Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1831.

Bild:
<< vorherige Seite

daß eine zehnmal so weit hinausgerückte Lichtflamme uns nur ein
Zehntel so hoch und ein Zehntel so breit erscheint, als in der nähern
Stellung, und deshalb ist die Erleuchtung nur ein Hunderttel der-
jenigen Erleuchtung, welche von eben der Lichtflamme in der nä-
hern Stellung hervorgebracht wurde; aber die scheinbare Helligkeit
jedes Theiles ist gleich. Denn, wenn bei der ersten Stellung der
Lichtflamme eine Quadratlinie, ein Raum von 1 Linie lang und
breit, uns in Hinsicht auf Länge und Breite unter einem gewissen
Sehewinkel erschien, so ging die, diesem Sehewinkel entsprechende,
gesehene Helligkeit nur aus dem Lichte einer Quadratlinie hervor;
ist dagegen die Flamme zehnmal so weit hinausgerückt, so tragen
100 Quadratlinien der Flamme zu dem Lichte bei, welches uns
in eben dem scheinbaren Raume, eben dem Sehewinkel entsprechend,
erscheint, und so kann es nicht anders sein, als daß die Intensität
des Lichtes dieselbe bleibt. Dem Saturnbewohner erscheint daher,
abgesehen davon, daß vielleicht eine den Weltraum erfüllende feine
Materie das Licht schwächen mag, die Sonne ebenso blendend als
uns, obgleich ihre Scheibe ihm nur ein Hunderttel mal so groß er-
scheint, das heißt, wenn wir durch eine Oeffnung nur einen Theil
der Sonne, ein Zehntel so groß im Durchmesser als die ganze
Sonne, sehen, so stellt dieser Theil der Sonne uns ein genaues
Bild dessen dar, was wir auf dem Saturn beim freien Anblicke
der Sonne sehen würden.

Nach diesen Ueberlegungen beurtheilen wir den ganzen Ein-
druck, den das Licht der verschiedenen Planeten auf unser Auge
machen müßte, wenn sie alle, als ihrer Natur nach gleich, zum
Beispiel alle gleich weiß, uns ihre Erleuchtung gleich gut zeigten.
Saturn ist ungefähr 10 mal so weit als unser Mond von der
Sonne entfernt, also jeder Theil seiner Oberfläche so stark als
die des Mondes erleuchtet; aber da er uns nur 19 Secunden im
Durchmesser zu haben scheint, also seine Scheibe uns nur ungefähr
so groß als die Mondscheibe erscheint, so giebt er uns nur
so viel Erleuchtung, als der zehntausendste Theil der Mondscheibe
mit ein Hunderttel des Mondlichtes thun würde, das heißt nur
ein Milliontel der Erleuchtung, welche der Mond uns giebt. --
Daß diese Abschätzungen indeß nur oberflächlich sein können, da wir

daß eine zehnmal ſo weit hinausgeruͤckte Lichtflamme uns nur ein
Zehntel ſo hoch und ein Zehntel ſo breit erſcheint, als in der naͤhern
Stellung, und deshalb iſt die Erleuchtung nur ein Hunderttel der-
jenigen Erleuchtung, welche von eben der Lichtflamme in der naͤ-
hern Stellung hervorgebracht wurde; aber die ſcheinbare Helligkeit
jedes Theiles iſt gleich. Denn, wenn bei der erſten Stellung der
Lichtflamme eine Quadratlinie, ein Raum von 1 Linie lang und
breit, uns in Hinſicht auf Laͤnge und Breite unter einem gewiſſen
Sehewinkel erſchien, ſo ging die, dieſem Sehewinkel entſprechende,
geſehene Helligkeit nur aus dem Lichte einer Quadratlinie hervor;
iſt dagegen die Flamme zehnmal ſo weit hinausgeruͤckt, ſo tragen
100 Quadratlinien der Flamme zu dem Lichte bei, welches uns
in eben dem ſcheinbaren Raume, eben dem Sehewinkel entſprechend,
erſcheint, und ſo kann es nicht anders ſein, als daß die Intenſitaͤt
des Lichtes dieſelbe bleibt. Dem Saturnbewohner erſcheint daher,
abgeſehen davon, daß vielleicht eine den Weltraum erfuͤllende feine
Materie das Licht ſchwaͤchen mag, die Sonne ebenſo blendend als
uns, obgleich ihre Scheibe ihm nur ein Hunderttel mal ſo groß er-
ſcheint, das heißt, wenn wir durch eine Oeffnung nur einen Theil
der Sonne, ein Zehntel ſo groß im Durchmeſſer als die ganze
Sonne, ſehen, ſo ſtellt dieſer Theil der Sonne uns ein genaues
Bild deſſen dar, was wir auf dem Saturn beim freien Anblicke
der Sonne ſehen wuͤrden.

