Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1830.Eine ähnliche Abweichung ergiebt der Fortgang durch reine Diese Unterschiede liegen nicht in etwas Zufälligem unsrer Eine aͤhnliche Abweichung ergiebt der Fortgang durch reine Dieſe Unterſchiede liegen nicht in etwas Zufaͤlligem unſrer <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0330" n="308"/> <p>Eine aͤhnliche Abweichung ergiebt der Fortgang durch reine<lb/> Quinten. Um ſie zu bezeichnen, muß ich Sie daran erinnern, daß<lb/> man die Toͤne in den hoͤhern Octaven mit mehrern Strichen zu be-<lb/> zeichnen pflegt; die tiefſte Discant-Octave iſt die, wo man die<lb/> Toͤne <hi rendition="#g">ein</hi>geſtrichene, <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">c̅, d̅</hi></hi> u. ſ. w. nennt,<lb/> die naͤchſthoͤhere die zwei<lb/> geſtrichene <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">c̿, d̿</hi></hi> und ſo ferner. Gehen wir alſo nach Quinten<lb/> von<lb/><hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">C</hi></hi> aus fort, und nehmen an, daß jeder folgende Ton (wobei ich<lb/><hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">Fis</hi></hi><lb/> und <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">Ges</hi></hi> als einerlei anſehe,) nach reinen Quinten geſtimmt<lb/> ſein<lb/> ſollte, das heißt, jeder naͤchſt hoͤhere anderthalb Schwingungen<lb/> machen ſollte, waͤhrend der naͤchſt tiefere eine macht, ſo erhielten wir<lb/><hi rendition="#et"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">C G d a e̅ h̅ fis̿ des̅̅̅ as̅̅̅</hi></hi><lb/> 1 <formula notation="TeX">\frac{3}{2}</formula><formula notation="TeX">\frac{9}{4}</formula><formula notation="TeX">\frac{27}{8}</formula><formula notation="TeX">\frac{81}{16}</formula><lb/><formula notation="TeX">\frac{243}{32}</formula><formula notation="TeX">\frac{72}{64}</formula><formula notation="TeX">\frac{2187}{128}</formula><lb/><formula notation="TeX">\frac{6561}{256}</formula><lb/><hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">es̅̅̅̅ b̅̅̅̅ f̅̅̅̅̅ c̅̅̅̅̅̅</hi></hi><lb/><formula notation="TeX">\frac{19683}{512}</formula><formula notation="TeX">\frac{59049}{1024}</formula><formula notation="TeX">\frac{177147}{2048}</formula><lb/><formula notation="TeX">\frac{531441}{4096}</formula></hi><lb/> Nach den Octaven ſollten die Schwingungen ſein<lb/><hi rendition="#et"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">C c c̅ c̿ c̅̅̅ c̅̅̅̅ c̅̅̅̅̅ c̅̅̅̅̅̅</hi></hi><lb/> 1 2 4 8 16 32 64 128 = <formula notation="TeX">\frac{524288}{4096}</formula>,</hi> die<lb/> reinen Quinten geben alſo beinahe auf 524 Schwingungen 7 zu<lb/> viel, oder geben genau eine um <formula notation="TeX">\frac{531441}{524288}</formula> zu hohe Stimmung, und<lb/> dieſe Abweichung heißt das Pythagoriſche Comma.</p><lb/> <p>Dieſe Unterſchiede liegen nicht in etwas Zufaͤlligem unſrer<lb/> Tonleiter oder in irgend etwas Willkuͤrlichem, ſondern ſie liegen<lb/> darin, daß weder <formula notation="TeX">\frac{5}{4}</formula> immer mit ſich ſelbſt multiplicirt, noch<lb/><formula notation="TeX">\frac{6}{5}</formula><lb/> immer mit ſich ſelbſt multiplicirt, noch <formula notation="TeX">\frac{3}{2}</formula> immer mit ſich ſelbſt<lb/> multiplicirt, je eine ganze Zahl geben kann. Keine Tonleiter<lb/> kann alſo, wenn man die Octave rein erhalten will, einen ganz<lb/> reinen Fortgang in lauter Terzen oder Quinten geſtatten, und<lb/> da die Reinheit der Octaven unſtreitig das Wichtigſte iſt, ſo<lb/> muß man alle zwiſchenliegenden Toͤne ein wenig modificiren,<lb/> damit die nicht ſtrenge rein zu erhaltenden Intervalle moͤglichſt<lb/> wenig von der Reinheit abweichen. Die Muſiker nennen dies: der<lb/> Ton muͤſſe ein wenig oberhalb oder ein wenig unterhalb ſchweben;<lb/> und darin eben beſteht die Temperatur. Bei der gleichſchwebenden<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [308/0330]
Eine aͤhnliche Abweichung ergiebt der Fortgang durch reine
Quinten. Um ſie zu bezeichnen, muß ich Sie daran erinnern, daß
man die Toͤne in den hoͤhern Octaven mit mehrern Strichen zu be-
zeichnen pflegt; die tiefſte Discant-Octave iſt die, wo man die
Toͤne eingeſtrichene, c̅, d̅ u. ſ. w. nennt,
die naͤchſthoͤhere die zwei
geſtrichene c̿, d̿ und ſo ferner. Gehen wir alſo nach Quinten
von
C aus fort, und nehmen an, daß jeder folgende Ton (wobei ich
Fis
und Ges als einerlei anſehe,) nach reinen Quinten geſtimmt
ſein
ſollte, das heißt, jeder naͤchſt hoͤhere anderthalb Schwingungen
machen ſollte, waͤhrend der naͤchſt tiefere eine macht, ſo erhielten wir
C G d a e̅ h̅ fis̿ des̅̅̅ as̅̅̅
1 [FORMEL][FORMEL][FORMEL][FORMEL]
[FORMEL][FORMEL][FORMEL]
[FORMEL]
es̅̅̅̅ b̅̅̅̅ f̅̅̅̅̅ c̅̅̅̅̅̅
[FORMEL][FORMEL][FORMEL]
[FORMEL]
Nach den Octaven ſollten die Schwingungen ſein
C c c̅ c̿ c̅̅̅ c̅̅̅̅ c̅̅̅̅̅ c̅̅̅̅̅̅
1 2 4 8 16 32 64 128 = [FORMEL], die
reinen Quinten geben alſo beinahe auf 524 Schwingungen 7 zu
viel, oder geben genau eine um [FORMEL] zu hohe Stimmung, und
dieſe Abweichung heißt das Pythagoriſche Comma.
Dieſe Unterſchiede liegen nicht in etwas Zufaͤlligem unſrer
Tonleiter oder in irgend etwas Willkuͤrlichem, ſondern ſie liegen
darin, daß weder [FORMEL] immer mit ſich ſelbſt multiplicirt, noch
[FORMEL]
immer mit ſich ſelbſt multiplicirt, noch [FORMEL] immer mit ſich ſelbſt
multiplicirt, je eine ganze Zahl geben kann. Keine Tonleiter
kann alſo, wenn man die Octave rein erhalten will, einen ganz
reinen Fortgang in lauter Terzen oder Quinten geſtatten, und
da die Reinheit der Octaven unſtreitig das Wichtigſte iſt, ſo
muß man alle zwiſchenliegenden Toͤne ein wenig modificiren,
damit die nicht ſtrenge rein zu erhaltenden Intervalle moͤglichſt
wenig von der Reinheit abweichen. Die Muſiker nennen dies: der
Ton muͤſſe ein wenig oberhalb oder ein wenig unterhalb ſchweben;
und darin eben beſteht die Temperatur. Bei der gleichſchwebenden
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