500 Fuß Pfäle einschlagen sehen, oder (am besten durch das Fern- rohr) den Hammer einer Thurmglocke anschlagen sehen, so bemerken wir eine kleine Verzögerung des Schalles, oder nehmen wahr, daß der Schall, der mit dem Anschlagen zugleich entstanden war, etwas später unser Ohr rührt, als wir das Anschlagen sehen. Durch Be- obachtungen, die, dieser ähnlich, mit größerer Genauigkeit angestellt werden, hat man die Geschwindigkeit des Schalles abgemessen, in- dem man bei Canonenschüssen, die weit entfernt abgefeuert wurden, die Zeit bestimmte, die zwischen dem gesehenen Blitze und dem ge- hörten Schalle verfloß. Bei den von Cassini im Jahre 1738 angestellten Beobachtungen war die Entfernung der Canone vom Beobachter 87000 Fuß; bei den von andern Beobachtern angestell- ten Versuchen ist zwar keine so große Entfernung gewählt worden, aber durch sehr genaue Beobachtung der Zeit haben sie dennoch die- nen können, die Entfernung, durch welche sich der Schall in 1 Sec. fortpflanzt, noch genauer zu bestimmen. Diese Entfernung ist bei ungleicher Wärme der Luft etwas verschieden, man kann sie, wenn die Luft die Temperatur = 0° R. hat, auf 1027 paris. Fuß, bei 10 Gr. Wärme auf 1051, bei 20 Gr. Wärme auf 1074 Fuß setzen *)
Die wichtigsten Gesetze für die Geschwindigkeit der Fort- pflanzung des Schalles lassen sich auf folgende Weise übersehen. Indem die Vibration eines festen Körpers die Lufttheilchen trifft, erleiden diese eine abwechselnde Verdichtung und Verdünnung. Die in dem zunächst liegenden Lufttheilchen entstandene Verdichtung bringt in diesem ein Bestreben zur Ausdehnung hervor, und das nächste Theilchen wird daher im folgenden Augenblicke in einen Zu- stand der Verdichtung versetzt, und so pflanzt sich jene Vibration von Theilchen zu Theilchen fort, indem jedes ähnliche Wechsel von Verdichtung und Verdünnung erleidet, als das erste. Die Schnel- ligkeit dieser Fortpflanzung wird nicht durch die mehr oder mindere
*) So rechnet Benzenberg. Gilb. Annalen XLII. 9. Etwas kleiner scheinen die neuern Versuche sie anzugeben, indem die neuern Pariser Versuche 1019, die von Goldingham 1022 und 1013, die von Gregory 1011, die von Moll 1022, für die 0° Wärme anzugeben schei- nen. Poggend. Ann. V. 476.
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500 Fuß Pfaͤle einſchlagen ſehen, oder (am beſten durch das Fern- rohr) den Hammer einer Thurmglocke anſchlagen ſehen, ſo bemerken wir eine kleine Verzoͤgerung des Schalles, oder nehmen wahr, daß der Schall, der mit dem Anſchlagen zugleich entſtanden war, etwas ſpaͤter unſer Ohr ruͤhrt, als wir das Anſchlagen ſehen. Durch Be- obachtungen, die, dieſer aͤhnlich, mit groͤßerer Genauigkeit angeſtellt werden, hat man die Geſchwindigkeit des Schalles abgemeſſen, in- dem man bei Canonenſchuͤſſen, die weit entfernt abgefeuert wurden, die Zeit beſtimmte, die zwiſchen dem geſehenen Blitze und dem ge- hoͤrten Schalle verfloß. Bei den von Caſſini im Jahre 1738 angeſtellten Beobachtungen war die Entfernung der Canone vom Beobachter 87000 Fuß; bei den von andern Beobachtern angeſtell- ten Verſuchen iſt zwar keine ſo große Entfernung gewaͤhlt worden, aber durch ſehr genaue Beobachtung der Zeit haben ſie dennoch die- nen koͤnnen, die Entfernung, durch welche ſich der Schall in 1 Sec. fortpflanzt, noch genauer zu beſtimmen. Dieſe Entfernung iſt bei ungleicher Waͤrme der Luft etwas verſchieden, man kann ſie, wenn die Luft die Temperatur = 0° R. hat, auf 1027 pariſ. Fuß, bei 10 Gr. Waͤrme auf 1051, bei 20 Gr. Waͤrme auf 1074 Fuß ſetzen *)
Die wichtigſten Geſetze fuͤr die Geſchwindigkeit der Fort- pflanzung des Schalles laſſen ſich auf folgende Weiſe uͤberſehen. Indem die Vibration eines feſten Koͤrpers die Lufttheilchen trifft, erleiden dieſe eine abwechſelnde Verdichtung und Verduͤnnung. Die in dem zunaͤchſt liegenden Lufttheilchen entſtandene Verdichtung bringt in dieſem ein Beſtreben zur Ausdehnung hervor, und das naͤchſte Theilchen wird daher im folgenden Augenblicke in einen Zu- ſtand der Verdichtung verſetzt, und ſo pflanzt ſich jene Vibration von Theilchen zu Theilchen fort, indem jedes aͤhnliche Wechſel von Verdichtung und Verduͤnnung erleidet, als das erſte. Die Schnel- ligkeit dieſer Fortpflanzung wird nicht durch die mehr oder mindere
*) So rechnet Benzenberg. Gilb. Annalen XLII. 9. Etwas kleiner ſcheinen die neuern Verſuche ſie anzugeben, indem die neuern Pariſer Verſuche 1019, die von Goldingham 1022 und 1013, die von Gregory 1011, die von Moll 1022, fuͤr die 0° Waͤrme anzugeben ſchei- nen. Poggend. Ann. V. 476.