Nach dieſen Ueberlegungen beurtheilen wir den ganzen Ein-
druck, den das Licht der verſchiedenen Planeten auf unſer Auge
machen muͤßte, wenn ſie alle, als ihrer Natur nach gleich, zum
Beiſpiel alle gleich weiß, uns ihre Erleuchtung gleich gut zeigten.
Saturn iſt ungefaͤhr 10 mal ſo weit als unſer Mond von der
Sonne entfernt, alſo jeder Theil ſeiner Oberflaͤche ſo ſtark als
die des Mondes erleuchtet; aber da er uns nur 19 Secunden im
Durchmeſſer zu haben ſcheint, alſo ſeine Scheibe uns nur ungefaͤhr
ſo groß als die Mondſcheibe erſcheint, ſo giebt er uns nur
ſo viel Erleuchtung, als der zehntauſendſte Theil der Mondſcheibe
mit ein Hunderttel des Mondlichtes thun wuͤrde, das heißt nur
ein Milliontel der Erleuchtung, welche der Mond uns giebt. —
Daß dieſe Abſchaͤtzungen indeß nur oberflaͤchlich ſein koͤnnen, da wir

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0087" n="73"/>
daß eine zehnmal &#x017F;o                         weit hinausgeru&#x0364;ckte Lichtflamme uns nur ein<lb/>
Zehntel                         &#x017F;o hoch und ein Zehntel &#x017F;o breit er&#x017F;cheint,                         als in der na&#x0364;hern<lb/>
Stellung, und deshalb i&#x017F;t die                         Erleuchtung nur ein Hunderttel der-<lb/>
jenigen Erleuchtung, welche von eben                         der Lichtflamme in der na&#x0364;-<lb/>
hern Stellung hervorgebracht                         wurde; aber die &#x017F;cheinbare Helligkeit<lb/>
jedes Theiles                         i&#x017F;t gleich. Denn, wenn bei der er&#x017F;ten Stellung                         der<lb/>
Lichtflamme eine Quadratlinie, ein Raum von 1 Linie lang                         und<lb/>
breit, uns in Hin&#x017F;icht auf La&#x0364;nge und Breite                         unter einem gewi&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Sehewinkel                         er&#x017F;chien, &#x017F;o ging die, die&#x017F;em Sehewinkel                         ent&#x017F;prechende,<lb/>
ge&#x017F;ehene Helligkeit nur aus dem                         Lichte einer Quadratlinie hervor;<lb/>
i&#x017F;t dagegen die Flamme                         zehnmal &#x017F;o weit hinausgeru&#x0364;ckt, &#x017F;o                         tragen<lb/>
100 Quadratlinien der Flamme zu dem Lichte bei, welches                         uns<lb/>
in eben dem &#x017F;cheinbaren Raume, eben dem Sehewinkel                         ent&#x017F;prechend,<lb/>
er&#x017F;cheint, und &#x017F;o kann es                         nicht anders &#x017F;ein, als daß die                         Inten&#x017F;ita&#x0364;t<lb/>
des Lichtes die&#x017F;elbe                         bleibt. Dem Saturnbewohner er&#x017F;cheint                         daher,<lb/>
abge&#x017F;ehen davon, daß vielleicht eine den Weltraum                         erfu&#x0364;llende feine<lb/>
Materie das Licht                         &#x017F;chwa&#x0364;chen mag, die Sonne eben&#x017F;o blendend                         als<lb/>
uns, obgleich ihre Scheibe ihm nur ein Hunderttel mal &#x017F;o                         groß er-<lb/>
&#x017F;cheint, das heißt, wenn wir durch eine Oeffnung nur                         einen Theil<lb/>
der Sonne, ein Zehntel &#x017F;o groß im                         Durchme&#x017F;&#x017F;er als die ganze<lb/>
Sonne, &#x017F;ehen,                         &#x017F;o &#x017F;tellt die&#x017F;er Theil der Sonne uns ein                         genaues<lb/>
Bild de&#x017F;&#x017F;en dar, was wir auf dem <hi rendition="#g">Saturn</hi> beim freien Anblicke<lb/>
der Sonne                         &#x017F;ehen wu&#x0364;rden.</p><lb/>
          <p>Nach die&#x017F;en Ueberlegungen beurtheilen wir den ganzen                         Ein-<lb/>
druck, den das Licht der ver&#x017F;chiedenen Planeten auf                         un&#x017F;er Auge<lb/>
machen mu&#x0364;ßte, wenn &#x017F;ie                         alle, als ihrer Natur nach gleich, zum<lb/>
