Borinski, Karl: Deutsche Poetik. Stuttgart, 1895.pbo_039.001 § 31. Das Beiwort (Epitheton). pbo_039.004 "ton d' apameibomenos prosephe --" pbo_039.001 § 31. Das Beiwort (Epitheton). pbo_039.004 „τὸν δ' ἀπαμειβόμενος προσέφη —“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0043" n="39"/><lb n="pbo_039.001"/> poetischen wesentliche Anschauung des im Worte erstarrten <lb n="pbo_039.002"/> Bildes ist.“</p> <lb n="pbo_039.003"/> </div> <div n="4"> <head> <hi rendition="#c">§ 31. Das Beiwort (Epitheton).</hi> </head> <p><lb n="pbo_039.004"/> Was man daher im Gegensatz zu den poetischen <hi rendition="#g">Tropen</hi> <lb n="pbo_039.005"/> im Sinne der Grammatik und Rhetorik als <hi rendition="#g">Figuren</hi> bezeichnet, <lb n="pbo_039.006"/> muß durchwegs in Beziehung auf sie als ihre wesentliche <lb n="pbo_039.007"/> Voraussetzung aufgefaßt werden. Die ursprünglichste <lb n="pbo_039.008"/> aller Figuren, das einfache Beiwort (<hi rendition="#g">Epitheton,</hi> griech. = <lb n="pbo_039.009"/> Zugesetztes), vertritt jetzt auf der Grundlage der ausgebildeten <lb n="pbo_039.010"/> Sprache genau dasselbe, was <hi rendition="#g">vor</hi> aller Sprache das Wort <lb n="pbo_039.011"/> an und für sich bedeutete: nämlich die unterscheidende Bezeichnung <lb n="pbo_039.012"/> eines Dinges, ebensowie die einfache Umschreibung <lb n="pbo_039.013"/> (gr. <hi rendition="#g">Periphrasis</hi>) die unterscheidende Bezeichnung eines Vorgangs. <lb n="pbo_039.014"/> Darum finden wir auch in jenen poetischen Urkunden <lb n="pbo_039.015"/> aus der menschlichen Urzeit noch durchweg das <hi rendition="#g">stehende <lb n="pbo_039.016"/> Beiwort</hi> im Gebrauch, von den Grammatikern ganz unangemessen <lb n="pbo_039.017"/> als <hi rendition="#g">epitheton ornans (schmückendes</hi> <lb n="pbo_039.018"/> Beiwort) aufgefaßt. Denn es ist eben keineswegs zufälliger <lb n="pbo_039.019"/> Schmuck der Rede, sondern eine ganz bestimmte anschauliche <lb n="pbo_039.020"/> Unterscheidung, die damit bezweckt wird, wenn Homer stets <lb n="pbo_039.021"/> vom „fußschnellen Achilleus“, vom „listenreichen Odysseus“, <lb n="pbo_039.022"/> vom „gerenischen reisigen Nestor“ spricht; wenn die Bibel statt <lb n="pbo_039.023"/> des einfachen Ausdrucks „und Gott sprach“ immer ausführt: <lb n="pbo_039.024"/> „Und Gott segnete und sprach“, „er vertrieb sie und stieß sie <lb n="pbo_039.025"/> aus“, „er schlug und schmähte sie“, „er antwortete und sprach“, <lb n="pbo_039.026"/> was ja Homer ganz genau so formuliert:</p> <lb n="pbo_039.027"/> <p> „<foreign xml:lang="grc">τὸν δ' ἀπαμειβόμενος προσέφη</foreign> —“ </p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [39/0043]
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poetischen wesentliche Anschauung des im Worte erstarrten pbo_039.002
Bildes ist.“
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§ 31. Das Beiwort (Epitheton). pbo_039.004
Was man daher im Gegensatz zu den poetischen Tropen pbo_039.005
im Sinne der Grammatik und Rhetorik als Figuren bezeichnet, pbo_039.006
muß durchwegs in Beziehung auf sie als ihre wesentliche pbo_039.007
Voraussetzung aufgefaßt werden. Die ursprünglichste pbo_039.008
aller Figuren, das einfache Beiwort (Epitheton, griech. = pbo_039.009
Zugesetztes), vertritt jetzt auf der Grundlage der ausgebildeten pbo_039.010
Sprache genau dasselbe, was vor aller Sprache das Wort pbo_039.011
an und für sich bedeutete: nämlich die unterscheidende Bezeichnung pbo_039.012
eines Dinges, ebensowie die einfache Umschreibung pbo_039.013
(gr. Periphrasis) die unterscheidende Bezeichnung eines Vorgangs. pbo_039.014
Darum finden wir auch in jenen poetischen Urkunden pbo_039.015
aus der menschlichen Urzeit noch durchweg das stehende pbo_039.016
Beiwort im Gebrauch, von den Grammatikern ganz unangemessen pbo_039.017
als epitheton ornans (schmückendes pbo_039.018
Beiwort) aufgefaßt. Denn es ist eben keineswegs zufälliger pbo_039.019
Schmuck der Rede, sondern eine ganz bestimmte anschauliche pbo_039.020
Unterscheidung, die damit bezweckt wird, wenn Homer stets pbo_039.021
vom „fußschnellen Achilleus“, vom „listenreichen Odysseus“, pbo_039.022
vom „gerenischen reisigen Nestor“ spricht; wenn die Bibel statt pbo_039.023
des einfachen Ausdrucks „und Gott sprach“ immer ausführt: pbo_039.024
„Und Gott segnete und sprach“, „er vertrieb sie und stieß sie pbo_039.025
aus“, „er schlug und schmähte sie“, „er antwortete und sprach“, pbo_039.026
was ja Homer ganz genau so formuliert:
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„τὸν δ' ἀπαμειβόμενος προσέφη —“
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(2015-09-30T09:54:39Z)
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