Borinski, Karl: Deutsche Poetik. Stuttgart, 1895.pbo_105.001 Kinder der Klugheit, o habet die Narren pbo_105.002 Eben zum Narren auch, wie sich's gehört! pbo_105.003 Sollst uns nicht nach Weine lechzen, pbo_105.005 Gleich das volle Glas heran, pbo_105.006 Denn das Aechzen und das Krächzen pbo_105.007 Hast du heut schon abgethan. pbo_105.008 pbo_105.009 § 68. Auseinandertreten des Chores. pbo_105.026 pbo_105.001 Kinder der Klugheit, o habet die Narren pbo_105.002 Eben zum Narren auch, wie sich's gehört! pbo_105.003 Sollst uns nicht nach Weine lechzen, pbo_105.005 Gleich das volle Glas heran, pbo_105.006 Denn das Aechzen und das Krächzen pbo_105.007 Hast du heut schon abgethan. pbo_105.008 pbo_105.009 § 68. Auseinandertreten des Chores. pbo_105.026 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <pb facs="#f0109" n="105"/> <lb n="pbo_105.001"/> <lg> <l>Kinder der Klugheit, o habet die Narren </l> <lb n="pbo_105.002"/> <l>Eben zum Narren auch, wie sich's gehört!</l> </lg> <p><lb n="pbo_105.003"/> Rechenschaft:</p> <lb n="pbo_105.004"/> <lg> <l>Sollst uns nicht nach Weine lechzen, </l> <lb n="pbo_105.005"/> <l>Gleich das volle Glas heran, </l> <lb n="pbo_105.006"/> <l>Denn das Aechzen und das Krächzen </l> <lb n="pbo_105.007"/> <l>Hast du heut schon abgethan.</l> </lg> <p><lb n="pbo_105.008"/> und Ergo bibamus.</p> <p><lb n="pbo_105.009"/> Jm Chorlied können wir daher ebenso den Ausgang für <lb n="pbo_105.010"/> jene Richtungen lyrischer Poesie sinden, in denen Massenempfindungen <lb n="pbo_105.011"/> zum Ausdruck gebracht werden, wie im Epigramm <lb n="pbo_105.012"/> für die streng subjektiven. Wo gesellige Vereinigung <lb n="pbo_105.013"/> heiterer und ernster Natur irgendwie vorausgesetzt wird, zielt <lb n="pbo_105.014"/> das Lied auf chorische Wiedergabe. Namentlich jener Ernst, <lb n="pbo_105.015"/> in dem jede Gesamtheit sich trifft, bei dem persönliche und <lb n="pbo_105.016"/> Standesbeziehungen schwinden, die <hi rendition="#g">religiöse Erhebung,</hi> <lb n="pbo_105.017"/> erheischt von Natur den chorischen Ausdruck. Geistlicher Sologesang <lb n="pbo_105.018"/> ist nur am öffentlichen Ort, am besten in der Kirche <lb n="pbo_105.019"/> selbst, als Zwischensatz zwischen Chören angebracht. Ueber <lb n="pbo_105.020"/> private Andachtsübungen des Einzelnen gerade vermittels Gesanges <lb n="pbo_105.021"/> vergleiche man Kants schalkhafte Bemerkungen (Kritik <lb n="pbo_105.022"/> der Urteilskraft I § 53 und Anm). Der katholische <hi rendition="#g">Hymnus,</hi> <lb n="pbo_105.023"/> wie der protestantische <hi rendition="#g">Choral</hi> sind auf Massenbeteiligung <lb n="pbo_105.024"/> angelegt und ohne sie wirkungslos.</p> <lb n="pbo_105.025"/> </div> <div n="4"> <head> <hi rendition="#c">§ 68. Auseinandertreten des Chores.</hi> </head> <p><lb n="pbo_105.026"/> Fällt der Chor irgend auseinander, sei es in gegeneinanderstreitenden <lb n="pbo_105.027"/> Massen (Halbchöre) oder gar in sich ablösende <lb n="pbo_105.028"/> und selbstständig heraustretende Persönlichkeiten, so hört er <lb n="pbo_105.029"/> auf, lyrisch zu sein. Er wird, wie es in der Natur des <lb n="pbo_105.030"/> Vorgangs liegt und die Litteraturgeschichte auf jeder ihrer bezüglichen </p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [105/0109]
pbo_105.001
Kinder der Klugheit, o habet die Narren pbo_105.002
Eben zum Narren auch, wie sich's gehört!
pbo_105.003
Rechenschaft:
pbo_105.004
Sollst uns nicht nach Weine lechzen, pbo_105.005
Gleich das volle Glas heran, pbo_105.006
Denn das Aechzen und das Krächzen pbo_105.007
Hast du heut schon abgethan.
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und Ergo bibamus.
pbo_105.009
Jm Chorlied können wir daher ebenso den Ausgang für pbo_105.010
jene Richtungen lyrischer Poesie sinden, in denen Massenempfindungen pbo_105.011
zum Ausdruck gebracht werden, wie im Epigramm pbo_105.012
für die streng subjektiven. Wo gesellige Vereinigung pbo_105.013
heiterer und ernster Natur irgendwie vorausgesetzt wird, zielt pbo_105.014
das Lied auf chorische Wiedergabe. Namentlich jener Ernst, pbo_105.015
in dem jede Gesamtheit sich trifft, bei dem persönliche und pbo_105.016
Standesbeziehungen schwinden, die religiöse Erhebung, pbo_105.017
erheischt von Natur den chorischen Ausdruck. Geistlicher Sologesang pbo_105.018
ist nur am öffentlichen Ort, am besten in der Kirche pbo_105.019
selbst, als Zwischensatz zwischen Chören angebracht. Ueber pbo_105.020
private Andachtsübungen des Einzelnen gerade vermittels Gesanges pbo_105.021
vergleiche man Kants schalkhafte Bemerkungen (Kritik pbo_105.022
der Urteilskraft I § 53 und Anm). Der katholische Hymnus, pbo_105.023
wie der protestantische Choral sind auf Massenbeteiligung pbo_105.024
angelegt und ohne sie wirkungslos.
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§ 68. Auseinandertreten des Chores. pbo_105.026
Fällt der Chor irgend auseinander, sei es in gegeneinanderstreitenden pbo_105.027
Massen (Halbchöre) oder gar in sich ablösende pbo_105.028
und selbstständig heraustretende Persönlichkeiten, so hört er pbo_105.029
auf, lyrisch zu sein. Er wird, wie es in der Natur des pbo_105.030
Vorgangs liegt und die Litteraturgeschichte auf jeder ihrer bezüglichen
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