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Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789.

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I.
Meine Voreltern.

Dererwegen bin ich so unwissend als es Wenige
seyn mögen. Daß ich Vater und Mutter gehabt, das
weiß ich. Meinen sel. Vater kannt' ich viele Jahre,
und meine Mutter lebt noch. Daß diese auch ihre
Eltern gehabt, kann ich mir einbilden. Aber ich kann-
te sie nicht, und habe auch nichts von ihnen vernom-
men, ausser daß mein Großvater M. B. aus dem
Käbisboden geheissen, und meine Großmutter
(deren Namen und Heimath ich niemals vernommen)
an meines Vaters Geburt gestorben; daher ihn denn
ein kinderloser Vetter J. W. im Näbis, der Ge-
meind Wattweil, an Kindesstatt angenommen; den
ich darum auch nebst seiner Frau für meine rechten
Großeltern hielt und liebte, so wie sie mich hinwieder
als ein Großkind behandelten. Meine müterlichen Groß-
eltern hingegen kannt ich noch wohl; es war U. Z. und
E. W. ab der Laad.

Mein Vater war sein Tage ein armer Mann; auch
meine ganze Freundschaft hatte keinen reichen Mann auf-
zuweisen. Unser Geschlecht gehört zu dem Stipendigut.
Wenn ich oder meine Nachkommen einen Sohn woll-
ten studiren lassen, so hätte er 600. Gl. zu beziehen.
Erst vorm Jahr war mein Vetter, E. B. von Ka-
pel,
Stipendi-Pfleger. Ich weiß aber noch von
keinem B. der studiert hätte. Mein Vater hat viele
Jahre das Hofjüngergeld bekommen; ist aber bey

I.
Meine Voreltern.

Dererwegen bin ich ſo unwiſſend als es Wenige
ſeyn moͤgen. Daß ich Vater und Mutter gehabt, das
weiß ich. Meinen ſel. Vater kannt’ ich viele Jahre,
und meine Mutter lebt noch. Daß dieſe auch ihre
Eltern gehabt, kann ich mir einbilden. Aber ich kann-
te ſie nicht, und habe auch nichts von ihnen vernom-
men, auſſer daß mein Großvater M. B. aus dem
Kaͤbisboden geheiſſen, und meine Großmutter
(deren Namen und Heimath ich niemals vernommen)
an meines Vaters Geburt geſtorben; daher ihn denn
ein kinderloſer Vetter J. W. im Naͤbis, der Ge-
meind Wattweil, an Kindesſtatt angenommen; den
ich darum auch nebſt ſeiner Frau fuͤr meine rechten
Großeltern hielt und liebte, ſo wie ſie mich hinwieder
als ein Großkind behandelten. Meine muͤterlichen Groß-
eltern hingegen kannt ich noch wohl; es war U. Z. und
E. W. ab der Laad.

Mein Vater war ſein Tage ein armer Mann; auch
meine ganze Freundſchaft hatte keinen reichen Mann auf-
zuweiſen. Unſer Geſchlecht gehoͤrt zu dem Stipendigut.
Wenn ich oder meine Nachkommen einen Sohn woll-
ten ſtudiren laſſen, ſo haͤtte er 600. Gl. zu beziehen.
Erſt vorm Jahr war mein Vetter, E. B. von Ka-
pel,
Stipendi-Pfleger. Ich weiß aber noch von
keinem B. der ſtudiert haͤtte. Mein Vater hat viele
Jahre das Hofjuͤngergeld bekommen; iſt aber bey

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[3/0019] I. Meine Voreltern. Dererwegen bin ich ſo unwiſſend als es Wenige ſeyn moͤgen. Daß ich Vater und Mutter gehabt, das weiß ich. Meinen ſel. Vater kannt’ ich viele Jahre, und meine Mutter lebt noch. Daß dieſe auch ihre Eltern gehabt, kann ich mir einbilden. Aber ich kann- te ſie nicht, und habe auch nichts von ihnen vernom- men, auſſer daß mein Großvater M. B. aus dem Kaͤbisboden geheiſſen, und meine Großmutter (deren Namen und Heimath ich niemals vernommen) an meines Vaters Geburt geſtorben; daher ihn denn ein kinderloſer Vetter J. W. im Naͤbis, der Ge- meind Wattweil, an Kindesſtatt angenommen; den ich darum auch nebſt ſeiner Frau fuͤr meine rechten Großeltern hielt und liebte, ſo wie ſie mich hinwieder als ein Großkind behandelten. Meine muͤterlichen Groß- eltern hingegen kannt ich noch wohl; es war U. Z. und E. W. ab der Laad. Mein Vater war ſein Tage ein armer Mann; auch meine ganze Freundſchaft hatte keinen reichen Mann auf- zuweiſen. Unſer Geſchlecht gehoͤrt zu dem Stipendigut. Wenn ich oder meine Nachkommen einen Sohn woll- ten ſtudiren laſſen, ſo haͤtte er 600. Gl. zu beziehen. Erſt vorm Jahr war mein Vetter, E. B. von Ka- pel, Stipendi-Pfleger. Ich weiß aber noch von keinem B. der ſtudiert haͤtte. Mein Vater hat viele Jahre das Hofjuͤngergeld bekommen; iſt aber bey

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Zitationshilfe: Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789/19>, abgerufen am 29.03.2024.