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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1831.

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der wichtigste Theil des Auges, liegt, aber jener schwarze Kreis
selbst ist nur die Oeffnung in der Regenbogenhaut. Das Auge ist
also, sofern wir es hier, in Beziehung auf die Haupt-Umstände
des Sehens, zu betrachten nöthig haben, vorne durch die kugel-
förmig gebildete Hornhaut F, hinten durch eine die ganze Höh-
lung EE bekleidende Nervenhaut begrenzt. In dieser Höh-
lung befindet sich zwischen der Hornhaut und der Linse I die wässe-
rige Feuchtigkeit, die das Licht ungefähr in eben dem Maaße wie
Wasser bricht, hinter der Linse und bis an den Boden des Auges
ist der Raum mit der glasartigen, einem durchsichtigen Gallert
gleichenden Flüssigkeit ausgefüllt; die Linse selbst aber ist ein con-
sistenter, durchsichtiger Körper, der an seiner vorderen Seite mit
etwas flacherer, an seiner hintern Seite mit etwas stärkerer Wöl-
bung in der That eine Linsenform darstellt, und das Licht etwas
stärker als die beiden an ihm anliegenden Feuchtigkeiten bricht.

Indem nun die Lichtstrahlen auf die Hornhaut und durch sie
an die wässerige Feuchtigkeit gelangen, werden sie gegen die Axe
des Auges zu gebrochen, und zwar so, daß sie etwa 15 Linien hin-
ter der Hornhaut ein Bild sehr entfernter Gegenstände darstellen
würden, wenn nicht die Linse sie stärker bräche; beim Eintritt in
die Linse und beim Austritt aus der Linse werden sie zu einer grö-
ßern Convergenz gebracht, so daß sie etwa 8 Linien hinter der Linse,
das ist, etwa 111/2 Linien hinter der Hornhaut sich zu einem Bilde
vereinigen. Grade hier aber, und dieses mit so großer Genauig-
keit, als es die Abmessung der Krümmung der Hornhaut und der
Linse zu bestimmen gestattet, befindet sich der mit der Nervenhaut
oder Netzhaut bedeckte Boden des Auges, der also dieses Bild
aufnimmt. Die aus dem Sehenerven ausgehende Netzhaut im
Auge muß also ohne Zweifel dadurch, daß sie durch die auffallenden
Lichtstrahlen gereizt wird, der Seele die Vorstellungen, die wir
dem Gesichte zuschreiben, zuführen. Daß jene optischen Bilder der
äußere Grund dieser Vorstellungen sind, daran ist kein Zweifel,
indem die ganze Einrichtung des Auges beweist, daß die Darstel-
lung dieses Bildes der Zweck der ganzen Anordnung des Organes
ist; indem die künstlichen Mittel, die dieses Bild deutlich und be-
stimmt machen, uns auch den Eindruck eines deutlichen Sehens
gewähren, und Fehler des Auges, durch welche das Bild undeut-

der wichtigſte Theil des Auges, liegt, aber jener ſchwarze Kreis
ſelbſt iſt nur die Oeffnung in der Regenbogenhaut. Das Auge iſt
alſo, ſofern wir es hier, in Beziehung auf die Haupt-Umſtaͤnde
des Sehens, zu betrachten noͤthig haben, vorne durch die kugel-
foͤrmig gebildete Hornhaut F, hinten durch eine die ganze Hoͤh-
lung EE bekleidende Nervenhaut begrenzt. In dieſer Hoͤh-
lung befindet ſich zwiſchen der Hornhaut und der Linſe I die waͤſſe-
rige Feuchtigkeit, die das Licht ungefaͤhr in eben dem Maaße wie
Waſſer bricht, hinter der Linſe und bis an den Boden des Auges
iſt der Raum mit der glasartigen, einem durchſichtigen Gallert
gleichenden Fluͤſſigkeit ausgefuͤllt; die Linſe ſelbſt aber iſt ein con-
ſiſtenter, durchſichtiger Koͤrper, der an ſeiner vorderen Seite mit
etwas flacherer, an ſeiner hintern Seite mit etwas ſtaͤrkerer Woͤl-
bung in der That eine Linſenform darſtellt, und das Licht etwas
ſtaͤrker als die beiden an ihm anliegenden Feuchtigkeiten bricht.

