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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 6. Paris, 1834.

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man ihnen die Verderblichkeit ihres vaterländischen
Regierungssystems unwiderleglich klar machte, und
die dann immer auf das Wort zurückkamen: aber
wir haben doch eine unabhängige Justiz -- was
bliebe ihnen noch für ein Vorwand übrig, ihre
Loyalität, der sie sich schon halb schämen, nothdürftig
zu vertheidigen? Freilich blieben ihnen dann noch
ihre gerühmten Abc-Schulen übrig. Ich möchte
sie aber fragen: Ob man denn ihren gelehrten Abc-
Bauren etwas anders zu lesen verstattet als die
Befehle der Regierung?

Nun freilich, wenn man anfängt, sogar in der
Stadt Berlin selbst Verschwörungen zu entdecken,
und selbst ein Cavallerie-Offizier und ein Regierungs¬
rath sich des Hochverraths verdächtig gemacht haben,
dann scheint es Zeit, die Richter unter der Zucht¬
ruthe der Polizei zu bringen. Aber was wird es
sie helfen? Sie werden höchstens einige junge Leute
und dunkle Personen schuldig finden, aber nie einen
Menschen von Bedeutung bis zur Straffälligkeit
überführen können. Denn in Berlin reichen sich die
freisinnigen Männer bis zu den ersten Stufen des
Thrones die Hände und sie lassen sich nicht fallen.
Ich freilich traute jenen Menschen nie, die seit fünf¬
zehen Jahren ihren guten Willen zu verheimlichen
und dem Despotismus, ihn zu verderben, Vertrauen

man ihnen die Verderblichkeit ihres vaterländiſchen
Regierungsſyſtems unwiderleglich klar machte, und
die dann immer auf das Wort zurückkamen: aber
wir haben doch eine unabhängige Juſtiz — was
bliebe ihnen noch für ein Vorwand übrig, ihre
Loyalität, der ſie ſich ſchon halb ſchämen, nothdürftig
zu vertheidigen? Freilich blieben ihnen dann noch
ihre gerühmten Abc-Schulen übrig. Ich möchte
ſie aber fragen: Ob man denn ihren gelehrten Abc-
Bauren etwas anders zu leſen verſtattet als die
Befehle der Regierung?

Nun freilich, wenn man anfängt, ſogar in der
Stadt Berlin ſelbſt Verſchwörungen zu entdecken,
und ſelbſt ein Cavallerie-Offizier und ein Regierungs¬
rath ſich des Hochverraths verdächtig gemacht haben,
dann ſcheint es Zeit, die Richter unter der Zucht¬
ruthe der Polizei zu bringen. Aber was wird es
ſie helfen? Sie werden höchſtens einige junge Leute
und dunkle Perſonen ſchuldig finden, aber nie einen
Menſchen von Bedeutung bis zur Straffälligkeit
überführen können. Denn in Berlin reichen ſich die
freiſinnigen Männer bis zu den erſten Stufen des
Thrones die Hände und ſie laſſen ſich nicht fallen.
Ich freilich traute jenen Menſchen nie, die ſeit fünf¬
zehen Jahren ihren guten Willen zu verheimlichen
und dem Despotismus, ihn zu verderben, Vertrauen

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[174/0186] man ihnen die Verderblichkeit ihres vaterländiſchen Regierungsſyſtems unwiderleglich klar machte, und die dann immer auf das Wort zurückkamen: aber wir haben doch eine unabhängige Juſtiz — was bliebe ihnen noch für ein Vorwand übrig, ihre Loyalität, der ſie ſich ſchon halb ſchämen, nothdürftig zu vertheidigen? Freilich blieben ihnen dann noch ihre gerühmten Abc-Schulen übrig. Ich möchte ſie aber fragen: Ob man denn ihren gelehrten Abc- Bauren etwas anders zu leſen verſtattet als die Befehle der Regierung? Nun freilich, wenn man anfängt, ſogar in der Stadt Berlin ſelbſt Verſchwörungen zu entdecken, und ſelbſt ein Cavallerie-Offizier und ein Regierungs¬ rath ſich des Hochverraths verdächtig gemacht haben, dann ſcheint es Zeit, die Richter unter der Zucht¬ ruthe der Polizei zu bringen. Aber was wird es ſie helfen? Sie werden höchſtens einige junge Leute und dunkle Perſonen ſchuldig finden, aber nie einen Menſchen von Bedeutung bis zur Straffälligkeit überführen können. Denn in Berlin reichen ſich die freiſinnigen Männer bis zu den erſten Stufen des Thrones die Hände und ſie laſſen ſich nicht fallen. Ich freilich traute jenen Menſchen nie, die ſeit fünf¬ zehen Jahren ihren guten Willen zu verheimlichen und dem Despotismus, ihn zu verderben, Vertrauen

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Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 6. Paris, 1834, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris06_1834/186>, abgerufen am 23.11.2024.