Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1831.

Bild:
<< vorherige Seite

von der Sonne, wo ungefähr die Nebensonnen f, g, beobachtet
worden sind. Ob diese Erklärung ganz ausreicht, das wage ich
nicht zu entscheiden; aber sie ist wenigstens bis jetzt die einzige, die
einiges Gewicht zu haben scheint, und das silberweiße Ansehen dieser
Nebensonnen deutet auf das Entstehen aus der vollkommenen
Spiegelung in den Prismen hin *).

Die Erklärung der beiden geneigten Kreise rhma, shla muß
ohne Zweifel auf eben den Gründen beruhen, wie die Erklärung des
weißen Horizontalkreises, also auf Spiegelung in den Schneenadeln.
Da nun die Schneenadeln sich immer unter Winkeln von 60
Graden vereinigen, so giebt es an den verticalen Nadeln gewiß
unzählige, die unter 60 Grad geneigt sind, und wenn diese oder
eine überwiegende Zahl von ihnen eine parallele Lage haben, so
müssen solche helle Kreise entstehen. Ihre Seltenheit hängt wohl
davon ab, daß nur selten diese parallele Lage statt findet.

Der schwierigste Theil des Phänomens sind die Berührungs-
bogen, die sich oben und unten an den Ringen zeigen, und
auch in 60 Grad Abstand von dem untern Puncte vorkommen.
Es ist wieder wohl anzunehmen, daß die Erklärung, welche für die
obern und untern Berührungsbogen paßt, auch für die seitwärts
liegenden tt, vv, passen wird, wenn man auf Nadeln Rücksicht
nimmt, die unter einem Winkel von 60 Graden mit denen ver-
bunden sind, welchen jene Bogen ihr Entstehen verdanken. Unter
den Eisnadeln, welche das Entstehen des ersten Ringes bewirken,
müssen diejenigen, die grade oberhalb oder unterhalb der Sonne
liegen, eine horizontale Lage haben; aber unter den horizontalen
Prismen sind nicht diese allein es, die wirksame Strahlen zum
Auge senden können, sondern wenn in irgend einer Schichte der
Atmosphäre viele horizontale Schneenadeln vorhanden sind, so muß
sich auch neben dem obern und neben dem untern Theile des ersten

*) Um nicht mehr zu behaupten, als sich mit Sicherheit vertheidigen
läßt, will ich die Bemerkung beifügen, daß es zweifelhaft bleibt, in
welchem Grade hervorglänzend das Licht der so bestimmten Nebensonnen
sein könnte, daß aber die genaue Untersuchung dieses aus voller Spie-
gelung entstehenden Sonnenbildes doch wahrscheinlich zu der Erklärung
führen muß, da das Silberweiß dieser Nebensonnen so sehr hiefür spricht.

von der Sonne, wo ungefaͤhr die Nebenſonnen f, g, beobachtet
worden ſind. Ob dieſe Erklaͤrung ganz ausreicht, das wage ich
nicht zu entſcheiden; aber ſie iſt wenigſtens bis jetzt die einzige, die
einiges Gewicht zu haben ſcheint, und das ſilberweiße Anſehen dieſer
Nebenſonnen deutet auf das Entſtehen aus der vollkommenen
Spiegelung in den Prismen hin *).

Die Erklaͤrung der beiden geneigten Kreiſe rhma, shla muß
ohne Zweifel auf eben den Gruͤnden beruhen, wie die Erklaͤrung des
weißen Horizontalkreiſes, alſo auf Spiegelung in den Schneenadeln.
Da nun die Schneenadeln ſich immer unter Winkeln von 60
Graden vereinigen, ſo giebt es an den verticalen Nadeln gewiß
unzaͤhlige, die unter 60 Grad geneigt ſind, und wenn dieſe oder
eine uͤberwiegende Zahl von ihnen eine parallele Lage haben, ſo
muͤſſen ſolche helle Kreiſe entſtehen. Ihre Seltenheit haͤngt wohl
davon ab, daß nur ſelten dieſe parallele Lage ſtatt findet.

