Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Boltzmann, Ludwig: Vorlesungen über Gastheorie. Bd. 1. Leipzig, 1896.

Bild:
<< vorherige Seite

[Gleich. 101] § 15. Differentialgleichung für f und F.
wollen wir wieder kurz die hervorgehobenen Moleküle oder
noch charakteristischer die "d n Moleküle" nennen. Ihre An-
zahl ist offenbar proportional dem Producte d o ; d o. Denn
alle dem Parallelepipede d o unmittelbar benachbarten Volumen-
elemente befinden sich nahe unter den gleichen Umständen,
so dass also in einem doppelt so grossen Parallelepipede auch
doppelt so viele Moleküle liegen würden. Wir können daher
diese Anzahl
99) d n = f (x, y, z, x, e, z, t) do d o
setzen. Analog sei die Anzahl der Moleküle m1 der zweiten
Gasart, welche zur Zeit t denselben Bedingungen 97 und 98
genügen:
100) d N = F (x, y, z, x, e, z, t) d o d o = F d o d o.

Die beiden Functionen f und F charakterisiren den Be-
wegungszustand, das Mischungsverhältniss und die Geschwindig-
keitsvertheilung an allen Stellen des Gasgemisches vollständig.
Wenn sie für den Zeitanfang t = 0 gegeben sind, wenn also
die Functionswerthe f (x, y, z, x, e, z, 0) und F (x, y, z, x, e, z, 0) für
alle Werthe der Variabeln und ausserdem noch die äusseren
Kräfte, die Molekularkräfte und die an der Grenze des Gases
zu erfüllenden Bedingungen gegeben sind, so ist das Problem
vollständig bestimmt und es ist vollständig gelöst, wenn man
die Werthe der Functionen f und F für alle Werthe von t
gefunden hat. Vorausgesetzt ist hierbei immer, dass der Zu-
stand molekular-ungeordnet ist. Hier wird es sich natürlich
zunächst darum handeln, für die Veränderung der Function f
während einer sehr kleinen Zeit eine partielle Differential-
gleichung zu gewinnen.

Wir wollen daher eine sehr kleine Zeit d t verstreichen
lassen und während derselben Grösse und Lage der Parallel-
epipede d o und d o vollkommen unverändert erhalten. Die An-
zahl der Moleküle m, welche zur Zeit t + d t die Bedingungen 97
und 98 erfüllen, ist nach Formel 99
d n' = f (x, y, z, x, e, z, t + d t) d o d o
und der gesammte Zuwachs, welchen die Zahl d n während der
Zeit d t erfährt, ist
101) [Formel 1]

[Gleich. 101] § 15. Differentialgleichung für f und F.
wollen wir wieder kurz die hervorgehobenen Moleküle oder
noch charakteristischer die „d n Moleküle“ nennen. Ihre An-
zahl ist offenbar proportional dem Producte d o · d ω. Denn
alle dem Parallelepipede d o unmittelbar benachbarten Volumen-
elemente befinden sich nahe unter den gleichen Umständen,
so dass also in einem doppelt so grossen Parallelepipede auch
doppelt so viele Moleküle liegen würden. Wir können daher
diese Anzahl
99) d n = f (x, y, z, ξ, η, ζ, t) do d ω
setzen. Analog sei die Anzahl der Moleküle m1 der zweiten
Gasart, welche zur Zeit t denselben Bedingungen 97 und 98
genügen:
100) d N = F (x, y, z, ξ, η, ζ, t) d o d ω = F d o d ω.

Die beiden Functionen f und F charakterisiren den Be-
wegungszustand, das Mischungsverhältniss und die Geschwindig-
keitsvertheilung an allen Stellen des Gasgemisches vollständig.
Wenn sie für den Zeitanfang t = 0 gegeben sind, wenn also
die Functionswerthe f (x, y, z, ξ, η, ζ, 0) und F (x, y, z, ξ, η, ζ, 0) für
alle Werthe der Variabeln und ausserdem noch die äusseren
Kräfte, die Molekularkräfte und die an der Grenze des Gases
zu erfüllenden Bedingungen gegeben sind, so ist das Problem
vollständig bestimmt und es ist vollständig gelöst, wenn man
die Werthe der Functionen f und F für alle Werthe von t
gefunden hat. Vorausgesetzt ist hierbei immer, dass der Zu-
stand molekular-ungeordnet ist. Hier wird es sich natürlich
zunächst darum handeln, für die Veränderung der Function f
während einer sehr kleinen Zeit eine partielle Differential-
gleichung zu gewinnen.

