häufigsten darbieten. Dahin gehören die Versuche über die Tiefe, bis zu welcher noch die Bewegung der Theilchen merklich bleibt, wenn man Wellen von geringer Höhe erregt; -- selbst in einer Tiefe, die 350 mal so groß als die Höhe der Wellen war, fand noch eine merkliche Bewegung statt. Daß auch auf dem Meere, wo die Wellen bekanntlich eine große Höhe erreichen, die Wellen sich bis in sehr große Tiefen erstrecken, dafür spricht nicht bloß die nach Stürmen so merkliche Trübung des Wassers, selbst bei sehr tiefer Lage des Bodens, sondern auch der unmittelbare Augenschein, wenn man die Wellen beobachtet. Bremontier beobachtete den Fortgang der gegen das Ufer heranrückenden Wellen im Biscaischen Meerbusen, und sah, wie sie bei einer Höhe von 5 bis 6 Fuß alle- mal eine Brechung erlitten von Felsen, deren Spitzen gegen 30 Fuß tief lagen; hier nämlich hoben sie sich mehr, als da wo sie über tieferem Boden ruhig fortgingen. Bei etwas stürmischem Wetter sieht man ein Brechen und Schäumen der Wellen an Orten, wo kein sichtbares Hinderniß vorhanden ist; dieses findet da statt, wo Sandbänke in der Tiefe sind, und de la Coudraye behauptet, daß an der Bank von Terre-neuve (Neufundland) die Wellen sich nicht mehr frei bilden können, da wo der Boden noch 250 Fuß tief unter der Oberfläche ist. Bei geringern Tiefen wird jeder Stein am Boden durch die Unregelmäßigkeit kenntlich, die er im Fortgange der Wellen hervorbringt. Dieser gehinderte Fort- gang der Welle ist am Ufer eine der Hauptursachen ihres schäu- menden Ueberstürzens, welches den Dämmen, mit welchen die nie- drigen Gegenden am Meere gegen das Wasser geschützt werden, so verderblich ist. Wenn die Welle an einem gleichmäßigen Abhange heraufläuft, so hält der Boden den Fortgang der untern Theile auf, während die obern Theile sich noch mit ihrer vorigen Schnel- ligkeit fortbewegen; die Welle wird daher an ihrem vorangehenden Theile einen steilern Abhang erhalten, und endlich wird ihr Gipfel über den vorangehenden Fußpunct der Welle fortgeführt, und stürzt schäumend auf den vom Wasser wenig oder gar nicht be- deckten Boden herab. Dieser Wassersturz ist unbedeutend bei einem sehr flachen Ufer, nachtheilig wird er da wo die Hemmung der Welle schneller eintritt und wo das Ueberstürzen durch den auf den Gipfel der Welle wirkenden Sturm noch beschleuniget
haͤufigſten darbieten. Dahin gehoͤren die Verſuche uͤber die Tiefe, bis zu welcher noch die Bewegung der Theilchen merklich bleibt, wenn man Wellen von geringer Hoͤhe erregt; — ſelbſt in einer Tiefe, die 350 mal ſo groß als die Hoͤhe der Wellen war, fand noch eine merkliche Bewegung ſtatt. Daß auch auf dem Meere, wo die Wellen bekanntlich eine große Hoͤhe erreichen, die Wellen ſich bis in ſehr große Tiefen erſtrecken, dafuͤr ſpricht nicht bloß die nach Stuͤrmen ſo merkliche Truͤbung des Waſſers, ſelbſt bei ſehr tiefer Lage des Bodens, ſondern auch der unmittelbare Augenſchein, wenn man die Wellen beobachtet. Bremontier beobachtete den Fortgang der gegen das Ufer heranruͤckenden Wellen im Biscaiſchen Meerbuſen, und ſah, wie ſie bei einer Hoͤhe von 5 bis 6 Fuß alle- mal eine Brechung erlitten von Felſen, deren Spitzen gegen 30 Fuß tief lagen; hier naͤmlich hoben ſie ſich mehr, als da wo ſie uͤber tieferem Boden ruhig fortgingen. Bei etwas ſtuͤrmiſchem Wetter ſieht man ein Brechen und