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Borinski, Karl: Deutsche Poetik. Stuttgart, 1895.

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grade dadurch ihr Publikum zur Selbstergänzung zu zwingen, pbo_049.002
es rascher mit sich fortzureißen. (Virgils "quos ego" --! pbo_049.003
euch werd' ich --!) Die poetische Sprache pocht hier gleichsam pbo_049.004
auf die Macht, die sie auf den Hörer ausübt. Wir sehen ihr pbo_049.005
aus diesem Grunde sogar die mangelhafte (ja falsche) Ausgestaltung pbo_049.006
der Satzfolge (Konstruktion) unbedenklich nach, die pbo_049.007
wir dem strengen Prosaiker als ein Zeichen von Nachlässigkeit pbo_049.008
der Gedankenformung (Anakoluthie) sehr verübeln würden.

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§ 39. Klangfiguren.

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Es entstünde nun die Frage, in welche der beiden Klassen pbo_049.011
jene Art Figuren einzureihen wäre, in denen rein durch den pbo_049.012
Wortklang eine Einwirkung auf die Sprachbewegung erzielt pbo_049.013
wird. Zählen sie zu den pointierenden oder den bewegenden pbo_049.014
Figuren? Sie stellen sich zu den pointierenden, wenn sie wie pbo_049.015
das kat'exokhen sogenannte Wortspiel (Annominatio) und pbo_049.016
der darauf gegründete Witz einen Punkt der Rede besonders pbo_049.017
markieren. Sie treten aber wiederum zu den bewegenden, pbo_049.018
indem sie bloß durch Wiederholung der reinen Wortklänge pbo_049.019
die Wortfügung anregen. Repräsentativform dafür ist die pbo_049.020
Anaphora (griech. Zurückführen nämlich desselben Wortes), pbo_049.021
die je nach der Stellung in Satz und Vers eine Menge pbo_049.022
Unterarten zuläßt, deren Aufzählung mit ihren grammatischen pbo_049.023
Titulaturen wir dem Leser ersparen. Also: "Das Wasser pbo_049.024
rauscht, das Wasser schwoll"; "so gleicht kein Ei dem pbo_049.025
andern,
kein Stern dem andern nicht" (Mörike) und so pbo_049.026
in vielen Variationen. Die eigentümliche Doppelstellung dieser pbo_049.027
Art von Figuren ist nun keineswegs zufällig. Sie findet ihre pbo_049.028
Begründung darin, daß die bloße Klangform im Wort eben pbo_049.029
schon etwas bedeutet, was über den Sinn und die Sinnfügung pbo_049.030
in der Sprache hinausgreift in das melodische Gebiet.

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grade dadurch ihr Publikum zur Selbstergänzung zu zwingen, pbo_049.002
es rascher mit sich fortzureißen. (Virgils „quos ego“ —! pbo_049.003
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wir dem strengen Prosaiker als ein Zeichen von Nachlässigkeit pbo_049.008
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§ 39. Klangfiguren.

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Es entstünde nun die Frage, in welche der beiden Klassen pbo_049.011
jene Art Figuren einzureihen wäre, in denen rein durch den pbo_049.012
Wortklang eine Einwirkung auf die Sprachbewegung erzielt pbo_049.013
wird. Zählen sie zu den pointierenden oder den bewegenden pbo_049.014
Figuren? Sie stellen sich zu den pointierenden, wenn sie wie pbo_049.015
das κατ'ἐξοχήν sogenannte Wortspiel (Annominatio) und pbo_049.016
der darauf gegründete Witz einen Punkt der Rede besonders pbo_049.017
markieren. Sie treten aber wiederum zu den bewegenden, pbo_049.018
indem sie bloß durch Wiederholung der reinen Wortklänge pbo_049.019
die Wortfügung anregen. Repräsentativform dafür ist die pbo_049.020
Anaphora (griech. Zurückführen nämlich desselben Wortes), pbo_049.021
die je nach der Stellung in Satz und Vers eine Menge pbo_049.022
Unterarten zuläßt, deren Aufzählung mit ihren grammatischen pbo_049.023
Titulaturen wir dem Leser ersparen. Also: „Das Wasser pbo_049.024
rauscht, das Wasser schwoll“; „so gleicht kein Ei dem pbo_049.025
andern,
kein Stern dem andern nicht“ (Mörike) und so pbo_049.026
in vielen Variationen. Die eigentümliche Doppelstellung dieser pbo_049.027
Art von Figuren ist nun keineswegs zufällig. Sie findet ihre pbo_049.028
Begründung darin, daß die bloße Klangform im Wort eben pbo_049.029
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Zitationshilfe: Borinski, Karl: Deutsche Poetik. Stuttgart, 1895, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/borinski_poetik_1895/53>, abgerufen am 25.11.2024.