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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1830.

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sondern da das frei hängende Pendel anfangs etwas größere, all-
mählig immer kleinere Bogen durchläuft, so werden die Schwin-
gungszeiten nach und nach etwas, freilich sehr wenig, kürzer. --
Doch ich habe wohl genug gesagt, um zu zeigen, daß die Zeit der
Schwingungen des Pendels auf diese Weise sehr vollkommen be-
stimmt war, und doch habe ich mehrere sorgfältige Vorrichtungen,
um diesen Zweck vollkommen zu erreichen, noch mit Stillschweigen
übergangen. Bei der Abmessung der Länge kam es nun vorzüglich
auf die größeste Genauigkeit in Bestimmung des Längen-Unterschiedes
beider Pendel an. Es ward dazu eine von Fortin in Paris ver-
fertigte Toise angewandt, die mit dem Normalmaaße der Toise de
Perou
genau verglichen, und nur um einer Linie zu kurz be-
funden war. -- Da ich nachher Gelegenheit haben werde zu sagen,
wie man sich von einer so genauen Uebereinstimmung überzeugen
kann, so will ich jetzt bei der Einrichtung des Comparateurs, mit
welchem diese Maaßvergleichungen angestellt werden, nicht verweilen.
Diese Toise wurde, in ihrer Mitte von einer Hülfe getragen, vertical
aufgehängt, und stützte sich auf einen genau horizontal abgeschliffe-
nen Cylinder, den ich die Unterlage nennen will. Indem nun die
zum Aufhängen des Pendels dienende Vorrichtung sich ganz genau
ebenso bei den Schwingungen des längern Pendels an die obere
Fläche der Toise, wie bei den Schwingungen des kürzern Pendels
an die obere Fläche der Unterlage andrückte, so waren die Höhen der
Aufhängepuncte ganz genau um eine Toise verschieden, jedoch muß-
ten die geringen Unterschiede, welche die Ausdehnung der Toise durch
die Wärme hervorbringt, in Rechnung gezogen werden. Die Lage
des untern Endpunctes ward durch ein Micrometer, das ich sogleich
beschreiben werde, berichtigt. Da das Pendel aus einem Stahlfa-
den besteht, an welchem eine Messingkugel hängt, so ist es der un-
terste Punct der Kugel, dessen Lage eine genau so große Höhe im
einen und im andern Falle haben muß, wenn das längere Pendel um
eine genaue Toise länger als das kürzere sein soll. Die Höhe dieses
Endpunctes wird mit einer Micrometerschraube abgemessen, deren
ganze Schraubengänge eine Weite von 0,0902 Linien haben, und an
der noch die Hunderttel einer Drehung, die also 0,0009 Linien be-
tragen, abgelesen werden. Um aber noch eine größere Genauigkeit
zu erreichen, berührt der durch die Drehung der Micrometerschraube

ſondern da das frei haͤngende Pendel anfangs etwas groͤßere, all-
maͤhlig immer kleinere Bogen durchlaͤuft, ſo werden die Schwin-
gungszeiten nach und nach etwas, freilich ſehr wenig, kuͤrzer. —
Doch ich habe wohl genug geſagt, um zu zeigen, daß die Zeit der
Schwingungen des Pendels auf dieſe Weiſe ſehr vollkommen be-
ſtimmt war, und doch habe ich mehrere ſorgfaͤltige Vorrichtungen,
um dieſen Zweck vollkommen zu erreichen, noch mit Stillſchweigen
uͤbergangen. Bei der Abmeſſung der Laͤnge kam es nun vorzuͤglich
auf die groͤßeſte Genauigkeit in Beſtimmung des Laͤngen-Unterſchiedes
beider Pendel an. Es ward dazu eine von Fortin in Paris ver-
fertigte Toiſe angewandt, die mit dem Normalmaaße der Toise de
Perou
genau verglichen, und nur um einer Linie zu kurz be-
funden war. — Da ich nachher Gelegenheit haben werde zu ſagen,
wie man ſich von einer ſo genauen Uebereinſtimmung uͤberzeugen
kann, ſo will ich jetzt bei der Einrichtung des Comparateurs, mit
welchem dieſe Maaßvergleichungen angeſtellt werden, nicht verweilen.
Dieſe Toiſe wurde, in ihrer Mitte von einer Huͤlfe getragen, vertical
aufgehaͤngt, und ſtuͤtzte ſich auf einen genau horizontal abgeſchliffe-
nen Cylinder, den ich die Unterlage nennen will. Indem nun die
zum Aufhaͤngen des Pendels dienende Vorrichtung ſich ganz genau
ebenſo bei den Schwingungen des laͤngern Pendels an die obere
Flaͤche der Toiſe, wie bei den Schwingungen des kuͤrzern Pendels
an die obere Flaͤche der Unterlage andruͤckte, ſo waren die Hoͤhen der
Aufhaͤngepuncte ganz genau um eine Toiſe verſchieden, jedoch muß-
ten die geringen Unterſchiede, welche die Ausdehnung der Toiſe durch
die Waͤrme hervorbringt, in Rechnung gezogen werden. Die Lage
des untern Endpunctes ward durch ein Micrometer, das ich ſogleich
beſchreiben werde, berichtigt. Da das Pendel aus einem Stahlfa-
den beſteht, an welchem eine Meſſingkugel haͤngt, ſo iſt es der un-
terſte Punct der Kugel, deſſen Lage eine genau ſo große Hoͤhe im
einen und im andern Falle haben muß, wenn das laͤngere Pendel um
eine genaue Toiſe laͤnger als das kuͤrzere ſein ſoll. Die Hoͤhe dieſes
Endpunctes wird mit einer Micrometerſchraube abgemeſſen, deren
ganze Schraubengaͤnge eine Weite von 0,0902 Linien haben, und an
der noch die Hunderttel einer Drehung, die alſo 0,0009 Linien be-
tragen, abgeleſen werden. Um aber noch eine groͤßere Genauigkeit
zu erreichen, beruͤhrt der durch die Drehung der Micrometerſchraube