Schaͤumen der Wellen an Orten, wo kein ſichtbares Hinderniß vorhanden iſt; dieſes findet da ſtatt, wo Sandbaͤnke in der Tiefe ſind, und de la Coudraye behauptet, daß an der Bank von Terre-neuve (Neufundland) die Wellen ſich nicht mehr frei bilden koͤnnen, da wo der Boden noch 250 Fuß tief unter der Oberflaͤche iſt. Bei geringern Tiefen wird jeder Stein am Boden durch die Unregelmaͤßigkeit kenntlich, die er im Fortgange der Wellen hervorbringt. Dieſer gehinderte Fort- gang der Welle iſt am Ufer eine der Haupturſachen ihres ſchaͤu- menden Ueberſtuͤrzens, welches den Daͤmmen, mit welchen die nie- drigen Gegenden am Meere gegen das Waſſer geſchuͤtzt werden, ſo verderblich iſt. Wenn die Welle an einem gleichmaͤßigen Abhange herauflaͤuft, ſo haͤlt der Boden den Fortgang der untern Theile auf, waͤhrend die obern Theile ſich noch mit ihrer vorigen Schnel- ligkeit fortbewegen; die Welle wird daher an ihrem vorangehenden Theile einen ſteilern Abhang erhalten, und endlich wird ihr Gipfel uͤber den vorangehenden Fußpunct der Welle fortgefuͤhrt, und ſtuͤrzt ſchaͤumend auf den vom Waſſer wenig oder gar nicht be- deckten Boden herab. Dieſer Waſſerſturz iſt unbedeutend bei einem ſehr flachen Ufer, nachtheilig wird er da wo die Hemmung der Welle ſchneller eintritt und wo das Ueberſtuͤrzen durch den auf den Gipfel der Welle wirkenden Sturm noch beſchleuniget
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0203"n="181"/>
haͤufigſten darbieten. Dahin gehoͤren die Verſuche uͤber die Tiefe,<lb/>
bis zu welcher noch die Bewegung der Theilchen merklich bleibt,<lb/>
wenn man Wellen von geringer Hoͤhe erregt; —ſelbſt in einer<lb/>
Tiefe, die 350 mal ſo groß als die Hoͤhe der Wellen war, fand<lb/>
noch eine merkliche Bewegung ſtatt. Daß auch auf dem Meere,<lb/>
wo die Wellen bekanntlich eine große Hoͤhe erreichen, die Wellen<lb/>ſich bis in ſehr große Tiefen erſtrecken, dafuͤr ſpricht nicht bloß die<lb/>
nach Stuͤrmen ſo merkliche Truͤbung des Waſſers, ſelbſt bei ſehr<lb/>
tiefer Lage des Bodens, ſondern auch der unmittelbare Augenſchein,<lb/>
wenn man die Wellen beobachtet. <hirendition="#g">Bremontier</hi> beobachtete den<lb/>
Fortgang der gegen das Ufer heranruͤckenden Wellen im Biscaiſchen<lb/>
Meerbuſen, und ſah, wie ſie bei einer Hoͤhe von 5 bis 6 Fuß alle-<lb/>
mal eine Brechung erlitten von Felſen, deren Spitzen gegen 30 Fuß<lb/>
tief lagen; hier naͤmlich hoben ſie ſich mehr, als da wo ſie uͤber<lb/>
tieferem Boden ruhig fortgingen. Bei etwas ſtuͤrmiſchem Wetter<lb/>ſieht man ein Brechen und Schaͤumen der Wellen an Orten, wo<lb/>
kein ſichtbares Hinderniß vorhanden iſt; dieſes findet da ſtatt, wo<lb/>
Sandbaͤnke in der Tiefe ſind, und <hirendition="#g">de la Coudraye</hi> behauptet,<lb/>
daß an der Bank von <hirendition="#aq"><hirendition="#b">Terre-neuve</hi></hi> (Neufundland) die Wellen<lb/>ſich nicht mehr frei bilden koͤnnen, da wo der Boden noch 250<lb/>
Fuß tief unter der Oberflaͤche iſt. Bei geringern Tiefen wird<lb/>
jeder Stein am Boden durch die Unregelmaͤßigkeit kenntlich, die<lb/>
er im Fortgange der Wellen hervorbringt. Dieſer gehinderte Fort-<lb/>
gang der Welle iſt am Ufer eine der Haupturſachen ihres ſchaͤu-<lb/>
menden Ueberſtuͤrzens, welches den Daͤmmen, mit welchen die nie-<lb/>
drigen Gegenden am Meere gegen das Waſſer geſchuͤtzt werden, ſo<lb/>
