Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 5. Paris, 1834.Freitag, den 14. Dezember. Heute gehe ich zum erstenmale wieder aus, nach¬ Freitag, den 14. Dezember. Heute gehe ich zum erſtenmale wieder aus, nach¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0103" n="91"/> <div> <dateline rendition="#right">Freitag, den 14. Dezember.</dateline><lb/> <p>Heute gehe ich zum erſtenmale wieder aus, nach¬<lb/> dem ich, wegen meiner Zahnſchmerzen, drei Tage<lb/> das Zimmer nicht verlaſſen. Ich habe dabei gewon¬<lb/> nen, daß ich drei Tage lang den ſtinkenden Nebel<lb/> auf der Straße nicht zu trinken, und ſo lange die<lb/> ſtinkenden deutſchen Zeitungen nicht zu leſen brauchte.<lb/> Der Geſchmack der Letzten, die ich vor einigen Ta¬<lb/> gen las, liegt mir heute noch auf der Zunge. Nein<lb/> es iſt nicht zu ertragen. Die Deutſchen müſſen Ner¬<lb/> ven haben wie von Eiſendrath, eine Haut von Sohl¬<lb/> leder und ein gepöckeltes Herz. Dieſe Unverſchämt¬<lb/> heit der Fürſtenknechte, dieſes freche Ausſtreichen eines<lb/> ganzen Jahrhunderts, dieſer weintolle Uebermuth,<lb/> dieſes Einwerfen aller Fenſterſcheiben, weil das Licht<lb/> dadurch fällt, als wenn ſie mit dem Glaſe auch die<lb/> Sonne zerſtörten — es überſteigt meine Erwartung.<lb/> Aber das ſteigert auch meine Hoffnung. Man muß<lb/> mit den dummen Ariſtokraten Mitleiden haben, man<lb/> muß ihnen nicht eher ſagen, daß das Caſſations-Ge¬<lb/> richt dort oben ihre Appellation verworfen hat, bis<lb/> an dem Tage wo ſie hingerichtet werden. Das deut¬<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [91/0103]
Freitag, den 14. Dezember.
Heute gehe ich zum erſtenmale wieder aus, nach¬
dem ich, wegen meiner Zahnſchmerzen, drei Tage
das Zimmer nicht verlaſſen. Ich habe dabei gewon¬
nen, daß ich drei Tage lang den ſtinkenden Nebel
auf der Straße nicht zu trinken, und ſo lange die
ſtinkenden deutſchen Zeitungen nicht zu leſen brauchte.
Der Geſchmack der Letzten, die ich vor einigen Ta¬
gen las, liegt mir heute noch auf der Zunge. Nein
es iſt nicht zu ertragen. Die Deutſchen müſſen Ner¬
ven haben wie von Eiſendrath, eine Haut von Sohl¬
leder und ein gepöckeltes Herz. Dieſe Unverſchämt¬
heit der Fürſtenknechte, dieſes freche Ausſtreichen eines
ganzen Jahrhunderts, dieſer weintolle Uebermuth,
dieſes Einwerfen aller Fenſterſcheiben, weil das Licht
dadurch fällt, als wenn ſie mit dem Glaſe auch die
Sonne zerſtörten — es überſteigt meine Erwartung.
Aber das ſteigert auch meine Hoffnung. Man muß
mit den dummen Ariſtokraten Mitleiden haben, man
muß ihnen nicht eher ſagen, daß das Caſſations-Ge¬
richt dort oben ihre Appellation verworfen hat, bis
an dem Tage wo ſie hingerichtet werden. Das deut¬
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