2/5 Loth, der Druck der Atmosphäre auf ihren Querschnitt, der Quadratzoll beträgt, ist ungefehr 54 Loth, also 130 mal so groß als das Gewicht der Kugel, und hundertfach verdichtete Luft übt folglich eine 13000 mal so große bewegende Kraft aus, als das Gewicht der Kugel. Da nun die Schwerkraft in Secunde eine Geschwindigkeit von = Fuß hervorbringt, so würde jene 13000 fache Kraft eine Geschwindigkeit von 650 Fuß in 1 Secunde bewirken, wenn die Kraft auch nur Secunde lang wirksam wäre; und länger kann man ihre gesammte Wirksamkeit nicht rech- nen, da die Kraft sogleich abnimmt, wenn die Kugel im Rohre fortgeht. Eine Geschwindigkeit von 600 bis 700 Fuß in 1 Sec. könnte man also wohl von einer solchen Windbüchse erwarten, wenn nicht der Widerstand, den die Kugel in der Röhre leidet, schon einen erheblichen Theil der Kraft aufhöbe.
Kraft des Schießpulvers.
Auf ganz ähnliche Weise berechnet man die Wirkung des Schießpulvers, indem auch bei der Entzündung des Schießpul- vers eine Quantität elastischer Flüssigkeiten plötzlich frei wird, welche eine Wirkung, ganz den Wirkungen der verdichteten Luft gemäß, zeigt. Die Berechnung, wie groß die anfängliche Verdich- tung der aus dem Schießpulver entwickelten Luft-Arten sein mußte, damit die Kugel diejenige Geschwindigkeit erlange, welche die Erfahrung uns zeigt, ist darum trüglich, weil der große Ver- lust an Luft, indem sie durch das Zündloch hervordringt, gar nicht in Rechnung gebracht werden kann. Wäre dieses Hinder- niß nicht, so würde man die Rechnung so fortführen können, daß man die bei größerer Ausdehnung allmählig abnehmende Kraft gehörig in Rechnung brächte. Zur Bestimmung der sehr großen Gewalt des Schießpulvers hat Rumford eine anders angeordnete Reihe von Versuchen angestellt. Um den Verlust an Kraft, der beim Hervordringen der Luft aus dem Zündloche statt findet, zu vermeiden, ließ er einen kleinen Lauf von Eisen so verfertigen, daß er nach der Ladung, ganz dicht verschlossen, und dann das Pulver durch ein von außen angebrachtes glühendes Eisen entzündet werden konnte. Da die Pulvermenge, welche der kleine Flintenlauf faßte, so sehr geringe war, (sie betrug nur
⅖ Loth, der Druck der Atmoſphaͤre auf ihren Querſchnitt, der Quadratzoll betraͤgt, iſt ungefehr 54 Loth, alſo 130 mal ſo groß als das Gewicht der Kugel, und hundertfach verdichtete Luft uͤbt folglich eine 13000 mal ſo große bewegende Kraft aus, als das Gewicht der Kugel. Da nun die Schwerkraft in Secunde eine Geſchwindigkeit von = Fuß hervorbringt, ſo wuͤrde jene 13000 fache Kraft eine Geſchwindigkeit von 650 Fuß in 1 Secunde bewirken, wenn die Kraft auch nur Secunde lang wirkſam waͤre; und laͤnger kann man ihre geſammte Wirkſamkeit nicht rech- nen, da die Kraft ſogleich abnimmt, wenn die Kugel im Rohre fortgeht. Eine Geſchwindigkeit von 600 bis 700 Fuß in 1 Sec. koͤnnte man alſo wohl von einer ſolchen Windbuͤchſe erwarten, wenn nicht der Widerſtand, den die Kugel in der Roͤhre leidet, ſchon einen erheblichen Theil der Kraft aufhoͤbe.
Kraft des Schießpulvers.
