des Armes ist noch wirksamer, wenn wir etwas Schweres in dieser Hand halten. Dabei ist das sehr weite Ausstrecken des Armes darum vortheilhaft, weil die, wenn gleich nicht bedeutend schweren, aber sehr entfernten Theile ein großes Moment erhalten und da- durch auf die Fortrückung des Schwerpuncts wirken. Sind in A 20 Pfund, in B (Fig. 42.) 1 Pfund, so liegt der Schwerpunct nur um AB von A entfernt, rückt aber das eine Pfund ziem- lich weit bis C fort, so rückt der Schwerpunct um BC von D nach d fort. Die Künste der Seiltänzer beruhen vorzüglich auf einer genauen Achtsamkeit auf die Lage des Schwerpunctes. So lange der Schwerpunct genau über dem Seile liegt, ruht der Körper selbst auf dem schmalen Seile noch sicher, aber da ein Hin- ausrücken des Schwerpunctes über diese engen Grenzen unver- meidlich ist, so erfordert es große Kunst, durch Ausstrecken des Armes oder auf ähnliche Weise, den Schwerpunct wieder senkrecht über die Unterstützung zu bringen; mit Hülfe einer schweren Ba- lancierstange geht es, zumal wenn diese tief herabgehalten wird, etwas leichter. Auch diejenigen Künste des Aequilibrirens, wo schwere Körper in aufrechter Stellung, auf dem Finger oder auf einer Degenspitze getragen, erhalten werden, beruhen auf einem sorgfältigen Wahrnehmen der Lage des Schwerpunctes. Ein ho- her, an seinem obern Ende schwerer Körper läßt sich, in seinem untern Puncte unterstützt, leichter balanciren, als wenn der Schwerpunct niedriger läge. Wenn nämlich (Fig. 43.*) der Schwerpunct A nach a ausgewichen ist, so ist, wenn C den Un- terstützungspunct vorstellt, das Bestreben zu fallen, noch sehr geringe, und der unterstützende Finger braucht nur langsam nach e fortzugehen, um das Gleichgewicht zu erhalten; ist aber der niedriger in B liegende Schwerpunct, eben so weit, nach b aus- gewichen, so ist das Bestreben zu fallen, wegen der erlangten schiefern Richtung, größer, und das weitere Umstürzen erfolgt zu schnell, um es durch ein Fortrücken nach c zu hindern.
Die Betrachtung der Lage des Schwerpunctes erklärt zwei Phänomene, die man gewöhnlich als auffallende anzuführen pflegt, nämlich das Aufwärtsrollen eines an einer Seite schwereren Cylin- ders auf einer geneigten Ebne, und das Aufwärtsrollen eines Dop- pelkegels, der zwischen zwei, geneigten Ebnen aufliegt. Wenn ein
I. E
des Armes iſt noch wirkſamer, wenn wir etwas Schweres in dieſer Hand halten. Dabei iſt das ſehr weite Ausſtrecken des Armes darum vortheilhaft, weil die, wenn gleich nicht bedeutend ſchweren, aber ſehr entfernten Theile ein großes Moment erhalten und da- durch auf die Fortruͤckung des Schwerpuncts wirken. Sind in A 20 Pfund, in B (Fig. 42.) 1 Pfund, ſo liegt der Schwerpunct nur um AB von A entfernt, ruͤckt aber das eine Pfund ziem- lich weit bis C fort, ſo ruͤckt der Schwerpunct um BC von D nach d fort. Die Kuͤnſte der Seiltaͤnzer beruhen vorzuͤglich auf einer genauen Achtſamkeit auf die Lage des Schwerpunctes. So lange der Schwerpunct genau uͤber dem Seile liegt, ruht der Koͤrper ſelbſt auf dem ſchmalen Seile noch ſicher, aber da ein Hin- ausruͤcken des Schwerpunctes uͤber dieſe engen Grenzen unver- meidlich iſt, ſo erfordert es große Kunſt, durch Ausſtrecken des Armes oder auf aͤhnliche Weiſe, den Schwerpunct wieder ſenkrecht uͤber die Unterſtuͤtzung zu bringen; mit Huͤlfe einer ſchweren Ba- lancierſtange geht es, zumal wenn dieſe tief herabgehalten wird, etwas leichter. Auch diejenigen Kuͤnſte des Aequilibrirens, wo ſchwere Koͤrper in aufrechter Stellung, auf dem Finger oder auf einer Degenſpitze getragen, erhalten werden, beruhen auf einem ſorgfaͤltigen Wahrnehmen der Lage des Schwerpunctes. Ein ho- her, an ſeinem obern Ende ſchwerer Koͤrper laͤßt ſich, in ſeinem untern Puncte unterſtuͤtzt, leichter balanciren, als wenn der Schwerpunct niedriger laͤge. Wenn naͤmlich (Fig. 43.