zu haben und wo erst die Armuth beginnt. Und be¬ denkt man wie dieses Blut, dieser Heldenmuth, dieser Geist, diese Kraft, diese Reichthümer, wären sie nicht verbraucht worden zur Vertheidigung des Daseyns, zur Veredlung, zur Verschönerung, auf die Freuden des Daseyns hätten verwendet werden können -- möchte man da nicht verzweifeln? Alles hinzugeben für die Freiheit, alles aufzuopfern -- nicht für das Glück, sondern für das Recht glücklich sein zu dür¬ fen, für die Möglichkeit glücklich sein zu können! Denn mit der Freiheit ist nichts gewonnen als das nackte Leben, dem Schiffbruche abgekämpft. Und gewönnen nur die Feinde der Menschlich¬ keit etwas durch ihren Sieg, ja theilten sie nur selbst die Hoffnung des Sieges, es wäre noch ein Trost dabei. Aber nein, der Sieg ist unmöglich. Eine neue Macht die Widerstand findet, kann im Kampfe den Sieg finden, und im Siege ihre Befesti¬ gung; aber eine alte befestigte Macht war schon be¬ siegt an dem Tage, wo der Kampf gegen sie begann. Wäre es nicht toll, wenn Männer die Zahnschmerzen haben, sich einredeten sie zahnten? Aber so toll sind unsere Tyrannen nicht. Dort die Pfaffen -- sie wissen recht gut, daß der Zauber ihrer Gaukelkünste nicht mehr wirkt. Dort die Edelleute -- sie wissen recht gut, daß die Zeit ihrer Anmaßung vorüber ist. Dort die Fürsten -- sie wissen recht gut, daß ihre
zu haben und wo erſt die Armuth beginnt. Und be¬ denkt man wie dieſes Blut, dieſer Heldenmuth, dieſer Geiſt, dieſe Kraft, dieſe Reichthümer, wären ſie nicht verbraucht worden zur Vertheidigung des Daſeyns, zur Veredlung, zur Verſchönerung, auf die Freuden des Daſeyns hätten verwendet werden können — möchte man da nicht verzweifeln? Alles hinzugeben für die Freiheit, alles aufzuopfern — nicht für das Glück, ſondern für das Recht glücklich ſein zu dür¬ fen, für die Möglichkeit glücklich ſein zu können! Denn mit der Freiheit iſt nichts gewonnen als das nackte Leben, dem Schiffbruche abgekämpft. Und gewönnen nur die Feinde der Menſchlich¬ keit etwas durch ihren Sieg, ja theilten ſie nur ſelbſt die Hoffnung des Sieges, es wäre noch ein Troſt dabei. Aber nein, der Sieg iſt unmöglich. Eine neue Macht die Widerſtand findet, kann im Kampfe den Sieg finden, und im Siege ihre Befeſti¬ gung; aber eine alte befeſtigte Macht war ſchon be¬ ſiegt an dem Tage, wo der Kampf gegen ſie begann. Wäre es nicht toll, wenn Männer die Zahnſchmerzen haben, ſich einredeten ſie zahnten? Aber ſo toll ſind unſere Tyrannen nicht. Dort die Pfaffen — ſie wiſſen recht gut, daß der Zauber ihrer Gaukelkünſte nicht mehr wirkt. Dort die Edelleute — ſie wiſſen recht gut, daß die Zeit ihrer Anmaßung vorüber iſt. Dort die Fürſten — ſie wiſſen recht gut, daß ihre
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zu haben und wo erſt die Armuth beginnt. Und be¬
denkt man wie dieſes Blut, dieſer Heldenmuth, dieſer
Geiſt, dieſe Kraft, dieſe Reichthümer, wären ſie nicht
verbraucht worden zur Vertheidigung des Daſeyns,
zur Veredlung, zur Verſchönerung, auf die Freuden
des Daſeyns hätten verwendet werden können —
möchte man da nicht verzweifeln? Alles hinzugeben
für die Freiheit, alles aufzuopfern — nicht für das
Glück, ſondern für das Recht glücklich ſein zu dür¬
fen, für die Möglichkeit glücklich ſein zu können!
Denn mit der Freiheit iſt nichts gewonnen als
das nackte Leben, dem Schiffbruche abgekämpft.
Und gewönnen nur die Feinde der Menſchlich¬
keit etwas durch ihren Sieg, ja theilten ſie
nur ſelbſt die Hoffnung des Sieges, es wäre noch
ein Troſt dabei. Aber nein, der Sieg iſt unmöglich.
Eine neue Macht die Widerſtand findet, kann im
Kampfe den Sieg finden, und im Siege ihre Befeſti¬
gung; aber eine alte befeſtigte Macht war ſchon be¬
ſiegt an dem Tage, wo der Kampf gegen ſie begann.
Wäre es nicht toll, wenn Männer die Zahnſchmerzen
haben, ſich einredeten ſie zahnten? Aber ſo toll ſind
unſere Tyrannen nicht. Dort die Pfaffen — ſie
wiſſen recht gut, daß der Zauber ihrer Gaukelkünſte
nicht mehr wirkt. Dort die Edelleute — ſie wiſſen
recht gut, daß die Zeit ihrer Anmaßung vorüber iſt.
Dort die Fürſten — ſie wiſſen recht gut, daß ihre
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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 5. Paris, 1834, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris05_1834/133>, abgerufen am 16.07.2024.
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