die Füsse zu nehmen. "Wir wollen bey Nacht und "Nebel fort", sagte Laurenz; "es giebt sonst ein "gar zu wunderfitzig Gelüg; und an einem Werk- "tag hab' ich nicht Zeit. Mach dich also reisfertig. "Einen guten Rock, damit ist's gethan". Sam- stag Morgens macht' ich also alles zurecht. Nun gieng's an den Abschied. Mutter und Schwestern vergossen häufige Thränen, und fiengen schon um Mittag an, mir tausendmal: Gott behüt', Gott geleit' dich! zu sagen. Mein Vater aber, ebenfalls voll Wehmuth, gab mir, nebst etlichen Batzen, fol- gendes auf den Weg: "Uli"! sprach er zu mir, "du gehst fort, Uli! Ich weiß nicht wohin, und "du weist's eben so wenig. Aber Laurenz ist ein "gereister Mann, und ich trau' ihm die Redlich- "keit zu, er werd' irgendwo ein gutes Nest ken- "nen, wo er dich absetzen kann. Du von deiner "Seite halt dich nur redlich und brav, so wird's, "will's Gott! nicht übel fehlen. Itzt bist du noch "wie ein ungebacknes Brödtlin: Gieb Achtung, und "laß dich weisen; du bist gelehrig. Uebrigens weist' "du, Ich hab' dir das Ding nie mit keinem Wort "weder gerathen noch mißrathen. Es war Laurenzens "Einfall, und dein Wille; denen fügt' ich mich, "und zwar noch mit ziemlich schwerem Herzen. Denn, "am End konnt' ich dir noch wie bisher Brodt geben, "wenn du dich weiter willig zu saurer und nicht saurer Ar- "beit, wie sie kommt, bequemt hättest. Aber darum "werd' ich mich nicht minder freuen, wenn du itzt Speis', "und Lohn dazu, auf eine leichtere Art verdienen,
die Fuͤſſe zu nehmen. „Wir wollen bey Nacht und „Nebel fort„, ſagte Laurenz; „es giebt ſonſt ein „gar zu wunderfitzig Geluͤg; und an einem Werk- „tag hab’ ich nicht Zeit. Mach dich alſo reisfertig. „Einen guten Rock, damit iſt’s gethan„. Sam- ſtag Morgens macht’ ich alſo alles zurecht. Nun gieng’s an den Abſchied. Mutter und Schweſtern vergoſſen haͤufige Thraͤnen, und fiengen ſchon um Mittag an, mir tauſendmal: Gott behuͤt’, Gott geleit’ dich! zu ſagen. Mein Vater aber, ebenfalls voll Wehmuth, gab mir, nebſt etlichen Batzen, fol- gendes auf den Weg: „Uli„! ſprach er zu mir, „du gehſt fort, Uli! Ich weiß nicht wohin, und „du weiſt’s eben ſo wenig. Aber Laurenz iſt ein „gereiſter Mann, und ich trau’ ihm die Redlich- „keit zu, er werd’ irgendwo ein gutes Neſt ken- „nen, wo er dich abſetzen kann. Du von deiner „Seite halt dich nur redlich und brav, ſo wird’s, „will’s Gott! nicht uͤbel fehlen. Itzt biſt du noch „wie ein ungebacknes Broͤdtlin: Gieb Achtung, und „laß dich weiſen; du biſt gelehrig. Uebrigens weiſt’ „du, Ich hab’ dir das Ding nie mit keinem Wort „weder gerathen noch mißrathen. Es war Laurenzens „Einfall, und dein Wille; denen fuͤgt’ ich mich, „und zwar noch mit ziemlich ſchwerem Herzen. Denn, „am End konnt’ ich dir noch wie bisher Brodt geben, „wenn du dich weiter willig zu ſaurer und nicht ſaurer Ar- „beit, wie ſie kommt, bequemt haͤtteſt. Aber darum „werd’ ich mich nicht minder freuen, wenn du itzt Speiſ’, „und Lohn dazu, auf eine leichtere Art verdienen,
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die Fuͤſſe zu nehmen. „Wir wollen bey Nacht und
„Nebel fort„, ſagte Laurenz; „es giebt ſonſt ein
„gar zu wunderfitzig Geluͤg; und an einem Werk-
„tag hab’ ich nicht Zeit. Mach dich alſo reisfertig.
„Einen guten Rock, damit iſt’s gethan„. Sam-
ſtag Morgens macht’ ich alſo alles zurecht. Nun
gieng’s an den Abſchied. Mutter und Schweſtern
vergoſſen haͤufige Thraͤnen, und fiengen ſchon um
Mittag an, mir tauſendmal: Gott behuͤt’, Gott
geleit’ dich! zu ſagen. Mein Vater aber, ebenfalls
voll Wehmuth, gab mir, nebſt etlichen Batzen, fol-
gendes auf den Weg: „Uli„! ſprach er zu mir,
„du gehſt fort, Uli! Ich weiß nicht wohin, und
„du weiſt’s eben ſo wenig. Aber Laurenz iſt ein
„gereiſter Mann, und ich trau’ ihm die Redlich-
„keit zu, er werd’ irgendwo ein gutes Neſt ken-
„nen, wo er dich abſetzen kann. Du von deiner
„Seite halt dich nur redlich und brav, ſo wird’s,
„will’s Gott! nicht uͤbel fehlen. Itzt biſt du noch
„wie ein ungebacknes Broͤdtlin: Gieb Achtung, und
„laß dich weiſen; du biſt gelehrig. Uebrigens weiſt’
„du, Ich hab’ dir das Ding nie mit keinem Wort
„weder gerathen noch mißrathen. Es war Laurenzens
„Einfall, und dein Wille; denen fuͤgt’ ich mich,
„und zwar noch mit ziemlich ſchwerem Herzen. Denn,
„am End konnt’ ich dir noch wie bisher Brodt geben,
„wenn du dich weiter willig zu ſaurer und nicht ſaurer Ar-
„beit, wie ſie kommt, bequemt haͤtteſt. Aber darum
„werd’ ich mich nicht minder freuen, wenn du itzt Speiſ’,
„und Lohn dazu, auf eine leichtere Art verdienen,
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Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789/98>, abgerufen am 02.02.2025.
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