Der ſchwierigſte Theil des Phaͤnomens ſind die Beruͤhrungs-
bogen, die ſich oben und unten an den Ringen zeigen, und
auch in 60 Grad Abſtand von dem untern Puncte vorkommen.
Es iſt wieder wohl anzunehmen, daß die Erklaͤrung, welche fuͤr die
obern und untern Beruͤhrungsbogen paßt, auch fuͤr die ſeitwaͤrts
liegenden tt, vv, paſſen wird, wenn man auf Nadeln Ruͤckſicht
nimmt, die unter einem Winkel von 60 Graden mit denen ver-
bunden ſind, welchen jene Bogen ihr Entſtehen verdanken. Unter
den Eisnadeln, welche das Entſtehen des erſten Ringes bewirken,
muͤſſen diejenigen, die grade oberhalb oder unterhalb der Sonne
liegen, eine horizontale Lage haben; aber unter den horizontalen
Prismen ſind nicht dieſe allein es, die wirkſame Strahlen zum
Auge ſenden koͤnnen, ſondern wenn in irgend einer Schichte der
Atmoſphaͤre viele horizontale Schneenadeln vorhanden ſind, ſo muß
ſich auch neben dem obern und neben dem untern Theile des erſten

*) Um nicht mehr zu behaupten, als ſich mit Sicherheit vertheidigen
laͤßt, will ich die Bemerkung beifuͤgen, daß es zweifelhaft bleibt, in
welchem Grade hervorglaͤnzend das Licht der ſo beſtimmten Nebenſonnen
ſein koͤnnte, daß aber die genaue Unterſuchung dieſes aus voller Spie-
gelung entſtehenden Sonnenbildes doch wahrſcheinlich zu der Erklaͤrung
fuͤhren muß, da das Silberweiß dieſer Nebenſonnen ſo ſehr hiefuͤr ſpricht.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0228" n="214"/>
von der Sonne, wo ungefa&#x0364;hr die                         Neben&#x017F;onnen <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">f, g,</hi></hi> beobachtet<lb/>
worden &#x017F;ind. Ob die&#x017F;e                         Erkla&#x0364;rung ganz ausreicht, das wage ich<lb/>
nicht zu                         ent&#x017F;cheiden; aber &#x017F;ie i&#x017F;t                         wenig&#x017F;tens bis jetzt die einzige, die<lb/>
einiges Gewicht zu                         haben &#x017F;cheint, und das &#x017F;ilberweiße An&#x017F;ehen                         die&#x017F;er<lb/>
Neben&#x017F;onnen deutet auf das                         Ent&#x017F;tehen aus der vollkommenen<lb/>
Spiegelung in den Prismen hin                             <note place="foot" n="*)">Um nicht mehr zu behaupten, als                             &#x017F;ich mit Sicherheit vertheidigen<lb/>
la&#x0364;ßt, will                             ich die Bemerkung beifu&#x0364;gen, daß es zweifelhaft bleibt,                             in<lb/>
welchem Grade hervorgla&#x0364;nzend das Licht der                             &#x017F;o be&#x017F;timmten                             Neben&#x017F;onnen<lb/>
&#x017F;ein ko&#x0364;nnte, daß aber                             die genaue Unter&#x017F;uchung die&#x017F;es aus voller                             Spie-<lb/>
gelung ent&#x017F;tehenden Sonnenbildes doch                             wahr&#x017F;cheinlich zu der                             Erkla&#x0364;rung<lb/>
fu&#x0364;hren muß, da das Silberweiß                             die&#x017F;er Neben&#x017F;onnen &#x017F;o &#x017F;ehr                             hiefu&#x0364;r &#x017F;pricht.</note>.</p><lb/>
          <p>Die Erkla&#x0364;rung der beiden geneigten Krei&#x017F;e <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">rhma, shla</hi></hi> muß<lb/>
ohne Zweifel auf eben den Gru&#x0364;nden beruhen, wie die                         Erkla&#x0364;rung des<lb/>
weißen Horizontalkrei&#x017F;es,                         al&#x017F;o auf Spiegelung in den Schneenadeln.<lb/>
Da nun die                         Schneenadeln &#x017F;ich immer unter Winkeln von 60<lb/>
Graden                         vereinigen, &#x017F;o giebt es an den verticalen Nadeln                         gewiß<lb/>
unza&#x0364;hlige, die unter 60 Grad geneigt &#x017F;ind,                         und wenn die&#x017F;e oder<lb/>
eine u&#x0364;berwiegende Zahl von                         ihnen eine parallele Lage haben,                         &#x017F;o<lb/>
mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en &#x017F;olche                         helle Krei&#x017F;e ent&#x017F;tehen. Ihre Seltenheit                         ha&#x0364;ngt wohl<lb/>
davon ab, daß nur &#x017F;elten                         die&#x017F;e parallele Lage &#x017F;tatt findet.</p><lb/>
          <p>Der &#x017F;chwierig&#x017F;te Theil des Pha&#x0364;nomens                         &#x017F;ind die Beru&#x0364;hrungs-<lb/>