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500 Fuß Pfaͤle einſchlagen ſehen, oder (am beſten durch das Fern-
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wir eine kleine Verzoͤgerung des Schalles, oder nehmen wahr, daß
der Schall, der mit dem Anſchlagen zugleich entſtanden war, etwas
ſpaͤter unſer Ohr ruͤhrt, als wir das Anſchlagen ſehen. Durch Be-
obachtungen, die, dieſer aͤhnlich, mit groͤßerer Genauigkeit angeſtellt
werden, hat man die Geſchwindigkeit des Schalles abgemeſſen, in-
dem man bei Canonenſchuͤſſen, die weit entfernt abgefeuert wurden,
die Zeit beſtimmte, die zwiſchen dem geſehenen Blitze und dem ge-
hoͤrten Schalle verfloß. Bei den von Caſſini im Jahre 1738
angeſtellten Beobachtungen war die Entfernung der Canone vom
Beobachter 87000 Fuß; bei den von andern Beobachtern angeſtell-
ten Verſuchen iſt zwar keine ſo große Entfernung gewaͤhlt worden,
aber durch ſehr genaue Beobachtung der Zeit haben ſie dennoch die-
nen koͤnnen, die Entfernung, durch welche ſich der Schall in 1 Sec.
fortpflanzt, noch genauer zu beſtimmen. Dieſe Entfernung iſt bei
ungleicher Waͤrme der Luft etwas verſchieden, man kann ſie, wenn
die Luft die Temperatur = 0° R. hat, auf 1027 pariſ. Fuß, bei
10 Gr. Waͤrme auf 1051, bei 20 Gr. Waͤrme auf 1074 Fuß
ſetzen *)
Die wichtigſten Geſetze fuͤr die Geſchwindigkeit der Fort-
pflanzung des Schalles laſſen ſich auf folgende Weiſe uͤberſehen.
Indem die Vibration eines feſten Koͤrpers die Lufttheilchen trifft,
erleiden dieſe eine abwechſelnde Verdichtung und Verduͤnnung. Die
in dem zunaͤchſt liegenden Lufttheilchen entſtandene Verdichtung
bringt in dieſem ein Beſtreben zur Ausdehnung hervor, und das
naͤchſte Theilchen wird daher im folgenden Augenblicke in einen Zu-
ſtand der Verdichtung verſetzt, und ſo pflanzt ſich jene Vibration
von Theilchen zu Theilchen fort, indem jedes aͤhnliche Wechſel von
Verdichtung und Verduͤnnung erleidet, als das erſte. Die Schnel-
ligkeit dieſer Fortpflanzung wird nicht durch die mehr oder mindere
*) So rechnet Benzenberg. Gilb. Annalen XLII. 9. Etwas
kleiner ſcheinen die neuern Verſuche ſie anzugeben, indem die neuern
Pariſer Verſuche 1019, die von Goldingham 1022 und 1013, die von
Gregory 1011, die von Moll 1022, fuͤr die 0° Waͤrme anzugeben ſchei-
nen. Poggend. Ann. V. 476.
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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1830, S. 323. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre01_1830/345>, abgerufen am 16.07.2024.
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