Auf ganz aͤhnliche Weiſe berechnet man die Wirkung des Schießpulvers, indem auch bei der Entzuͤndung des Schießpul- vers eine Quantitaͤt elaſtiſcher Fluͤſſigkeiten ploͤtzlich frei wird, welche eine Wirkung, ganz den Wirkungen der verdichteten Luft gemaͤß, zeigt. Die Berechnung, wie groß die anfaͤngliche Verdich- tung der aus dem Schießpulver entwickelten Luft-Arten ſein mußte, damit die Kugel diejenige Geſchwindigkeit erlange, welche die Erfahrung uns zeigt, iſt darum truͤglich, weil der große Ver- luſt an Luft, indem ſie durch das Zuͤndloch hervordringt, gar nicht in Rechnung gebracht werden kann. Waͤre dieſes Hinder- niß nicht, ſo wuͤrde man die Rechnung ſo fortfuͤhren koͤnnen, daß man die bei groͤßerer Ausdehnung allmaͤhlig abnehmende Kraft gehoͤrig in Rechnung braͤchte. Zur Beſtimmung der ſehr großen Gewalt des Schießpulvers hat Rumford eine anders angeordnete Reihe von Verſuchen angeſtellt. Um den Verluſt an Kraft, der beim Hervordringen der Luft aus dem Zuͤndloche ſtatt findet, zu vermeiden, ließ er einen kleinen Lauf von Eiſen ſo verfertigen, daß er nach der Ladung, ganz dicht verſchloſſen, und dann das Pulver durch ein von außen angebrachtes gluͤhendes Eiſen entzuͤndet werden konnte. Da die Pulvermenge, welche der kleine Flintenlauf faßte, ſo ſehr geringe war, (ſie betrug nur
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0287"n="265"/>⅖ Loth, der Druck der Atmoſphaͤre auf ihren Querſchnitt, der<lb/><formulanotation="TeX">\frac{1}{9}</formula> Quadratzoll betraͤgt, iſt ungefehr 54 Loth, alſo 130 mal ſo groß<lb/>
als das Gewicht der Kugel, und hundertfach verdichtete Luft uͤbt<lb/>
folglich eine 13000 mal ſo große bewegende Kraft aus, als das<lb/>
Gewicht der Kugel. Da nun die Schwerkraft in <formulanotation="TeX">\frac{1}{600}</formula> Secunde eine<lb/>
Geſchwindigkeit von <formulanotation="TeX">\frac{30}{600}</formula> = <formulanotation="TeX">\frac{1}{20}</formula> Fuß hervorbringt, ſo wuͤrde jene<lb/>
13000 fache Kraft eine Geſchwindigkeit von 650 Fuß in 1 Secunde<lb/>
bewirken, wenn die Kraft auch nur <formulanotation="TeX">\frac{1}{600}</formula> Secunde lang wirkſam<lb/>
waͤre; und laͤnger kann man ihre geſammte Wirkſamkeit nicht rech-<lb/>
nen, da die Kraft ſogleich abnimmt, wenn die Kugel im Rohre<lb/>
fortgeht. Eine Geſchwindigkeit von 600 bis 700 Fuß in 1 Sec.<lb/>
koͤnnte man alſo wohl von einer ſolchen Windbuͤchſe erwarten, wenn<lb/>
nicht der Widerſtand, den die Kugel in der Roͤhre leidet, ſchon einen<lb/>
erheblichen Theil der Kraft aufhoͤbe.</p></div><lb/><divn="2"><head><hirendition="#g">Kraft des Schießpulvers</hi>.</head><lb/><p>Auf ganz aͤhnliche Weiſe berechnet man die Wirkung des<lb/>
Schießpulvers, indem auch bei der Entzuͤndung des Schießpul-<lb/>
vers eine Quantitaͤt elaſtiſcher Fluͤſſigkeiten ploͤtzlich frei wird,<lb/>
welche eine Wirkung, ganz den Wirkungen der verdichteten Luft<lb/>
gemaͤß, zeigt. Die Berechnung, wie groß die anfaͤngliche Verdich-<lb/>
tung der aus dem Schießpulver entwickelten Luft-Arten ſein<lb/>
mußte, damit die Kugel diejenige Geſchwindigkeit erlange, welche<lb/>
die Erfahrung uns zeigt, iſt darum truͤglich, weil der große Ver-<lb/>
luſt an Luft, indem ſie durch das Zuͤndloch hervordringt, gar<lb/>
nicht in Rechnung gebracht werden kann. Waͤre dieſes Hinder-<lb/>
