Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 6. Paris, 1834.Noch eine andere Denkwürdigkeit ereignete sich -- Es schrieb mir heute einer aus Stuttgart: Noch eine andere Denkwürdigkeit ereignete ſich — Es ſchrieb mir heute einer aus Stuttgart: <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div> <div> <pb facs="#f0084" n="72"/> <p>Noch eine andere Denkwürdigkeit ereignete ſich<lb/> bei dieſem Anlaſſe. Als die Bücher des Marquis<lb/> verſteigert wurden, kam eine alte Bibel an die Reihe,<lb/> vielleicht dreißig Sous im Kaufwerthe. Der Auc¬<lb/> tionator durchblätterte das Buch, ehe er es losſchlug,<lb/> um zu ſehen, ob es nicht defekt ſei, und der Käu¬<lb/> fer damit betrogen werde. Da fielen Bankzettel,<lb/> nach und nach funfzig Stück, heraus, die als Papier¬<lb/> ſtreifen zur Bezeichnung kräftiger und erbaulicher<lb/> Stellen in der Bibel lagen. Denken Sie nur, wäre<lb/> dieſe heilige Schrift nicht zufällig unterſucht worden<lb/> und ein armer frommer Teufel hätte ſie gekauft für<lb/> dreißig Sous, und zu Hauſe fünf und zwanzig viel¬<lb/> leicht funfzig Tauſend Franken darin gefunden —<lb/> das hätte vielleicht das Chriſtenthum über ganz Pa¬<lb/> ris verbreiten können! <hi rendition="#g">Nutzanwendung</hi>: 1) Man<lb/> weiſe alte Marquis zurück; ihr Tod iſt einträglicher<lb/> als ihr Leben. 2) Man kaufe alte Bibeln.</p><lb/> <p>— Es ſchrieb mir heute einer aus Stuttgart:<lb/> der König habe darum die Kammer nicht ſelbſt eröffnet,<lb/> weil Pfitzer (Verfaſſer der Briefe zweier Deutſchen)<lb/> unter den Abgeordneten wäre, und den Schwur eines<lb/> ſolchen Mannes könne er nicht annehmen. Ach!<lb/> was habe ich wieder eine volle und ſchmutzige Eſels¬<lb/> haut! Das iſt meine wahre <hi rendition="#aq #g">Peau de chagrin</hi>;<lb/> aber eine ganz andere als <hi rendition="#g">Balzac's</hi> ſeine. Dieſe<lb/> wurde kleiner nach jeder Thorheit und Sünde: meine<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [72/0084]
Noch eine andere Denkwürdigkeit ereignete ſich
bei dieſem Anlaſſe. Als die Bücher des Marquis
verſteigert wurden, kam eine alte Bibel an die Reihe,
vielleicht dreißig Sous im Kaufwerthe. Der Auc¬
tionator durchblätterte das Buch, ehe er es losſchlug,
um zu ſehen, ob es nicht defekt ſei, und der Käu¬
fer damit betrogen werde. Da fielen Bankzettel,
nach und nach funfzig Stück, heraus, die als Papier¬
ſtreifen zur Bezeichnung kräftiger und erbaulicher
Stellen in der Bibel lagen. Denken Sie nur, wäre
dieſe heilige Schrift nicht zufällig unterſucht worden
und ein armer frommer Teufel hätte ſie gekauft für
dreißig Sous, und zu Hauſe fünf und zwanzig viel¬
leicht funfzig Tauſend Franken darin gefunden —
das hätte vielleicht das Chriſtenthum über ganz Pa¬
ris verbreiten können! Nutzanwendung: 1) Man
weiſe alte Marquis zurück; ihr Tod iſt einträglicher
als ihr Leben. 2) Man kaufe alte Bibeln.
— Es ſchrieb mir heute einer aus Stuttgart:
der König habe darum die Kammer nicht ſelbſt eröffnet,
weil Pfitzer (Verfaſſer der Briefe zweier Deutſchen)
unter den Abgeordneten wäre, und den Schwur eines
ſolchen Mannes könne er nicht annehmen. Ach!
was habe ich wieder eine volle und ſchmutzige Eſels¬
haut! Das iſt meine wahre Peau de chagrin;
aber eine ganz andere als Balzac's ſeine. Dieſe
wurde kleiner nach jeder Thorheit und Sünde: meine
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