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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 5. Paris, 1834.

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"das schon über seinem Kopfe hängt." Schöne, gute,
liebe Mama! Die in Frankreich sich aufhaltenden
Spanier, die nach erhaltener Bewillung jetzt zurück¬
kehren, müssen an der Grenze, angeblich wegen der
Cholera, dreißig Tage Quarantaine halten. Nun
kann das Lazareth nur sechzig Personen fassen, und
man hat berechnet, daß es drei Jahre dauern werde,
bis alle Spanier in ihr Vaterland kommen. Drei
Jahre! Das ist ein Glück für wenigstens zwei Dritt-
Theile dieser Unglücklichen, die noch nach zwei
Jahren Zeit haben umzukehren, und sich so vom
Henkertode zu retten. Euer Journal de Francfort
neulich, eiferte mit edlem Unmuthe gegen die Refor¬
men, welche die Königin von Spanien und der tür¬
kische Kaiser in ihren Staaten vornehmen wollten,
obzwar ihre Völker solchen Reformen entgegen sind.
Welche schöne Theilnahme, welche Zärtlichkeit für das
Glück und die Wünsche der Völker! Was hat denn
die hohe Bundesversammlung auf einmal so weich
gemacht? Ist etwa Rothschild's Koch krank gewor¬
den? Wie konnte aber ..... daß ich ein Narr
wäre -- da ist Ihr Brief.

-- Fragen Sie mich doch einmal was die Dok¬
trinairs
eigentlich bedeuten. Ich weiß es selbst
nicht recht, möchte mich darnach erkundigen und Ihnen
davon schreiben.

V. 9

„das ſchon über ſeinem Kopfe hängt.“ Schöne, gute,
liebe Mama! Die in Frankreich ſich aufhaltenden
Spanier, die nach erhaltener Bewillung jetzt zurück¬
kehren, müſſen an der Grenze, angeblich wegen der
Cholera, dreißig Tage Quarantaine halten. Nun
kann das Lazareth nur ſechzig Perſonen faſſen, und
man hat berechnet, daß es drei Jahre dauern werde,
bis alle Spanier in ihr Vaterland kommen. Drei
Jahre! Das iſt ein Glück für wenigſtens zwei Dritt-
Theile dieſer Unglücklichen, die noch nach zwei
Jahren Zeit haben umzukehren, und ſich ſo vom
Henkertode zu retten. Euer Journal de Francfort
neulich, eiferte mit edlem Unmuthe gegen die Refor¬
men, welche die Königin von Spanien und der tür¬
kiſche Kaiſer in ihren Staaten vornehmen wollten,
obzwar ihre Völker ſolchen Reformen entgegen ſind.
Welche ſchöne Theilnahme, welche Zärtlichkeit für das
Glück und die Wünſche der Völker! Was hat denn
die hohe Bundesverſammlung auf einmal ſo weich
gemacht? Iſt etwa Rothſchild's Koch krank gewor¬
den? Wie konnte aber ..... daß ich ein Narr
wäre — da iſt Ihr Brief.

— Fragen Sie mich doch einmal was die Dok¬
trinairs
eigentlich bedeuten. Ich weiß es ſelbſt
nicht recht, möchte mich darnach erkundigen und Ihnen
davon ſchreiben.

V. 9
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[129/0141] „das ſchon über ſeinem Kopfe hängt.“ Schöne, gute, liebe Mama! Die in Frankreich ſich aufhaltenden Spanier, die nach erhaltener Bewillung jetzt zurück¬ kehren, müſſen an der Grenze, angeblich wegen der Cholera, dreißig Tage Quarantaine halten. Nun kann das Lazareth nur ſechzig Perſonen faſſen, und man hat berechnet, daß es drei Jahre dauern werde, bis alle Spanier in ihr Vaterland kommen. Drei Jahre! Das iſt ein Glück für wenigſtens zwei Dritt- Theile dieſer Unglücklichen, die noch nach zwei Jahren Zeit haben umzukehren, und ſich ſo vom Henkertode zu retten. Euer Journal de Francfort neulich, eiferte mit edlem Unmuthe gegen die Refor¬ men, welche die Königin von Spanien und der tür¬ kiſche Kaiſer in ihren Staaten vornehmen wollten, obzwar ihre Völker ſolchen Reformen entgegen ſind. Welche ſchöne Theilnahme, welche Zärtlichkeit für das Glück und die Wünſche der Völker! Was hat denn die hohe Bundesverſammlung auf einmal ſo weich gemacht? Iſt etwa Rothſchild's Koch krank gewor¬ den? Wie konnte aber ..... daß ich ein Narr wäre — da iſt Ihr Brief. — Fragen Sie mich doch einmal was die Dok¬ trinairs eigentlich bedeuten. Ich weiß es ſelbſt nicht recht, möchte mich darnach erkundigen und Ihnen davon ſchreiben. V. 9

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Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 5. Paris, 1834, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris05_1834/141>, abgerufen am 29.11.2024.