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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1832.

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durch Runddrechseln erhaltenen, breiten und sehr dünnen Fischbein
quer über die Fasern geschnitten wird. Wenn diese Fischbeinstreifen
sehr dünne und schmal bei bedeutender Länge sind, so dehnen sie
sich bei zunehmender Feuchtigkeit hinreichend aus, und verkürzen
sich, wenn die Luft trockener wird, und dieses in sehr kurzer Zeit.
Ebenso verhält es sich mit dem von Saussure angegebenen Haar-
hygrometer, welches aus einem, durch Auslaugen dazu besonders
bereiteten Menschenhaare besteht, dessen Verlängerung ein Zuneh-
men der Feuchtigkeit anzeigt. Der Streit zwischen Saussure
und Deluc über die Vorzüge des einen oder des andern Hygro-
meters ist beinahe vergessen, und ungeachtet der Vorwürfe, die
Deluc dem Haarhygrometer machte, hat dennoch das Haarhygro-
meter sich mehr im Gebrauche erhalten, als das Fischbeinhygrome-
ter, weil die quer über die Fasern geschnittenen Fischbeinstreifen so
ungemein fein sein müssen * und stärkere Streifen viel zu unem-
pfindlich für kleine Aenderungen der Feuchtigkeit der Luft sind.
Die Einrichtung beider Hygrometer ist fast dieselbe. Das Haar
wird (Fig. 32.) oben bei L mit seinem einen Ende in einer feinen
Zwinge befestigt, das andre Ende ist an dem äußern Umfange einer
runden Axe d so befestigt, daß noch ein Theil des Haares um die
Axe gewickelt ist. Verkürzt sich nun das Haar durch Trockenheit,
so dreht sich die Axe d und der mit ihr fest verbundene Zeiger df,
der auf dem Gradbogen die Aenderungen der Länge stark vergrößert
angiebt; und damit bei der Verlängerung des Haares dL durch
vermehrte Feuchtigkeit nicht das Haar schlaff bleibe, dient der Zeiger
dI selbst zu einem, das Haar immer spannenden, obgleich gerin-
gen, doch hiezu hinreichenden, Gegengewichte. Statt also daß die
größere Trockenheit durch Verkürzung des Haares, bei gleicher Ela-
sticität desselben, den Zeiger zu den niedrigern Feuchtigkeitsgraden
von 80 auf 70 u. s. w. fortführt, nöthiget das Gewicht des Zeigers
das länger gewordene Haar sich mehr aufzuwickeln und immer ge-
spannt zu bleiben.


* Deluc sagt, er habe Fischbeinstreifen von 1 Fuß lang, nur 1/4
Gran schwer gehabt, die ein Gewicht von 1/3 Unze trugen, und sich von
der größten Trockenheit bis zur größten Feuchtigkeit um mehr als
1 Zoll ausdehnten.

durch Runddrechſeln erhaltenen, breiten und ſehr duͤnnen Fiſchbein
quer uͤber die Faſern geſchnitten wird. Wenn dieſe Fiſchbeinſtreifen
ſehr duͤnne und ſchmal bei bedeutender Laͤnge ſind, ſo dehnen ſie
ſich bei zunehmender Feuchtigkeit hinreichend aus, und verkuͤrzen
ſich, wenn die Luft trockener wird, und dieſes in ſehr kurzer Zeit.
Ebenſo verhaͤlt es ſich mit dem von Sauſſure angegebenen Haar-
hygrometer, welches aus einem, durch Auslaugen dazu beſonders
bereiteten Menſchenhaare beſteht, deſſen Verlaͤngerung ein Zuneh-
men der Feuchtigkeit anzeigt. Der Streit zwiſchen Sauſſure
und Deluc uͤber die Vorzuͤge des einen oder des andern Hygro-
meters iſt beinahe vergeſſen, und ungeachtet der Vorwuͤrfe, die
Deluc dem Haarhygrometer machte, hat dennoch das Haarhygro-
meter ſich mehr im Gebrauche erhalten, als das Fiſchbeinhygrome-
ter, weil die quer uͤber die Faſern geſchnittenen Fiſchbeinſtreifen ſo
ungemein fein ſein muͤſſen * und ſtaͤrkere Streifen viel zu unem-
pfindlich fuͤr kleine Aenderungen der Feuchtigkeit der Luft ſind.
Die Einrichtung beider Hygrometer iſt faſt dieſelbe. Das Haar
wird (Fig. 32.) oben bei L mit ſeinem einen Ende in einer feinen
Zwinge befeſtigt, das andre Ende iſt an dem aͤußern Umfange einer
runden Axe d ſo befeſtigt, daß noch ein Theil des Haares um die
Axe gewickelt iſt. Verkuͤrzt ſich nun das Haar durch Trockenheit,
ſo dreht ſich die Axe d und der mit ihr feſt verbundene Zeiger df,
der auf dem Gradbogen die Aenderungen der Laͤnge ſtark vergroͤßert
angiebt; und damit bei der Verlaͤngerung des Haares dL durch
vermehrte Feuchtigkeit nicht das Haar ſchlaff bleibe, dient der Zeiger
dI ſelbſt zu einem, das Haar immer ſpannenden, obgleich gerin-
gen, doch hiezu hinreichenden, Gegengewichte. Statt alſo daß die
groͤßere Trockenheit durch Verkuͤrzung des Haares, bei gleicher Ela-
ſticitaͤt desſelben, den Zeiger zu den niedrigern Feuchtigkeitsgraden
von 80 auf 70 u. ſ. w. fortfuͤhrt, noͤthiget das Gewicht des Zeigers
das laͤnger gewordene Haar ſich mehr aufzuwickeln und immer ge-
ſpannt zu bleiben.