*) der Schwerpunct A nach a ausgewichen iſt, ſo iſt, wenn C den Un- terſtuͤtzungspunct vorſtellt, das Beſtreben zu fallen, noch ſehr geringe, und der unterſtuͤtzende Finger braucht nur langſam nach e fortzugehen, um das Gleichgewicht zu erhalten; iſt aber der niedriger in B liegende Schwerpunct, eben ſo weit, nach b aus- gewichen, ſo iſt das Beſtreben zu fallen, wegen der erlangten ſchiefern Richtung, groͤßer, und das weitere Umſtuͤrzen erfolgt zu ſchnell, um es durch ein Fortruͤcken nach c zu hindern.
Die Betrachtung der Lage des Schwerpunctes erklaͤrt zwei Phaͤnomene, die man gewoͤhnlich als auffallende anzufuͤhren pflegt, naͤmlich das Aufwaͤrtsrollen eines an einer Seite ſchwereren Cylin- ders auf einer geneigten Ebne, und das Aufwaͤrtsrollen eines Dop- pelkegels, der zwiſchen zwei, geneigten Ebnen aufliegt. Wenn ein
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[65/0087]
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lange der Schwerpunct genau uͤber dem Seile liegt, ruht der
Koͤrper ſelbſt auf dem ſchmalen Seile noch ſicher, aber da ein Hin-
ausruͤcken des Schwerpunctes uͤber dieſe engen Grenzen unver-
meidlich iſt, ſo erfordert es große Kunſt, durch Ausſtrecken des
Armes oder auf aͤhnliche Weiſe, den Schwerpunct wieder ſenkrecht
uͤber die Unterſtuͤtzung zu bringen; mit Huͤlfe einer ſchweren Ba-
lancierſtange geht es, zumal wenn dieſe tief herabgehalten wird,
etwas leichter. Auch diejenigen Kuͤnſte des Aequilibrirens, wo
ſchwere Koͤrper in aufrechter Stellung, auf dem Finger oder auf
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ſorgfaͤltigen Wahrnehmen der Lage des Schwerpunctes. Ein ho-
her, an ſeinem obern Ende ſchwerer Koͤrper laͤßt ſich, in ſeinem
untern Puncte unterſtuͤtzt, leichter balanciren, als wenn der
Schwerpunct niedriger laͤge. Wenn naͤmlich (Fig. 43.*) der
Schwerpunct A nach a ausgewichen iſt, ſo iſt, wenn C den Un-
terſtuͤtzungspunct vorſtellt, das Beſtreben zu fallen, noch ſehr
geringe, und der unterſtuͤtzende Finger braucht nur langſam nach
e fortzugehen, um das Gleichgewicht zu erhalten; iſt aber der
niedriger in B liegende Schwerpunct, eben ſo weit, nach b aus-
gewichen, ſo iſt das Beſtreben zu fallen, wegen der erlangten
ſchiefern Richtung, groͤßer, und das weitere Umſtuͤrzen erfolgt
zu ſchnell, um es durch ein Fortruͤcken nach c zu hindern.
Die Betrachtung der Lage des Schwerpunctes erklaͤrt zwei
Phaͤnomene, die man gewoͤhnlich als auffallende anzufuͤhren pflegt,
naͤmlich das Aufwaͤrtsrollen eines an einer Seite ſchwereren Cylin-
ders auf einer geneigten Ebne, und das Aufwaͤrtsrollen eines Dop-
pelkegels, der zwiſchen zwei, geneigten Ebnen aufliegt. Wenn ein
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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1830, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre01_1830/87>, abgerufen am 16.02.2025.
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