lich mein Wort; gleichwohl aber macht' ich mir auch kein Gewissen daraus, hie und da mit einem hüb- schen Kind zu schäckern; wie mich denn auch die Dinger recht wohl leiden mochten. Mein Herr, der war nun vollends gar ein Liebhaber des schönen Ge- schlechts bis zum Entsetzen, und im Nothfall jede Köchin ihm gut genug. Mich bewahre Gott dafür! dacht' ich oft, so ein armes bisher ehrliches Mäd- chen zu besudeln, und dann Heut oder Morgens wegzureisen, und es sitzen zu lassen. Eine von den beyden Köchinnen im Wirthshause, Mariane, dau- erte mich innig. Sie liebte mich heftig, gab und that mir, was sie mir in den Augen ansah. Ich hingegen bezeigte mich immer schnurrig; sie ließ sich's aber nicht anfechten, und blieb gegen mich stets die- selbe. Schön war sie nicht, aber herzlich gut. Die andere Köchin, Hanne, machte mir schon mehr An- fechtungen. Diese war zierlich hübsch, und ich, ver- muthlich darum, eine zeitlang sterblich verliebt in sie. Hätt' sie meine Aufwart williger angenommen, wär' ich wirklich an ihr zum Narrn worden. Aber ich sah bald, daß sie gut mit Markoni stuhnd. Ich merkte, daß sie alle Morgen zu ihm aufs Zimmer schliech. Damit that sie mir einen doppelten Dienst: Erstlich verwandelte sich meine Liebe in Haß: Zwey- tens stand nun mein Herr nicht mehr so frühe als gewöhnlich auf; also konnt' auch ich hinwieder um so viel länger schlafen. Bisweilen kam er schon ge- stiefelt und gesporrnt auf meine Kammer, und traf mich noch im Bett' an, ohne mir Vorwürf' zu ma-
lich mein Wort; gleichwohl aber macht’ ich mir auch kein Gewiſſen daraus, hie und da mit einem huͤb- ſchen Kind zu ſchaͤckern; wie mich denn auch die Dinger recht wohl leiden mochten. Mein Herr, der war nun vollends gar ein Liebhaber des ſchoͤnen Ge- ſchlechts bis zum Entſetzen, und im Nothfall jede Koͤchin ihm gut genug. Mich bewahre Gott dafuͤr! dacht’ ich oft, ſo ein armes bisher ehrliches Maͤd- chen zu beſudeln, und dann Heut oder Morgens wegzureiſen, und es ſitzen zu laſſen. Eine von den beyden Koͤchinnen im Wirthshauſe, Mariane, dau- erte mich innig. Sie liebte mich heftig, gab und that mir, was ſie mir in den Augen anſah. Ich hingegen bezeigte mich immer ſchnurrig; ſie ließ ſich’s aber nicht anfechten, und blieb gegen mich ſtets die- ſelbe. Schoͤn war ſie nicht, aber herzlich gut. Die andere Koͤchin, Hanne, machte mir ſchon mehr An- fechtungen. Dieſe war zierlich huͤbſch, und ich, ver- muthlich darum, eine zeitlang ſterblich verliebt in ſie. Haͤtt’ ſie meine Aufwart williger angenommen, waͤr’ ich wirklich an ihr zum Narrn worden. Aber ich ſah bald, daß ſie gut mit Markoni ſtuhnd. Ich merkte, daß ſie alle Morgen zu ihm aufs Zimmer ſchliech. Damit that ſie mir einen doppelten Dienſt: Erſtlich verwandelte ſich meine Liebe in Haß: Zwey- tens ſtand nun mein Herr nicht mehr ſo fruͤhe als gewoͤhnlich auf; alſo konnt’ auch ich hinwieder um ſo viel laͤnger ſchlafen. Bisweilen kam er ſchon ge- ſtiefelt und geſporrnt auf meine Kammer, und traf mich noch im Bett’ an, ohne mir Vorwuͤrf’ zu ma-
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lich mein Wort; gleichwohl aber macht’ ich mir auch
kein Gewiſſen daraus, hie und da mit einem huͤb-
ſchen Kind zu ſchaͤckern; wie mich denn auch die
Dinger recht wohl leiden mochten. Mein Herr, der
war nun vollends gar ein Liebhaber des ſchoͤnen Ge-
ſchlechts bis zum Entſetzen, und im Nothfall jede
Koͤchin ihm gut genug. Mich bewahre Gott dafuͤr!
dacht’ ich oft, ſo ein armes bisher ehrliches Maͤd-
chen zu beſudeln, und dann Heut oder Morgens
wegzureiſen, und es ſitzen zu laſſen. Eine von den
beyden Koͤchinnen im Wirthshauſe, Mariane, dau-
erte mich innig. Sie liebte mich heftig, gab und
that mir, was ſie mir in den Augen anſah. Ich
hingegen bezeigte mich immer ſchnurrig; ſie ließ ſich’s
aber nicht anfechten, und blieb gegen mich ſtets die-
ſelbe. Schoͤn war ſie nicht, aber herzlich gut. Die
andere Koͤchin, Hanne, machte mir ſchon mehr An-
fechtungen. Dieſe war zierlich huͤbſch, und ich, ver-
muthlich darum, eine zeitlang ſterblich verliebt in ſie.
Haͤtt’ ſie meine Aufwart williger angenommen, waͤr’
ich wirklich an ihr zum Narrn worden. Aber ich
ſah bald, daß ſie gut mit Markoni ſtuhnd. Ich
merkte, daß ſie alle Morgen zu ihm aufs Zimmer
ſchliech. Damit that ſie mir einen doppelten Dienſt:
Erſtlich verwandelte ſich meine Liebe in Haß: Zwey-
tens ſtand nun mein Herr nicht mehr ſo fruͤhe als
gewoͤhnlich auf; alſo konnt’ auch ich hinwieder um
ſo viel laͤnger ſchlafen. Bisweilen kam er ſchon ge-
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Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789/120>, abgerufen am 23.11.2024.
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