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Borinski, Karl: Deutsche Poetik. Stuttgart, 1895.

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sie in gewisser Stammesverbindung, obwohl man in der Annahme pbo_031.002
einer solchen vorsichtig sein muß. Denn das dichterische pbo_031.003
Vermögen ist überall das gleiche, wenn auch verschieden wirksam pbo_031.004
und ausgebildet.

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§ 23. Mythologisches Bedürfnis.

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Das gilt für alle Zeiten. Denn es läßt sich auch in pbo_031.007
dieser Hinsicht nicht völlig ertöten. Jn der jüdischen Religion pbo_031.008
und ihrer rationellen Vollendung dem Christentum, wurde zwar pbo_031.009
das Jdeal einer reinen Vernunftreligion aufgestellt und pbo_031.010
mit ihrer Durchführung die alten wirksamen Mythologien, pbo_031.011
die klassische sowohl als die der germanischen Völker, prinzipiell pbo_031.012
auf das entschiedenste bekämpft und dogmatisch unwirksam pbo_031.013
zu machen gesucht. Die alten Götterbilder wurden umgestürzt, pbo_031.014
um dem Einen Unsichtbaren den Altar aufzurichten.

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Gleichwohl ist es weder der jüdischen Religion (wovon pbo_031.017
sogar die Bibel, noch mehr die apokryphe und gnostische pbo_031.018
Litteratur Kunde giebt), noch dem Christentum gelungen, dem pbo_031.019
mythologischen Bedürfnis in ihrem Bereich allen Boden zu pbo_031.020
entziehen. Alle Umbildungen in der Kirchengeschichte, vor pbo_031.021
allen die bedeutendste und nachhaltigste, die Reformation, treffen pbo_031.022
das Ueberwuchern der Mythologie. Allein gänzlich ohne pbo_031.023
Mythologie giebt es keine Kirche. Das hat der Protestantismus pbo_031.024
oft und eindringlich genug erfahren müssen. Die durchschnittliche pbo_031.025
Menschennatur bleibt außer stande, ohne sinnliche pbo_031.026
Symbole mit der Gottheit zu verkehren. Die Dichtung giebt pbo_031.027
die Probe darauf durch die Art, wie sie einzig religiöse Stoffe pbo_031.028
zu behandeln in der Lage ist (Dante, Tasso, Milton, Klopstock).

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Gleichwohl ist es weder der jüdischen Religion (wovon pbo_031.017
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Zitationshilfe: Borinski, Karl: Deutsche Poetik. Stuttgart, 1895, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/borinski_poetik_1895/35>, abgerufen am 21.11.2024.