Wir wollen daher eine sehr kleine Zeit d t verstreichen
lassen und während derselben Grösse und Lage der Parallel-
epipede d o und d ω vollkommen unverändert erhalten. Die An-
zahl der Moleküle m, welche zur Zeit t + d t die Bedingungen 97
und 98 erfüllen, ist nach Formel 99
d n' = f (x, y, z, ξ, η, ζ, t + d t) d o d ω
und der gesammte Zuwachs, welchen die Zahl d n während der
Zeit d t erfährt, ist
101) [Formel 1]

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0115" n="101"/><fw place="top" type="header">[Gleich. 101] § 15. Differentialgleichung für <hi rendition="#i">f</hi> und <hi rendition="#i">F</hi>.</fw><lb/>
wollen wir wieder kurz die hervorgehobenen Moleküle oder<lb/>
noch charakteristischer die &#x201E;<hi rendition="#i">d n</hi> Moleküle&#x201C; nennen. Ihre An-<lb/>
zahl ist offenbar proportional dem Producte <hi rendition="#i">d o &#x0387; d &#x03C9;</hi>. Denn<lb/>
alle dem Parallelepipede <hi rendition="#i">d o</hi> unmittelbar benachbarten Volumen-<lb/>
elemente befinden sich nahe unter den gleichen Umständen,<lb/>
so dass also in einem doppelt so grossen Parallelepipede auch<lb/>
doppelt so viele Moleküle liegen würden. Wir können daher<lb/>
diese Anzahl<lb/>
99) <hi rendition="#et"><hi rendition="#i">d n</hi> = <hi rendition="#i">f</hi> (<hi rendition="#i">x, y, z, &#x03BE;, &#x03B7;, &#x03B6;, t</hi>) <hi rendition="#i">do d &#x03C9;</hi></hi><lb/>
setzen. Analog sei die Anzahl der Moleküle <hi rendition="#i">m</hi><hi rendition="#sub">1</hi> der zweiten<lb/>
Gasart, welche zur Zeit <hi rendition="#i">t</hi> denselben Bedingungen 97 und 98<lb/>
genügen:<lb/>
100) <hi rendition="#et"><hi rendition="#i">d N</hi> = <hi rendition="#i">F</hi> (<hi rendition="#i">x, y, z, &#x03BE;, &#x03B7;, &#x03B6;, t</hi>) <hi rendition="#i">d o d &#x03C9;</hi> = <hi rendition="#i">F d o d &#x03C9;</hi>.</hi></p><lb/>
          <p>Die beiden Functionen <hi rendition="#i">f</hi> und <hi rendition="#i">F</hi> charakterisiren den Be-<lb/>
wegungszustand, das Mischungsverhältniss und die Geschwindig-<lb/>
keitsvertheilung an allen Stellen des Gasgemisches vollständig.<lb/>
Wenn sie für den Zeitanfang <hi rendition="#i">t</hi> = 0 gegeben sind, wenn also<lb/>
die Functionswerthe <hi rendition="#i">f</hi> (<hi rendition="#i">x, y, z, &#x03BE;, &#x03B7;, &#x03B6;,</hi> 0) und <hi rendition="#i">F</hi> (<hi rendition="#i">x, y, z, &#x03BE;, &#x03B7;, &#x03B6;,</hi> 0) für<lb/>
alle Werthe der Variabeln und ausserdem noch die äusseren<lb/>
Kräfte, die Molekularkräfte und die an der Grenze des Gases<lb/>
zu erfüllenden Bedingungen gegeben sind, so ist das Problem<lb/>
vollständig bestimmt und es ist vollständig gelöst, wenn man<lb/>
die Werthe der Functionen <hi rendition="#i">f</hi> und <hi rendition="#i">F</hi> für alle Werthe von <hi rendition="#i">t</hi><lb/>
gefunden hat. Vorausgesetzt ist hierbei immer, dass der Zu-<lb/>
stand molekular-ungeordnet ist. Hier wird es sich natürlich<lb/>
zunächst darum handeln, für die Veränderung der Function <hi rendition="#i">f</hi><lb/>
während einer sehr kleinen Zeit eine partielle Differential-<lb/>
gleichung zu gewinnen.</p><lb/>
          <p>Wir wollen daher eine sehr kleine Zeit <hi rendition="#i">d t</hi> verstreichen<lb/>
