St. Antoine, sehr bezeichnend als Grenze zwischen Monarchie und Republik, wie Beaumarchais selbst eine war. Das Haus, der Garten, einst zu den Merkwürdigkeiten von Paris gehörend, die jeder Fremde zu sehen eilte, sind verschwunden. Nur die Gartenmauern stehen noch, hoch, mit Frazenmäulern zum Abflusse des Wassers versehen; es scheint der Garten lag auf einer Terrasse. Auch noch ein Lust¬ häuschen hat sich erhalten, von launischer Bauart, einen reichen Besitzer verrathend. Ich trat in den geräumigen Hof. Dieser umschließt jetzt ein neues Gebäude zur Salzniederlage bestimmt. Salz -- Beaumarchais -- es ist ein Erbe der seiner nicht ganz unwürdig ist. Beaumarchais gehörte zum Salze seiner Zeit Unser heutiges Leben hat kein Gewürz mehr, es ist wie ein Kinderbrei. Auch ist jetzt die Menschheit ein Kind, das in die Schule geht. Nichts trauriger als eine solche Zeit der Ent¬ wickelung und der Lehre, wie die unsere und die schon ein halbes Jahrhundert dauert. Man ist da immer entweder zu jung oder zu alt. Ist man zu jung, ist man gedankenlos und die Zeit geht einem verlo¬ ren; ist man zu alt, ist man sorgenvoll und man geht selbst verloren In der ganzen französischen Geschichte, war das achtzehnte Jahrhundert gewiß das glücklichste für alle genußliebenden Menschen, Philosophen und Müssiggänger. Wer aber von je¬
St. Antoine, ſehr bezeichnend als Grenze zwiſchen Monarchie und Republik, wie Beaumarchais ſelbſt eine war. Das Haus, der Garten, einſt zu den Merkwürdigkeiten von Paris gehörend, die jeder Fremde zu ſehen eilte, ſind verſchwunden. Nur die Gartenmauern ſtehen noch, hoch, mit Frazenmäulern zum Abfluſſe des Waſſers verſehen; es ſcheint der Garten lag auf einer Terraſſe. Auch noch ein Luſt¬ häuschen hat ſich erhalten, von launiſcher Bauart, einen reichen Beſitzer verrathend. Ich trat in den geräumigen Hof. Dieſer umſchließt jetzt ein neues Gebäude zur Salzniederlage beſtimmt. Salz — Beaumarchais — es iſt ein Erbe der ſeiner nicht ganz unwürdig iſt. Beaumarchais gehörte zum Salze ſeiner Zeit Unſer heutiges Leben hat kein Gewürz mehr, es iſt wie ein Kinderbrei. Auch iſt jetzt die Menſchheit ein Kind, das in die Schule geht. Nichts trauriger als eine ſolche Zeit der Ent¬ wickelung und der Lehre, wie die unſere und die ſchon ein halbes Jahrhundert dauert. Man iſt da immer entweder zu jung oder zu alt. Iſt man zu jung, iſt man gedankenlos und die Zeit geht einem verlo¬ ren; iſt man zu alt, iſt man ſorgenvoll und man geht ſelbſt verloren In der ganzen franzöſiſchen Geſchichte, war das achtzehnte Jahrhundert gewiß das glücklichſte für alle genußliebenden Menſchen, Philoſophen und Müſſiggänger. Wer aber von je¬
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St. Antoine, ſehr bezeichnend als Grenze zwiſchen
Monarchie und Republik, wie Beaumarchais ſelbſt
eine war. Das Haus, der Garten, einſt zu den
Merkwürdigkeiten von Paris gehörend, die jeder
Fremde zu ſehen eilte, ſind verſchwunden. Nur die
Gartenmauern ſtehen noch, hoch, mit Frazenmäulern
zum Abfluſſe des Waſſers verſehen; es ſcheint der
Garten lag auf einer Terraſſe. Auch noch ein Luſt¬
häuschen hat ſich erhalten, von launiſcher Bauart,
einen reichen Beſitzer verrathend. Ich trat in den
geräumigen Hof. Dieſer umſchließt jetzt ein neues
Gebäude zur Salzniederlage beſtimmt. Salz —
Beaumarchais — es iſt ein Erbe der ſeiner nicht
ganz unwürdig iſt. Beaumarchais gehörte zum
Salze ſeiner Zeit Unſer heutiges Leben hat kein
Gewürz mehr, es iſt wie ein Kinderbrei. Auch iſt
jetzt die Menſchheit ein Kind, das in die Schule
geht. Nichts trauriger als eine ſolche Zeit der Ent¬
wickelung und der Lehre, wie die unſere und die ſchon
ein halbes Jahrhundert dauert. Man iſt da immer
entweder zu jung oder zu alt. Iſt man zu jung,
iſt man gedankenlos und die Zeit geht einem verlo¬
ren; iſt man zu alt, iſt man ſorgenvoll und man
geht ſelbſt verloren In der ganzen franzöſiſchen
Geſchichte, war das achtzehnte Jahrhundert gewiß
das glücklichſte für alle genußliebenden Menſchen,
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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 6. Paris, 1834, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris06_1834/32>, abgerufen am 16.02.2025.
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