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Boltzmann, Ludwig: Vorlesungen über Gastheorie. Bd. 2. Leipzig, 1898.

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[Gleich. 111 a] § 35. Beziehungen zum Wärmegleichgewichte.
verändert besitzt. Da aber die gleichen Mittelwerthe sich
jedesmal einstellen, wie immer der Anfangszustand gewesen
sein mag, so können sie nicht verschieden sein von den Mittel-
werthen, die wir erhalten, wenn wir uns statt eines warmen
Körpers deren unendlich viele vorhanden denken, welche voll-
ständig von einander unabhängig sind und bei gleichem Wärme-
inhalte und gleichen äusseren Bedingungen in beliebiger Weise
von allen möglichen Anfangszuständen ausgehen. Wir erhalten
daher die für warme Körper geltenden Mittelwerthe, wenn wir
uns in unserem mechanischen Bilde statt eines einzigen mecha-
nischen Systemes unendlich viele gleich beschaffene vorstellen,
welche von beliebigen verschiedenen Anfangsbedingungen aus-
gehen. Nur müssen die Mittelwerthe zu allen Zeiten gleich
ausfallen, was sicher der Fall ist, wenn der mittlere Zustand
des Inbegriffes aller Systeme stationär bleibt, und die von uns
betrachteten Zustände dürfen nicht einzelne singuläre sein, son-
dern müssen alle möglichen Zustände des Systems umfassen.

Diese Bedingungen sind erfüllt, wenn wir uns unendlich
viele mechanische Systeme denken, unter denen zu Anfang eine
solche Zustandsvertheilung bestand, welche wir in § 32 als eine
ergodische bezeichnet haben. Denn erstens sahen wir, dass
diese Zustandsvertheilung stationär ist und zweitens umfasst
sie alle möglichen Zustände, die überhaupt mit der Gleichung
der lebendigen Kraft vereinbar sind.

Es hat daher eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass die
in § 34 gefundenen Mittelwerthe nicht bloss für den dort defi-
nirten Inbegriff von Systemen, sondern auch für den stationären
Endzustand jedes einzelnen warmen Körpers gelten, dass na-
mentlich auch in diesem Falle die Gleichheit der jedem
Momentoide entsprechenden mittleren lebendigen Kraft die
Bedingung des Temperaturgleichgewichtes zwischen den ver-
schiedenen Theilen des warmen Körpers ist. Dass die Be-
dingung des Temperaturgleichgewichtes warmer Körper eine
sehr einfache, von deren Anfangszustand unabhängige mecha-
nische Bedeutung hat, wird schon dadurch wahrscheinlich ge-
macht, dass dieselbe durch Pressung, Dehnung, Verschie-
bung etc. einzelner Partien nicht beeinflusst wird.

Substituiren wir für unser allgemeines System ein von
zwei verschiedenen, durch eine feste, wärmeleitende Scheide-

[Gleich. 111 a] § 35. Beziehungen zum Wärmegleichgewichte.
verändert besitzt. Da aber die gleichen Mittelwerthe sich
jedesmal einstellen, wie immer der Anfangszustand gewesen
sein mag, so können sie nicht verschieden sein von den Mittel-
werthen, die wir erhalten, wenn wir uns statt eines warmen
Körpers deren unendlich viele vorhanden denken, welche voll-
ständig von einander unabhängig sind und bei gleichem Wärme-
inhalte und gleichen äusseren Bedingungen in beliebiger Weise
von allen möglichen Anfangszuständen ausgehen. Wir erhalten
daher die für warme Körper geltenden Mittelwerthe, wenn wir
uns in unserem mechanischen Bilde statt eines einzigen mecha-
nischen Systemes unendlich viele gleich beschaffene vorstellen,
welche von beliebigen verschiedenen Anfangsbedingungen aus-
gehen. Nur müssen die Mittelwerthe zu allen Zeiten gleich
ausfallen, was sicher der Fall ist, wenn der mittlere Zustand
des Inbegriffes aller Systeme stationär bleibt, und die von uns
betrachteten Zustände dürfen nicht einzelne singuläre sein, son-
dern müssen alle möglichen Zustände des Systems umfassen.