bogen, die &#x017F;ich                         oben und unten an den Ringen zeigen, und<lb/>
auch in 60 Grad                         Ab&#x017F;tand von dem untern Puncte vorkommen.<lb/>
Es i&#x017F;t                         wieder wohl anzunehmen, daß die Erkla&#x0364;rung, welche                         fu&#x0364;r die<lb/>
obern und untern Beru&#x0364;hrungsbogen paßt,                         auch fu&#x0364;r die &#x017F;eitwa&#x0364;rts<lb/>
liegenden <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">tt, vv,</hi></hi> pa&#x017F;&#x017F;en wird, wenn man auf Nadeln                         Ru&#x0364;ck&#x017F;icht<lb/>
nimmt, die unter einem Winkel von 60                         Graden mit denen ver-<lb/>
bunden &#x017F;ind, welchen jene Bogen ihr                         Ent&#x017F;tehen verdanken. Unter<lb/>
den Eisnadeln, welche das                         Ent&#x017F;tehen des er&#x017F;ten Ringes                         bewirken,<lb/>
mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en diejenigen, die grade                         oberhalb oder unterhalb der Sonne<lb/>
liegen, eine horizontale Lage haben;                         aber unter den horizontalen<lb/>
Prismen &#x017F;ind nicht                         die&#x017F;e allein es, die wirk&#x017F;ame Strahlen zum<lb/>
Auge                         &#x017F;enden ko&#x0364;nnen, &#x017F;ondern wenn in irgend                         einer Schichte der<lb/>
Atmo&#x017F;pha&#x0364;re viele horizontale                         Schneenadeln vorhanden &#x017F;ind, &#x017F;o                         muß<lb/>
&#x017F;ich auch neben dem obern und neben dem untern Theile des                             er&#x017F;ten<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[214/0228] von der Sonne, wo ungefaͤhr die Nebenſonnen f, g, beobachtet worden ſind. Ob dieſe Erklaͤrung ganz ausreicht, das wage ich nicht zu entſcheiden; aber ſie iſt wenigſtens bis jetzt die einzige, die einiges Gewicht zu haben ſcheint, und das ſilberweiße Anſehen dieſer Nebenſonnen deutet auf das Entſtehen aus der vollkommenen Spiegelung in den Prismen hin *). Die Erklaͤrung der beiden geneigten Kreiſe rhma, shla muß ohne Zweifel auf eben den Gruͤnden beruhen, wie die Erklaͤrung des weißen Horizontalkreiſes, alſo auf Spiegelung in den Schneenadeln. Da nun die Schneenadeln ſich immer unter Winkeln von 60 Graden vereinigen, ſo giebt es an den verticalen Nadeln gewiß unzaͤhlige, die unter 60 Grad geneigt ſind, und wenn dieſe oder eine uͤberwiegende Zahl von ihnen eine parallele Lage haben, ſo muͤſſen ſolche helle Kreiſe entſtehen. Ihre Seltenheit haͤngt wohl davon ab, daß nur ſelten dieſe parallele Lage ſtatt findet. Der ſchwierigſte Theil des Phaͤnomens ſind die Beruͤhrungs- bogen, die ſich oben und unten an den Ringen zeigen, und auch in 60 Grad Abſtand von dem untern Puncte vorkommen. Es iſt wieder wohl anzunehmen, daß die Erklaͤrung, welche fuͤr die obern und untern Beruͤhrungsbogen paßt, auch fuͤr die ſeitwaͤrts liegenden tt, vv, paſſen wird, wenn man auf Nadeln Ruͤckſicht nimmt, die unter einem Winkel von 60 Graden mit denen ver- bunden ſind, welchen jene Bogen ihr Entſtehen verdanken. Unter den Eisnadeln, welche das Entſtehen des erſten Ringes bewirken, muͤſſen diejenigen, die grade oberhalb oder unterhalb der Sonne liegen, eine horizontale Lage haben; aber unter den horizontalen Prismen ſind nicht dieſe allein es, die wirkſame Strahlen zum Auge ſenden koͤnnen, ſondern wenn in irgend einer Schichte der Atmoſphaͤre viele horizontale Schneenadeln vorhanden ſind, ſo muß ſich auch neben dem obern und neben dem untern Theile des erſten *) Um nicht mehr zu behaupten, als ſich mit Sicherheit vertheidigen laͤßt, will ich die Bemerkung beifuͤgen, daß es zweifelhaft bleibt, in welchem Grade hervorglaͤnzend das Licht der ſo beſtimmten Nebenſonnen ſein koͤnnte, daß aber die genaue Unterſuchung dieſes aus voller Spie- gelung entſtehenden Sonnenbildes doch wahrſcheinlich zu der Erklaͤrung fuͤhren muß, da das Silberweiß dieſer Nebenſonnen ſo ſehr hiefuͤr ſpricht.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre02_1831
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre02_1831/228
Zitationshilfe: Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1831, S. 214. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre02_1831/228>, abgerufen am 11.05.2024.