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[110/0132] ſondern da das frei haͤngende Pendel anfangs etwas groͤßere, all- maͤhlig immer kleinere Bogen durchlaͤuft, ſo werden die Schwin- gungszeiten nach und nach etwas, freilich ſehr wenig, kuͤrzer. — Doch ich habe wohl genug geſagt, um zu zeigen, daß die Zeit der Schwingungen des Pendels auf dieſe Weiſe ſehr vollkommen be- ſtimmt war, und doch habe ich mehrere ſorgfaͤltige Vorrichtungen, um dieſen Zweck vollkommen zu erreichen, noch mit Stillſchweigen uͤbergangen. Bei der Abmeſſung der Laͤnge kam es nun vorzuͤglich auf die groͤßeſte Genauigkeit in Beſtimmung des Laͤngen-Unterſchiedes beider Pendel an. Es ward dazu eine von Fortin in Paris ver- fertigte Toiſe angewandt, die mit dem Normalmaaße der Toise de Perou genau verglichen, und nur um [FORMEL] einer Linie zu kurz be- funden war. — Da ich nachher Gelegenheit haben werde zu ſagen, wie man ſich von einer ſo genauen Uebereinſtimmung uͤberzeugen kann, ſo will ich jetzt bei der Einrichtung des Comparateurs, mit welchem dieſe Maaßvergleichungen angeſtellt werden, nicht verweilen. Dieſe Toiſe wurde, in ihrer Mitte von einer Huͤlfe getragen, vertical aufgehaͤngt, und ſtuͤtzte ſich auf einen genau horizontal abgeſchliffe- nen Cylinder, den ich die Unterlage nennen will. Indem nun die zum Aufhaͤngen des Pendels dienende Vorrichtung ſich ganz genau ebenſo bei den Schwingungen des laͤngern Pendels an die obere Flaͤche der Toiſe, wie bei den Schwingungen des kuͤrzern Pendels an die obere Flaͤche der Unterlage andruͤckte, ſo waren die Hoͤhen der Aufhaͤngepuncte ganz genau um eine Toiſe verſchieden, jedoch muß- ten die geringen Unterſchiede, welche die Ausdehnung der Toiſe durch die Waͤrme hervorbringt, in Rechnung gezogen werden. Die Lage des untern Endpunctes ward durch ein Micrometer, das ich ſogleich beſchreiben werde, berichtigt. Da das Pendel aus einem Stahlfa- den beſteht, an welchem eine Meſſingkugel haͤngt, ſo iſt es der un- terſte Punct der Kugel, deſſen Lage eine genau ſo große Hoͤhe im einen und im andern Falle haben muß, wenn das laͤngere Pendel um eine genaue Toiſe laͤnger als das kuͤrzere ſein ſoll. Die Hoͤhe dieſes Endpunctes wird mit einer Micrometerſchraube abgemeſſen, deren ganze Schraubengaͤnge eine Weite von 0,0902 Linien haben, und an der noch die Hunderttel einer Drehung, die alſo 0,0009 Linien be- tragen, abgeleſen werden. Um aber noch eine groͤßere Genauigkeit zu erreichen, beruͤhrt der durch die Drehung der Micrometerſchraube

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Zitationshilfe: Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1830, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre01_1830/132>, abgerufen am 27.11.2024.