verderblich iſt. Wenn die Welle an einem gleichmaͤßigen Abhange<lb/>
herauflaͤuft, ſo haͤlt der Boden den Fortgang der untern Theile<lb/>
auf, waͤhrend die obern Theile ſich noch mit ihrer vorigen Schnel-<lb/>
ligkeit fortbewegen; die Welle wird daher an ihrem vorangehenden<lb/>
Theile einen ſteilern Abhang erhalten, und endlich wird ihr Gipfel<lb/>
uͤber den vorangehenden Fußpunct der Welle fortgefuͤhrt, und<lb/>ſtuͤrzt ſchaͤumend auf den vom Waſſer wenig oder gar nicht be-<lb/>
deckten Boden herab. Dieſer Waſſerſturz iſt unbedeutend bei<lb/>
einem ſehr flachen Ufer, nachtheilig wird er da wo die Hemmung<lb/>
der Welle ſchneller eintritt und wo das Ueberſtuͤrzen durch den<lb/>
auf den Gipfel der Welle wirkenden Sturm noch beſchleuniget<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[181/0203]
haͤufigſten darbieten. Dahin gehoͤren die Verſuche uͤber die Tiefe,
bis zu welcher noch die Bewegung der Theilchen merklich bleibt,
wenn man Wellen von geringer Hoͤhe erregt; — ſelbſt in einer
Tiefe, die 350 mal ſo groß als die Hoͤhe der Wellen war, fand
noch eine merkliche Bewegung ſtatt. Daß auch auf dem Meere,
wo die Wellen bekanntlich eine große Hoͤhe erreichen, die Wellen
ſich bis in ſehr große Tiefen erſtrecken, dafuͤr ſpricht nicht bloß die
nach Stuͤrmen ſo merkliche Truͤbung des Waſſers, ſelbſt bei ſehr
tiefer Lage des Bodens, ſondern auch der unmittelbare Augenſchein,
wenn man die Wellen beobachtet. Bremontier beobachtete den
Fortgang der gegen das Ufer heranruͤckenden Wellen im Biscaiſchen
Meerbuſen, und ſah, wie ſie bei einer Hoͤhe von 5 bis 6 Fuß alle-
mal eine Brechung erlitten von Felſen, deren Spitzen gegen 30 Fuß
tief lagen; hier naͤmlich hoben ſie ſich mehr, als da wo ſie uͤber
tieferem Boden ruhig fortgingen. Bei etwas ſtuͤrmiſchem Wetter
ſieht man ein Brechen und Schaͤumen der Wellen an Orten, wo
kein ſichtbares Hinderniß vorhanden iſt; dieſes findet da ſtatt, wo
Sandbaͤnke in der Tiefe ſind, und de la Coudraye behauptet,
daß an der Bank von Terre-neuve (Neufundland) die Wellen
ſich nicht mehr frei bilden koͤnnen, da wo der Boden noch 250
Fuß tief unter der Oberflaͤche iſt. Bei geringern Tiefen wird
jeder Stein am Boden durch die Unregelmaͤßigkeit kenntlich, die
er im Fortgange der Wellen hervorbringt. Dieſer gehinderte Fort-
gang der Welle iſt am Ufer eine der Haupturſachen ihres ſchaͤu-
menden Ueberſtuͤrzens, welches den Daͤmmen, mit welchen die nie-
drigen Gegenden am Meere gegen das Waſſer geſchuͤtzt werden, ſo
verderblich iſt. Wenn die Welle an einem gleichmaͤßigen Abhange
herauflaͤuft, ſo haͤlt der Boden den Fortgang der untern Theile
auf, waͤhrend die obern Theile ſich noch mit ihrer vorigen Schnel-
ligkeit fortbewegen; die Welle wird daher an ihrem vorangehenden
Theile einen ſteilern Abhang erhalten, und endlich wird ihr Gipfel
uͤber den vorangehenden Fußpunct der Welle fortgefuͤhrt, und
ſtuͤrzt ſchaͤumend auf den vom Waſſer wenig oder gar nicht be-
deckten Boden herab. Dieſer Waſſerſturz iſt unbedeutend bei
einem ſehr flachen Ufer, nachtheilig wird er da wo die Hemmung
der Welle ſchneller eintritt und wo das Ueberſtuͤrzen durch den
auf den Gipfel der Welle wirkenden Sturm noch beſchleuniget
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1830, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre01_1830/203>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.