Indem nun die Lichtſtrahlen auf die Hornhaut und durch ſie
an die waͤſſerige Feuchtigkeit gelangen, werden ſie gegen die Axe
des Auges zu gebrochen, und zwar ſo, daß ſie etwa 15 Linien hin-
ter der Hornhaut ein Bild ſehr entfernter Gegenſtaͤnde darſtellen
wuͤrden, wenn nicht die Linſe ſie ſtaͤrker braͤche; beim Eintritt in
die Linſe und beim Austritt aus der Linſe werden ſie zu einer groͤ-
ßern Convergenz gebracht, ſo daß ſie etwa 8 Linien hinter der Linſe,
das iſt, etwa 11½ Linien hinter der Hornhaut ſich zu einem Bilde
vereinigen. Grade hier aber, und dieſes mit ſo großer Genauig-
keit, als es die Abmeſſung der Kruͤmmung der Hornhaut und der
Linſe zu beſtimmen geſtattet, befindet ſich der mit der Nervenhaut
oder Netzhaut bedeckte Boden des Auges, der alſo dieſes Bild
aufnimmt. Die aus dem Sehenerven ausgehende Netzhaut im
Auge muß alſo ohne Zweifel dadurch, daß ſie durch die auffallenden
Lichtſtrahlen gereizt wird, der Seele die Vorſtellungen, die wir
dem Geſichte zuſchreiben, zufuͤhren. Daß jene optiſchen Bilder der
aͤußere Grund dieſer Vorſtellungen ſind, daran iſt kein Zweifel,
indem die ganze Einrichtung des Auges beweiſt, daß die Darſtel-
lung dieſes Bildes der Zweck der ganzen Anordnung des Organes
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[126/0140] der wichtigſte Theil des Auges, liegt, aber jener ſchwarze Kreis ſelbſt iſt nur die Oeffnung in der Regenbogenhaut. Das Auge iſt alſo, ſofern wir es hier, in Beziehung auf die Haupt-Umſtaͤnde des Sehens, zu betrachten noͤthig haben, vorne durch die kugel- foͤrmig gebildete Hornhaut F, hinten durch eine die ganze Hoͤh- lung EE bekleidende Nervenhaut begrenzt. In dieſer Hoͤh- lung befindet ſich zwiſchen der Hornhaut und der Linſe I die waͤſſe- rige Feuchtigkeit, die das Licht ungefaͤhr in eben dem Maaße wie Waſſer bricht, hinter der Linſe und bis an den Boden des Auges iſt der Raum mit der glasartigen, einem durchſichtigen Gallert gleichenden Fluͤſſigkeit ausgefuͤllt; die Linſe ſelbſt aber iſt ein con- ſiſtenter, durchſichtiger Koͤrper, der an ſeiner vorderen Seite mit etwas flacherer, an ſeiner hintern Seite mit etwas ſtaͤrkerer Woͤl- bung in der That eine Linſenform darſtellt, und das Licht etwas ſtaͤrker als die beiden an ihm anliegenden Feuchtigkeiten bricht. Indem nun die Lichtſtrahlen auf die Hornhaut und durch ſie an die waͤſſerige Feuchtigkeit gelangen, werden ſie gegen die Axe des Auges zu gebrochen, und zwar ſo, daß ſie etwa 15 Linien hin- ter der Hornhaut ein Bild ſehr entfernter Gegenſtaͤnde darſtellen wuͤrden, wenn nicht die Linſe ſie ſtaͤrker braͤche; beim Eintritt in die Linſe und beim Austritt aus der Linſe werden ſie zu einer groͤ- ßern Convergenz gebracht, ſo daß ſie etwa 8 Linien hinter der Linſe, das iſt, etwa 11½ Linien hinter der Hornhaut ſich zu einem Bilde vereinigen. Grade hier aber, und dieſes mit ſo großer Genauig- keit, als es die Abmeſſung der Kruͤmmung der Hornhaut und der Linſe zu beſtimmen geſtattet, befindet ſich der mit der Nervenhaut oder Netzhaut bedeckte Boden des Auges, der alſo dieſes Bild aufnimmt. Die aus dem Sehenerven ausgehende Netzhaut im Auge muß alſo ohne Zweifel dadurch, daß ſie durch die auffallenden Lichtſtrahlen gereizt wird, der Seele die Vorſtellungen, die wir dem Geſichte zuſchreiben, zufuͤhren. Daß jene optiſchen Bilder der aͤußere Grund dieſer Vorſtellungen ſind, daran iſt kein Zweifel, indem die ganze Einrichtung des Auges beweiſt, daß die Darſtel- lung dieſes Bildes der Zweck der ganzen Anordnung des Organes iſt; indem die kuͤnſtlichen Mittel, die dieſes Bild deutlich und be- ſtimmt machen, uns auch den Eindruck eines deutlichen Sehens gewaͤhren, und Fehler des Auges, durch welche das Bild undeut-

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Zitationshilfe: Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1831, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre02_1831/140>, abgerufen am 24.11.2024.