Bei&#x017F;piel alle gleich                         weiß, uns ihre Erleuchtung gleich gut zeigten.<lb/>
Saturn i&#x017F;t                         ungefa&#x0364;hr 10 mal &#x017F;o weit als un&#x017F;er Mond von                         der<lb/>
Sonne entfernt, al&#x017F;o jeder Theil &#x017F;einer                         Oberfla&#x0364;che <formula notation="TeX">\frac{1}{100}</formula> &#x017F;o &#x017F;tark als<lb/>
die des Mondes erleuchtet; aber                         da er uns nur 19 Secunden im<lb/>
Durchme&#x017F;&#x017F;er zu haben                         &#x017F;cheint, al&#x017F;o &#x017F;eine Scheibe uns nur ungefa&#x0364;hr<lb/><formula notation="TeX">\frac{1}{10000}</formula> &#x017F;o groß als die Mond&#x017F;cheibe er&#x017F;cheint,                         &#x017F;o giebt er uns nur<lb/>
&#x017F;o viel Erleuchtung, als der                         zehntau&#x017F;end&#x017F;te Theil der                         Mond&#x017F;cheibe<lb/>
mit ein Hunderttel des Mondlichtes thun                         wu&#x0364;rde, das heißt nur<lb/>
ein Milliontel der Erleuchtung, welche                         der Mond uns giebt. &#x2014;<lb/>
Daß die&#x017F;e                         Ab&#x017F;cha&#x0364;tzungen indeß nur oberfla&#x0364;chlich                         &#x017F;ein ko&#x0364;nnen, da wir<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[73/0087] daß eine zehnmal ſo weit hinausgeruͤckte Lichtflamme uns nur ein Zehntel ſo hoch und ein Zehntel ſo breit erſcheint, als in der naͤhern Stellung, und deshalb iſt die Erleuchtung nur ein Hunderttel der- jenigen Erleuchtung, welche von eben der Lichtflamme in der naͤ- hern Stellung hervorgebracht wurde; aber die ſcheinbare Helligkeit jedes Theiles iſt gleich. Denn, wenn bei der erſten Stellung der Lichtflamme eine Quadratlinie, ein Raum von 1 Linie lang und breit, uns in Hinſicht auf Laͤnge und Breite unter einem gewiſſen Sehewinkel erſchien, ſo ging die, dieſem Sehewinkel entſprechende, geſehene Helligkeit nur aus dem Lichte einer Quadratlinie hervor; iſt dagegen die Flamme zehnmal ſo weit hinausgeruͤckt, ſo tragen 100 Quadratlinien der Flamme zu dem Lichte bei, welches uns in eben dem ſcheinbaren Raume, eben dem Sehewinkel entſprechend, erſcheint, und ſo kann es nicht anders ſein, als daß die Intenſitaͤt des Lichtes dieſelbe bleibt. Dem Saturnbewohner erſcheint daher, abgeſehen davon, daß vielleicht eine den Weltraum erfuͤllende feine Materie das Licht ſchwaͤchen mag, die Sonne ebenſo blendend als uns, obgleich ihre Scheibe ihm nur ein Hunderttel mal ſo groß er- ſcheint, das heißt, wenn wir durch eine Oeffnung nur einen Theil der Sonne, ein Zehntel ſo groß im Durchmeſſer als die ganze Sonne, ſehen, ſo ſtellt dieſer Theil der Sonne uns ein genaues Bild deſſen dar, was wir auf dem Saturn beim freien Anblicke der Sonne ſehen wuͤrden. Nach dieſen Ueberlegungen beurtheilen wir den ganzen Ein- druck, den das Licht der verſchiedenen Planeten auf unſer Auge machen muͤßte, wenn ſie alle, als ihrer Natur nach gleich, zum Beiſpiel alle gleich weiß, uns ihre Erleuchtung gleich gut zeigten. Saturn iſt ungefaͤhr 10 mal ſo weit als unſer Mond von der Sonne entfernt, alſo jeder Theil ſeiner Oberflaͤche [FORMEL] ſo ſtark als die des Mondes erleuchtet; aber da er uns nur 19 Secunden im Durchmeſſer zu haben ſcheint, alſo ſeine Scheibe uns nur ungefaͤhr [FORMEL] ſo groß als die Mondſcheibe erſcheint, ſo giebt er uns nur ſo viel Erleuchtung, als der zehntauſendſte Theil der Mondſcheibe mit ein Hunderttel des Mondlichtes thun wuͤrde, das heißt nur ein Milliontel der Erleuchtung, welche der Mond uns giebt. — Daß dieſe Abſchaͤtzungen indeß nur oberflaͤchlich ſein koͤnnen, da wir

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre02_1831
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre02_1831/87
Zitationshilfe: Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1831, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre02_1831/87>, abgerufen am 12.05.2024.