Borinski, Karl: Deutsche Poetik. Stuttgart, 1895.pbo_128.001 § 88. Religiöses Epos. pbo_128.012 *) pbo_128.029 Vergl. Sammlung Göschen Nr. 32. Die deutsche Heldensage. **) pbo_128.030
Vergl. Sammlung Göschen Nr. 16. Griechische Altertumskunde. pbo_128.001 § 88. Religiöses Epos. pbo_128.012 *) pbo_128.029 Vergl. Sammlung Göschen Nr. 32. Die deutsche Heldensage. **) pbo_128.030
Vergl. Sammlung Göschen Nr. 16. Griechische Altertumskunde. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0132" n="128"/><lb n="pbo_128.001"/> (Verbindungen von Menschen, Stämme und Völker) treten daher <lb n="pbo_128.002"/> im Epos weit mehr in den Gesichtskreis. Sein ältester und <lb n="pbo_128.003"/> bester Vorwurf sind große Völkerschicksale, wie sie sich in den <lb n="pbo_128.004"/> Thaten ihrer Helden spiegeln, ein großes geistiges Besitztum <lb n="pbo_128.005"/> für jede Nation<note corresp="PBO_128_*" place="foot" n="*)"><lb n="pbo_128.029"/> Vergl. <hi rendition="#g">Sammlung Göschen</hi> Nr. 32. Die deutsche Heldensage.</note>. Doch muß dies früh und bedeutsam sich <lb n="pbo_128.006"/> einstellen, wie im Homerischen Epos bei den Griechen<note corresp="PBO_128_**" place="foot" n="**)"><lb n="pbo_128.030"/> Vergl. <hi rendition="#g">Sammlung Göschen</hi> Nr. 16. Griechische Altertumskunde.</note> und <lb n="pbo_128.007"/> mindestens ähnlich in den deutschen Nibelungen. Was im <lb n="pbo_128.008"/> natürlich poetischen Jugendzeitalter des Volkes der schaffende <lb n="pbo_128.009"/> Genius versäumt hat, kann später selbst die beste Kunst schwer <lb n="pbo_128.010"/> ersetzen (Virgils Aeneis bei den Römern).</p> <lb n="pbo_128.011"/> </div> <div n="4"> <head> <hi rendition="#c">§ 88. Religiöses Epos.</hi> </head> <p><lb n="pbo_128.012"/> Jnsofern das Nationalepos das Schicksal seiner Helden <lb n="pbo_128.013"/> und des durch sie vertretenen Volkstums unmittelbar an die <lb n="pbo_128.014"/> göttliche Fürsorge anknüpft, ja zwischen Göttern und göttergleichen, <lb n="pbo_128.015"/> gotterzeugten Wesen dabei gar keine absolute Unterscheidung <lb n="pbo_128.016"/> macht (Achilleus, Helena, Siegfried, Brunhilde), erscheint <lb n="pbo_128.017"/> es bereits seinem Charakter nach als <hi rendition="#g">religiöses</hi> Epos. <lb n="pbo_128.018"/> Doch hat die Erhebung des Christentums zur Weltreligion <lb n="pbo_128.019"/> und damit die Herübernahme der Bibel als historischen Dokuments <lb n="pbo_128.020"/> seiner Entstehung (Offenbarung!) dahingeführt, alle <lb n="pbo_128.021"/> daran anzuknüpfenden epischen Bestrebungen unter dem besonderen <lb n="pbo_128.022"/> Begriffe des <hi rendition="#g">religiösen Epos</hi> zusammenzufassen. Der <lb n="pbo_128.023"/> Sündenfall (Miltons „verlorenes Paradies“), die Thaten der <lb n="pbo_128.024"/> Erzväter („Patriarchaden“), Richter und Könige, die ja schon <lb n="pbo_128.025"/> in der Bibel selbst den Charakter des nationalen Heldengesangs <lb n="pbo_128.026"/> tragen, vor allem das Leben des Heilands als höchsten <lb n="pbo_128.027"/> göttlichen Helden (Evangelienharmonien, Miltons „wiedergewonnenes <lb n="pbo_128.028"/> Paradies“, Klopstocks „Messias“), so unepisch es </p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [128/0132]
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(Verbindungen von Menschen, Stämme und Völker) treten daher pbo_128.002
im Epos weit mehr in den Gesichtskreis. Sein ältester und pbo_128.003
bester Vorwurf sind große Völkerschicksale, wie sie sich in den pbo_128.004
Thaten ihrer Helden spiegeln, ein großes geistiges Besitztum pbo_128.005
für jede Nation *). Doch muß dies früh und bedeutsam sich pbo_128.006
einstellen, wie im Homerischen Epos bei den Griechen **) und pbo_128.007
mindestens ähnlich in den deutschen Nibelungen. Was im pbo_128.008
natürlich poetischen Jugendzeitalter des Volkes der schaffende pbo_128.009
Genius versäumt hat, kann später selbst die beste Kunst schwer pbo_128.010
ersetzen (Virgils Aeneis bei den Römern).
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§ 88. Religiöses Epos. pbo_128.012
Jnsofern das Nationalepos das Schicksal seiner Helden pbo_128.013
und des durch sie vertretenen Volkstums unmittelbar an die pbo_128.014
göttliche Fürsorge anknüpft, ja zwischen Göttern und göttergleichen, pbo_128.015
gotterzeugten Wesen dabei gar keine absolute Unterscheidung pbo_128.016
macht (Achilleus, Helena, Siegfried, Brunhilde), erscheint pbo_128.017
es bereits seinem Charakter nach als religiöses Epos. pbo_128.018
Doch hat die Erhebung des Christentums zur Weltreligion pbo_128.019
und damit die Herübernahme der Bibel als historischen Dokuments pbo_128.020
seiner Entstehung (Offenbarung!) dahingeführt, alle pbo_128.021
daran anzuknüpfenden epischen Bestrebungen unter dem besonderen pbo_128.022
Begriffe des religiösen Epos zusammenzufassen. Der pbo_128.023
Sündenfall (Miltons „verlorenes Paradies“), die Thaten der pbo_128.024
Erzväter („Patriarchaden“), Richter und Könige, die ja schon pbo_128.025
in der Bibel selbst den Charakter des nationalen Heldengesangs pbo_128.026
tragen, vor allem das Leben des Heilands als höchsten pbo_128.027
göttlichen Helden (Evangelienharmonien, Miltons „wiedergewonnenes pbo_128.028
Paradies“, Klopstocks „Messias“), so unepisch es
*) pbo_128.029
Vergl. Sammlung Göschen Nr. 32. Die deutsche Heldensage.
**) pbo_128.030
Vergl. Sammlung Göschen Nr. 16. Griechische Altertumskunde.
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