ihrem Tyrannen die Pferde im Stalle zurück, waren ehrlich und flüchteten sich zu Fuße und wurden bald von den verfolgenden Reitern wieder eingeholt und mit Schimpf zurückgeführt. Sie haben das Volk mitten auf seiner Siegesbahn aufgehalten, ja es oft zurückgehen heißen und jetzt steht es da, weiter vom Ziele als je, denn es kennt den Weg nicht mehr und hat die Richtung verlohren. Wo sie handeln sollten, sprechen sie, und wo sie reden sollten, die schlafenden Herzen aufzuwecken, sprachen sie so lange und viel, bis die wachen Herzen vor Müdigkeit wieder ein¬ schliefen. Da wurde Welcker wegen eines Preßver¬ gehens zu zweimonatlichem Gefängnisse verurtheilt. Der schuldige Artikel stand vor der Sündfluth, nehm¬ lich vor den Bundestagsbeschlüssen, im Freisinnigen. Ich erinnere mich nicht mehr was er strafwürdiges enthalten; ich glaube man fand darin ein Majestäts¬ verbrechen, daß Welcker ausgerufen hat: O du un¬ glücklicher Fürst! Welcker appellirte an das Ge¬ richt zu Mannheim, und neulich kam die Sache dort vor. Zwei Tage dauerten die Verhandlungen, täglich sieben Stunden. Welkers Vertheidigungrede dauerte fünf Stunden. Wäre die Sitzung öffentlich gewesen, dann könnte ich wohl begreifen, wie er seine Vertheidigung benutzen wollte, dem Volke Dinge mitzutheilen, die ihm zu wissen gut sind. Wären Geschworne da, die man zu bewegen hat,
ihrem Tyrannen die Pferde im Stalle zurück, waren ehrlich und flüchteten ſich zu Fuße und wurden bald von den verfolgenden Reitern wieder eingeholt und mit Schimpf zurückgeführt. Sie haben das Volk mitten auf ſeiner Siegesbahn aufgehalten, ja es oft zurückgehen heißen und jetzt ſteht es da, weiter vom Ziele als je, denn es kennt den Weg nicht mehr und hat die Richtung verlohren. Wo ſie handeln ſollten, ſprechen ſie, und wo ſie reden ſollten, die ſchlafenden Herzen aufzuwecken, ſprachen ſie ſo lange und viel, bis die wachen Herzen vor Müdigkeit wieder ein¬ ſchliefen. Da wurde Welcker wegen eines Preßver¬ gehens zu zweimonatlichem Gefängniſſe verurtheilt. Der ſchuldige Artikel ſtand vor der Sündfluth, nehm¬ lich vor den Bundestagsbeſchlüſſen, im Freiſinnigen. Ich erinnere mich nicht mehr was er ſtrafwürdiges enthalten; ich glaube man fand darin ein Majeſtäts¬ verbrechen, daß Welcker ausgerufen hat: O du un¬ glücklicher Fürſt! Welcker appellirte an das Ge¬ richt zu Mannheim, und neulich kam die Sache dort vor. Zwei Tage dauerten die Verhandlungen, täglich ſieben Stunden. Welkers Vertheidigungrede dauerte fünf Stunden. Wäre die Sitzung öffentlich geweſen, dann könnte ich wohl begreifen, wie er ſeine Vertheidigung benutzen wollte, dem Volke Dinge mitzutheilen, die ihm zu wiſſen gut ſind. Wären Geſchworne da, die man zu bewegen hat,
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[191/0203]
ihrem Tyrannen die Pferde im Stalle zurück, waren
ehrlich und flüchteten ſich zu Fuße und wurden bald
von den verfolgenden Reitern wieder eingeholt und
mit Schimpf zurückgeführt. Sie haben das Volk
mitten auf ſeiner Siegesbahn aufgehalten, ja es oft
zurückgehen heißen und jetzt ſteht es da, weiter vom
Ziele als je, denn es kennt den Weg nicht mehr und
hat die Richtung verlohren. Wo ſie handeln ſollten,
ſprechen ſie, und wo ſie reden ſollten, die ſchlafenden
Herzen aufzuwecken, ſprachen ſie ſo lange und viel,
bis die wachen Herzen vor Müdigkeit wieder ein¬
ſchliefen. Da wurde Welcker wegen eines Preßver¬
gehens zu zweimonatlichem Gefängniſſe verurtheilt.
Der ſchuldige Artikel ſtand vor der Sündfluth, nehm¬
lich vor den Bundestagsbeſchlüſſen, im Freiſinnigen.
Ich erinnere mich nicht mehr was er ſtrafwürdiges
enthalten; ich glaube man fand darin ein Majeſtäts¬
verbrechen, daß Welcker ausgerufen hat: O du un¬
glücklicher Fürſt! Welcker appellirte an das Ge¬
richt zu Mannheim, und neulich kam die Sache dort
vor. Zwei Tage dauerten die Verhandlungen,
täglich ſieben Stunden. Welkers Vertheidigungrede
dauerte fünf Stunden. Wäre die Sitzung öffentlich
geweſen, dann könnte ich wohl begreifen, wie er
ſeine Vertheidigung benutzen wollte, dem Volke
Dinge mitzutheilen, die ihm zu wiſſen gut ſind.
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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 6. Paris, 1834, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris06_1834/203>, abgerufen am 16.07.2024.
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