niß nicht, ſo wuͤrde man die Rechnung ſo fortfuͤhren koͤnnen,<lb/>
daß man die bei groͤßerer Ausdehnung allmaͤhlig abnehmende<lb/>
Kraft gehoͤrig in Rechnung braͤchte. Zur Beſtimmung der ſehr<lb/>
großen Gewalt des Schießpulvers hat <hirendition="#g">Rumford</hi> eine anders<lb/>
angeordnete Reihe von Verſuchen angeſtellt. Um den Verluſt an<lb/>
Kraft, der beim Hervordringen der Luft aus dem Zuͤndloche ſtatt<lb/>
findet, zu vermeiden, ließ er einen kleinen Lauf von Eiſen ſo<lb/>
verfertigen, daß er nach der Ladung, ganz dicht verſchloſſen, und<lb/>
dann das Pulver durch ein von außen angebrachtes gluͤhendes<lb/>
Eiſen entzuͤndet werden konnte. Da die Pulvermenge, welche<lb/>
der kleine Flintenlauf faßte, ſo ſehr geringe war, (ſie betrug nur<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[265/0287]
⅖ Loth, der Druck der Atmoſphaͤre auf ihren Querſchnitt, der
[FORMEL] Quadratzoll betraͤgt, iſt ungefehr 54 Loth, alſo 130 mal ſo groß
als das Gewicht der Kugel, und hundertfach verdichtete Luft uͤbt
folglich eine 13000 mal ſo große bewegende Kraft aus, als das
Gewicht der Kugel. Da nun die Schwerkraft in [FORMEL] Secunde eine
Geſchwindigkeit von [FORMEL] = [FORMEL] Fuß hervorbringt, ſo wuͤrde jene
13000 fache Kraft eine Geſchwindigkeit von 650 Fuß in 1 Secunde
bewirken, wenn die Kraft auch nur [FORMEL] Secunde lang wirkſam
waͤre; und laͤnger kann man ihre geſammte Wirkſamkeit nicht rech-
nen, da die Kraft ſogleich abnimmt, wenn die Kugel im Rohre
fortgeht. Eine Geſchwindigkeit von 600 bis 700 Fuß in 1 Sec.
koͤnnte man alſo wohl von einer ſolchen Windbuͤchſe erwarten, wenn
nicht der Widerſtand, den die Kugel in der Roͤhre leidet, ſchon einen
erheblichen Theil der Kraft aufhoͤbe.
Kraft des Schießpulvers.
Auf ganz aͤhnliche Weiſe berechnet man die Wirkung des
Schießpulvers, indem auch bei der Entzuͤndung des Schießpul-
vers eine Quantitaͤt elaſtiſcher Fluͤſſigkeiten ploͤtzlich frei wird,
welche eine Wirkung, ganz den Wirkungen der verdichteten Luft
gemaͤß, zeigt. Die Berechnung, wie groß die anfaͤngliche Verdich-
tung der aus dem Schießpulver entwickelten Luft-Arten ſein
mußte, damit die Kugel diejenige Geſchwindigkeit erlange, welche
die Erfahrung uns zeigt, iſt darum truͤglich, weil der große Ver-
luſt an Luft, indem ſie durch das Zuͤndloch hervordringt, gar
nicht in Rechnung gebracht werden kann. Waͤre dieſes Hinder-
niß nicht, ſo wuͤrde man die Rechnung ſo fortfuͤhren koͤnnen,
daß man die bei groͤßerer Ausdehnung allmaͤhlig abnehmende
Kraft gehoͤrig in Rechnung braͤchte. Zur Beſtimmung der ſehr
großen Gewalt des Schießpulvers hat Rumford eine anders
angeordnete Reihe von Verſuchen angeſtellt. Um den Verluſt an
Kraft, der beim Hervordringen der Luft aus dem Zuͤndloche ſtatt
findet, zu vermeiden, ließ er einen kleinen Lauf von Eiſen ſo
verfertigen, daß er nach der Ladung, ganz dicht verſchloſſen, und
dann das Pulver durch ein von außen angebrachtes gluͤhendes
Eiſen entzuͤndet werden konnte. Da die Pulvermenge, welche
der kleine Flintenlauf faßte, ſo ſehr geringe war, (ſie betrug nur
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1830, S. 265. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre01_1830/287>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.