Diese Bedingungen sind erfüllt, wenn wir uns unendlich
viele mechanische Systeme denken, unter denen zu Anfang eine
solche Zustandsvertheilung bestand, welche wir in § 32 als eine
ergodische bezeichnet haben. Denn erstens sahen wir, dass
diese Zustandsvertheilung stationär ist und zweitens umfasst
sie alle möglichen Zustände, die überhaupt mit der Gleichung
der lebendigen Kraft vereinbar sind.

Es hat daher eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass die
in § 34 gefundenen Mittelwerthe nicht bloss für den dort defi-
nirten Inbegriff von Systemen, sondern auch für den stationären
Endzustand jedes einzelnen warmen Körpers gelten, dass na-
mentlich auch in diesem Falle die Gleichheit der jedem
Momentoide entsprechenden mittleren lebendigen Kraft die
Bedingung des Temperaturgleichgewichtes zwischen den ver-
schiedenen Theilen des warmen Körpers ist. Dass die Be-
dingung des Temperaturgleichgewichtes warmer Körper eine
sehr einfache, von deren Anfangszustand unabhängige mecha-
nische Bedeutung hat, wird schon dadurch wahrscheinlich ge-
macht, dass dieselbe durch Pressung, Dehnung, Verschie-
bung etc. einzelner Partien nicht beeinflusst wird.

Substituiren wir für unser allgemeines System ein von
zwei verschiedenen, durch eine feste, wärmeleitende Scheide-

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[103/0121] [Gleich. 111 a] § 35. Beziehungen zum Wärmegleichgewichte. verändert besitzt. Da aber die gleichen Mittelwerthe sich jedesmal einstellen, wie immer der Anfangszustand gewesen sein mag, so können sie nicht verschieden sein von den Mittel- werthen, die wir erhalten, wenn wir uns statt eines warmen Körpers deren unendlich viele vorhanden denken, welche voll- ständig von einander unabhängig sind und bei gleichem Wärme- inhalte und gleichen äusseren Bedingungen in beliebiger Weise von allen möglichen Anfangszuständen ausgehen. Wir erhalten daher die für warme Körper geltenden Mittelwerthe, wenn wir uns in unserem mechanischen Bilde statt eines einzigen mecha- nischen Systemes unendlich viele gleich beschaffene vorstellen, welche von beliebigen verschiedenen Anfangsbedingungen aus- gehen. Nur müssen die Mittelwerthe zu allen Zeiten gleich ausfallen, was sicher der Fall ist, wenn der mittlere Zustand des Inbegriffes aller Systeme stationär bleibt, und die von uns betrachteten Zustände dürfen nicht einzelne singuläre sein, son- dern müssen alle möglichen Zustände des Systems umfassen. Diese Bedingungen sind erfüllt, wenn wir uns unendlich viele mechanische Systeme denken, unter denen zu Anfang eine solche Zustandsvertheilung bestand, welche wir in § 32 als eine ergodische bezeichnet haben. Denn erstens sahen wir, dass diese Zustandsvertheilung stationär ist und zweitens umfasst sie alle möglichen Zustände, die überhaupt mit der Gleichung der lebendigen Kraft vereinbar sind. Es hat daher eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass die in § 34 gefundenen Mittelwerthe nicht bloss für den dort defi- nirten Inbegriff von Systemen, sondern auch für den stationären Endzustand jedes einzelnen warmen Körpers gelten, dass na- mentlich auch in diesem Falle die Gleichheit der jedem Momentoide entsprechenden mittleren lebendigen Kraft die Bedingung des Temperaturgleichgewichtes zwischen den ver- schiedenen Theilen des warmen Körpers ist. Dass die Be- dingung des Temperaturgleichgewichtes warmer Körper eine sehr einfache, von deren Anfangszustand unabhängige mecha- nische Bedeutung hat, wird schon dadurch wahrscheinlich ge- macht, dass dieselbe durch Pressung, Dehnung, Verschie- bung etc. einzelner Partien nicht beeinflusst wird. Substituiren wir für unser allgemeines System ein von zwei verschiedenen, durch eine feste, wärmeleitende Scheide-

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Zitationshilfe: Boltzmann, Ludwig: Vorlesungen über Gastheorie. Bd. 2. Leipzig, 1898, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boltzmann_gastheorie02_1898/121>, abgerufen am 19.04.2024.