Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 5. Paris, 1834.sche Volk wird einst gerächt werden, seine Freiheit ſche Volk wird einſt gerächt werden, ſeine Freiheit <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div> <p><pb facs="#f0104" n="92"/> ſche Volk wird einſt gerächt werden, ſeine Freiheit<lb/> wird gewonnen werden; aber ſeine Ehre nie. Denn<lb/> nicht von ihnen ſelbſt, von andern Völkern wird die<lb/> Hülfe kommen. Ich ſehe es ſchon im Geiſte: wenn<lb/> einſt die finſtern Gewitterwolken ſich werden über den<lb/> deutſchen Palläſten zuſammenziehen, wenn der Don¬<lb/> ner zu grollen anfängt, wird das geſchmeidige deut¬<lb/> ſche Volk wie ein Eiſendrath hinauf kriechen zu allen<lb/> Dächern ſeiner Tyrannen, um die geliebten Herrſcher<lb/> vor dem Blitze zu bewahren, und ihn auf ſich ſelbſt<lb/> herabzuziehen. Wem daran gelegen iſt verhöhnt und<lb/> betrogen zu werden, der braucht nur großmüthig ge¬<lb/> gen ſeine Feinde zu ſeyn, zumal gegen die Fürſten,<lb/> welche die Feinde aller Menſchen ſind. Wenn in<lb/> Frankreich ein Don Miguel und ein Robespierre zu¬<lb/> gleich regierten; wenn an jeder Straßenecke rechts<lb/> ein Galgen, links eine Guillotine ſtünde — die Fran¬<lb/> zoſen ertrügen vielleicht lange das Morden von ihren<lb/> Tyrannen geduldig; aber ihren Spott, ihre Verach¬<lb/> tung, ihr unverſchämtes Hofmeiſtern, ihre Ohrfeigen<lb/> und ihre Ruthe, das was der Deutſche das ganze Jahr<lb/> erduldet — ſie ertrügen es keine Stunde lang. Die<lb/> Franzoſen waren Jahrhunderte lang Sklaven unter<lb/> ihren Königen; aber ſie durften doch ſingen in ihren<lb/> Ketten, ſie durften ihre Kerkermeiſter verſpotten.<lb/> Zur Schreckenszeit wurden edle und ſchuldloſe Men¬<lb/> ſchen auf das Blutgerüſt gebracht, aber nie fand<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [92/0104]
ſche Volk wird einſt gerächt werden, ſeine Freiheit
wird gewonnen werden; aber ſeine Ehre nie. Denn
nicht von ihnen ſelbſt, von andern Völkern wird die
Hülfe kommen. Ich ſehe es ſchon im Geiſte: wenn
einſt die finſtern Gewitterwolken ſich werden über den
deutſchen Palläſten zuſammenziehen, wenn der Don¬
ner zu grollen anfängt, wird das geſchmeidige deut¬
ſche Volk wie ein Eiſendrath hinauf kriechen zu allen
Dächern ſeiner Tyrannen, um die geliebten Herrſcher
vor dem Blitze zu bewahren, und ihn auf ſich ſelbſt
herabzuziehen. Wem daran gelegen iſt verhöhnt und
betrogen zu werden, der braucht nur großmüthig ge¬
gen ſeine Feinde zu ſeyn, zumal gegen die Fürſten,
welche die Feinde aller Menſchen ſind. Wenn in
Frankreich ein Don Miguel und ein Robespierre zu¬
gleich regierten; wenn an jeder Straßenecke rechts
ein Galgen, links eine Guillotine ſtünde — die Fran¬
zoſen ertrügen vielleicht lange das Morden von ihren
Tyrannen geduldig; aber ihren Spott, ihre Verach¬
tung, ihr unverſchämtes Hofmeiſtern, ihre Ohrfeigen
und ihre Ruthe, das was der Deutſche das ganze Jahr
erduldet — ſie ertrügen es keine Stunde lang. Die
Franzoſen waren Jahrhunderte lang Sklaven unter
ihren Königen; aber ſie durften doch ſingen in ihren
Ketten, ſie durften ihre Kerkermeiſter verſpotten.
Zur Schreckenszeit wurden edle und ſchuldloſe Men¬
ſchen auf das Blutgerüſt gebracht, aber nie fand
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