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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 6. Paris, 1834.

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und mishandeln es zum Heile und Segen des mo¬
narchischen Prinzips. Der Kaiser von Oesterreich
übt auch diese schöne Regierungskunst. Die Ungari¬
schen Soldaten werden nach Italien, die Italienischen
nach Ungarn geschickt. Der Ungar versteht kein
italienisch außer dem Wenigen was ihm Abends in
der Kaserne beigebracht wird. Es wird ihm aber
nichts gelehrt als caro amico, und man sagt
ihm caro amico hieße Hundsfott. Wenn nun
der gutmüthige Ungar in einer Weinschenke sitzt, und
ein gutmüthiger Italiener reicht ihm die Hand und
sagt fratello mio, caro amico! -- stößt ihm der
Ungar seinen Degen in den Leib. Wenn ein junger
italienischer Offizier an den Ufern der Donau gedan¬
kenvoll hinschleicht, und weint Sehnsuchtsthränen nach
seinem unglücklichen Vaterlande, tritt ein edler Un¬
gar zu ihm und sagt in seiner Sprache: Nicht wei¬
nen Bruder, du wirst dein schönes Vaterland bald
wiedersehen! Der schmerzbetäubte Italiener glaubt
der Ungar spotte seiner und schlägt ihm ins Gesicht.
Sie duelliren sich, der Ungar bleibt tod, und das
monarchische Prinzip giebt am nämlichen Abende dem
italienischen Offizier-Corps einen Champagnerpunsch.

Wollen Sie nächsten Sommer mit mir eine
Wallfahrt zur Madonna di bacio machen. Der
Baierische Volksfreund hat neulich den Vorschlag
gemacht: "an der Stelle wo die betrübte königliche

und mishandeln es zum Heile und Segen des mo¬
narchiſchen Prinzips. Der Kaiſer von Oeſterreich
übt auch dieſe ſchöne Regierungskunſt. Die Ungari¬
ſchen Soldaten werden nach Italien, die Italieniſchen
nach Ungarn geſchickt. Der Ungar verſteht kein
italieniſch außer dem Wenigen was ihm Abends in
der Kaſerne beigebracht wird. Es wird ihm aber
nichts gelehrt als caro amico, und man ſagt
ihm caro amico hieße Hundsfott. Wenn nun
der gutmüthige Ungar in einer Weinſchenke ſitzt, und
ein gutmüthiger Italiener reicht ihm die Hand und
ſagt fratello mio, caro amico! — ſtößt ihm der
Ungar ſeinen Degen in den Leib. Wenn ein junger
italieniſcher Offizier an den Ufern der Donau gedan¬
kenvoll hinſchleicht, und weint Sehnſuchtsthränen nach
ſeinem unglücklichen Vaterlande, tritt ein edler Un¬
gar zu ihm und ſagt in ſeiner Sprache: Nicht wei¬
nen Bruder, du wirſt dein ſchönes Vaterland bald
wiederſehen! Der ſchmerzbetäubte Italiener glaubt
der Ungar ſpotte ſeiner und ſchlägt ihm ins Geſicht.
Sie duelliren ſich, der Ungar bleibt tod, und das
monarchiſche Prinzip giebt am nämlichen Abende dem
italieniſchen Offizier-Corps einen Champagnerpunſch.

Wollen Sie nächſten Sommer mit mir eine
Wallfahrt zur Madonna di bacio machen. Der
Baieriſche Volksfreund hat neulich den Vorſchlag
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[90/0102] und mishandeln es zum Heile und Segen des mo¬ narchiſchen Prinzips. Der Kaiſer von Oeſterreich übt auch dieſe ſchöne Regierungskunſt. Die Ungari¬ ſchen Soldaten werden nach Italien, die Italieniſchen nach Ungarn geſchickt. Der Ungar verſteht kein italieniſch außer dem Wenigen was ihm Abends in der Kaſerne beigebracht wird. Es wird ihm aber nichts gelehrt als caro amico, und man ſagt ihm caro amico hieße Hundsfott. Wenn nun der gutmüthige Ungar in einer Weinſchenke ſitzt, und ein gutmüthiger Italiener reicht ihm die Hand und ſagt fratello mio, caro amico! — ſtößt ihm der Ungar ſeinen Degen in den Leib. Wenn ein junger italieniſcher Offizier an den Ufern der Donau gedan¬ kenvoll hinſchleicht, und weint Sehnſuchtsthränen nach ſeinem unglücklichen Vaterlande, tritt ein edler Un¬ gar zu ihm und ſagt in ſeiner Sprache: Nicht wei¬ nen Bruder, du wirſt dein ſchönes Vaterland bald wiederſehen! Der ſchmerzbetäubte Italiener glaubt der Ungar ſpotte ſeiner und ſchlägt ihm ins Geſicht. Sie duelliren ſich, der Ungar bleibt tod, und das monarchiſche Prinzip giebt am nämlichen Abende dem italieniſchen Offizier-Corps einen Champagnerpunſch. Wollen Sie nächſten Sommer mit mir eine Wallfahrt zur Madonna di bacio machen. Der Baieriſche Volksfreund hat neulich den Vorſchlag gemacht: „an der Stelle wo die betrübte königliche

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Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 6. Paris, 1834, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris06_1834/102>, abgerufen am 28.11.2024.