lassen und während derselben Grösse und Lage der Parallel-<lb/>
epipede <hi rendition="#i">d o</hi> und <hi rendition="#i">d &#x03C9;</hi> vollkommen unverändert erhalten. Die An-<lb/>
zahl der Moleküle <hi rendition="#i">m</hi>, welche zur Zeit <hi rendition="#i">t</hi> + <hi rendition="#i">d t</hi> die Bedingungen 97<lb/>
und 98 erfüllen, ist nach Formel 99<lb/><hi rendition="#c"><hi rendition="#i">d n'</hi> = <hi rendition="#i">f</hi> (<hi rendition="#i">x, y, z, &#x03BE;, &#x03B7;, &#x03B6;, t</hi> + <hi rendition="#i">d t</hi>) <hi rendition="#i">d o d &#x03C9;</hi></hi><lb/>
und der gesammte Zuwachs, welchen die Zahl <hi rendition="#i">d n</hi> während der<lb/>
Zeit <hi rendition="#i">d t</hi> erfährt, ist<lb/>
101) <hi rendition="#et"><formula/></hi></p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[101/0115] [Gleich. 101] § 15. Differentialgleichung für f und F. wollen wir wieder kurz die hervorgehobenen Moleküle oder noch charakteristischer die „d n Moleküle“ nennen. Ihre An- zahl ist offenbar proportional dem Producte d o · d ω. Denn alle dem Parallelepipede d o unmittelbar benachbarten Volumen- elemente befinden sich nahe unter den gleichen Umständen, so dass also in einem doppelt so grossen Parallelepipede auch doppelt so viele Moleküle liegen würden. Wir können daher diese Anzahl 99) d n = f (x, y, z, ξ, η, ζ, t) do d ω setzen. Analog sei die Anzahl der Moleküle m1 der zweiten Gasart, welche zur Zeit t denselben Bedingungen 97 und 98 genügen: 100) d N = F (x, y, z, ξ, η, ζ, t) d o d ω = F d o d ω. Die beiden Functionen f und F charakterisiren den Be- wegungszustand, das Mischungsverhältniss und die Geschwindig- keitsvertheilung an allen Stellen des Gasgemisches vollständig. Wenn sie für den Zeitanfang t = 0 gegeben sind, wenn also die Functionswerthe f (x, y, z, ξ, η, ζ, 0) und F (x, y, z, ξ, η, ζ, 0) für alle Werthe der Variabeln und ausserdem noch die äusseren Kräfte, die Molekularkräfte und die an der Grenze des Gases zu erfüllenden Bedingungen gegeben sind, so ist das Problem vollständig bestimmt und es ist vollständig gelöst, wenn man die Werthe der Functionen f und F für alle Werthe von t gefunden hat. Vorausgesetzt ist hierbei immer, dass der Zu- stand molekular-ungeordnet ist. Hier wird es sich natürlich zunächst darum handeln, für die Veränderung der Function f während einer sehr kleinen Zeit eine partielle Differential- gleichung zu gewinnen. Wir wollen daher eine sehr kleine Zeit d t verstreichen lassen und während derselben Grösse und Lage der Parallel- epipede d o und d ω vollkommen unverändert erhalten. Die An- zahl der Moleküle m, welche zur Zeit t + d t die Bedingungen 97 und 98 erfüllen, ist nach Formel 99 d n' = f (x, y, z, ξ, η, ζ, t + d t) d o d ω und der gesammte Zuwachs, welchen die Zahl d n während der Zeit d t erfährt, ist 101) [FORMEL]

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/boltzmann_gastheorie01_1896
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/boltzmann_gastheorie01_1896/115
Zitationshilfe: Boltzmann, Ludwig: Vorlesungen über Gastheorie. Bd. 1. Leipzig, 1896, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boltzmann_gastheorie01_1896/115>, abgerufen am 07.05.2024.