B mit dem Nordpole N vollendeten Striche der Nordpol bei A, der Suͤdpol bei B ſich verſtaͤrkt hat. Folgepuncte koͤnnen auch hier entſtehen, und man wuͤrde ſie ſogar abſichtlich hervorrufen koͤnnen, wenn man an einem beſtimmten Puncte a mit dem Nordpole verweilte und uͤber die benachbarten Puncte ohne ſcharfe Beruͤhrung wegeilte, um die in a entſtandene Suͤdpolaritaͤt nicht wieder zu zerſtoͤren. Als Verbeſſerungen dieſer Methode ſind nach und nach fol- gende bekannt geworden. Knight, der ſich ſchon im Beſitz ſehr ſtarker Magnetſtaͤbe befand, legte (Fig. 127.) zwei Magnetſtaͤbe mit ihren ungleichnamigen Polen an einander, ſo daß N, der Nord- pol des einen, den Suͤdpol s des andern beruͤhrte; auf ſie ward der zu magnetiſirende Stahl AB ſo gelegt, daß jene beiden Pole in ſeiner Mitte lagen. Schon durch die Beruͤhrung ward nun die Haͤlfte B eingermaßen in den nordpolariſchen Zuſtand verſetzt, die Haͤlfte A in den ſuͤdpolariſchen Zuſtand, und wenn man nun mit einem etwas ſtaͤrkern Andruͤcken beide Magnete gegen die Enden A, B, aus einander zog, ſo ward B ein ſtarker Nordpol, A ein ſtarker Suͤdpol. Offenbar fand hier jene entgegengeſetzte Wirkung nicht ſtatt, die bei der vorigen Methode den ſchon hervorgebrachten Nordpol in einen Suͤdpol ſchien verwandeln zu muͤſſen; ſondern es mußte, je weiter s gegen B, N gegen A ruͤckte, deſto mehr der

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Zitationshilfe: Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1832, S. 415. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre03_1832/429>, abgerufen am 26.05.2024.