* Deluc ſagt, er habe Fiſchbeinſtreifen von 1 Fuß lang, nur ¼
Gran ſchwer gehabt, die ein Gewicht von ⅓ Unze trugen, und ſich von
der groͤßten Trockenheit bis zur groͤßten Feuchtigkeit um mehr als
1 Zoll ausdehnten.
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[146/0160] durch Runddrechſeln erhaltenen, breiten und ſehr duͤnnen Fiſchbein quer uͤber die Faſern geſchnitten wird. Wenn dieſe Fiſchbeinſtreifen ſehr duͤnne und ſchmal bei bedeutender Laͤnge ſind, ſo dehnen ſie ſich bei zunehmender Feuchtigkeit hinreichend aus, und verkuͤrzen ſich, wenn die Luft trockener wird, und dieſes in ſehr kurzer Zeit. Ebenſo verhaͤlt es ſich mit dem von Sauſſure angegebenen Haar- hygrometer, welches aus einem, durch Auslaugen dazu beſonders bereiteten Menſchenhaare beſteht, deſſen Verlaͤngerung ein Zuneh- men der Feuchtigkeit anzeigt. Der Streit zwiſchen Sauſſure und Deluc uͤber die Vorzuͤge des einen oder des andern Hygro- meters iſt beinahe vergeſſen, und ungeachtet der Vorwuͤrfe, die Deluc dem Haarhygrometer machte, hat dennoch das Haarhygro- meter ſich mehr im Gebrauche erhalten, als das Fiſchbeinhygrome- ter, weil die quer uͤber die Faſern geſchnittenen Fiſchbeinſtreifen ſo ungemein fein ſein muͤſſen * und ſtaͤrkere Streifen viel zu unem- pfindlich fuͤr kleine Aenderungen der Feuchtigkeit der Luft ſind. Die Einrichtung beider Hygrometer iſt faſt dieſelbe. Das Haar wird (Fig. 32.) oben bei L mit ſeinem einen Ende in einer feinen Zwinge befeſtigt, das andre Ende iſt an dem aͤußern Umfange einer runden Axe d ſo befeſtigt, daß noch ein Theil des Haares um die Axe gewickelt iſt. Verkuͤrzt ſich nun das Haar durch Trockenheit, ſo dreht ſich die Axe d und der mit ihr feſt verbundene Zeiger df, der auf dem Gradbogen die Aenderungen der Laͤnge ſtark vergroͤßert angiebt; und damit bei der Verlaͤngerung des Haares dL durch vermehrte Feuchtigkeit nicht das Haar ſchlaff bleibe, dient der Zeiger dI ſelbſt zu einem, das Haar immer ſpannenden, obgleich gerin- gen, doch hiezu hinreichenden, Gegengewichte. Statt alſo daß die groͤßere Trockenheit durch Verkuͤrzung des Haares, bei gleicher Ela- ſticitaͤt desſelben, den Zeiger zu den niedrigern Feuchtigkeitsgraden von 80 auf 70 u. ſ. w. fortfuͤhrt, noͤthiget das Gewicht des Zeigers das laͤnger gewordene Haar ſich mehr aufzuwickeln und immer ge- ſpannt zu bleiben. * Deluc ſagt, er habe Fiſchbeinſtreifen von 1 Fuß lang, nur ¼ Gran ſchwer gehabt, die ein Gewicht von ⅓ Unze trugen, und ſich von der groͤßten Trockenheit bis zur groͤßten Feuchtigkeit um mehr als 1 Zoll ausdehnten.

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Zitationshilfe: Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1832, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre03_1832/160>, abgerufen am 27.11.2024.