Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833.

Bild:
<< vorherige Seite

zeln! Ich könnte darüber weinen, wenn ich nicht
lachen müßte, daß ich ein Mann geworden. Und
wenn ich den Spiegel küßte, ich sehe keine Runzeln
in meinem Gesichte. Und doch sind sie da; aber wir
Männer haben keine Augen dafür. Ja die Weiber
haben keinen bessern Freund als mich, und einen der
seltensten Art; einen Freund in der Noth und nur
in der Noth, nicht im Glücke. An euern Freuden
will ich nicht Theil haben, ich habe keinen Sinn da¬
für; aber euere Leiden von verrathener Liebe bis
zum Schmerze eines besiegten Hutes: sie sind mir
alle heilig.

Die Mars hatte wegen Krankheit seit einem
Jahre nicht spielen können, und da sie nun zum
Erstenmale wieder auftrat, wurde sie mit lebhaftem,
aber doch nicht mit jenem stürmischen Beifalle emp¬
fangen, welcher im Anfange des Winters der Mali¬
bran zu Theil ward, als sie von einer Kunstreise
von einigen Monaten, die sie in Gesellschaft des
Herrn von Berriot gemacht, zurückkehrte. Jugend
und Schönheit haben Kredit, die alte Mars mußte
den Beifall mit ihrem Spiele baar vorauszahlen.
Nicht wegen, aber trotz der Mars hätte ich mich
diesen Komödien-Abend sehr gelangweilt, hätte nicht
Monrose mitgespielt in Marivauxs Stücke. Mon¬

zeln! Ich könnte darüber weinen, wenn ich nicht
lachen müßte, daß ich ein Mann geworden. Und
wenn ich den Spiegel küßte, ich ſehe keine Runzeln
in meinem Geſichte. Und doch ſind ſie da; aber wir
Männer haben keine Augen dafür. Ja die Weiber
haben keinen beſſern Freund als mich, und einen der
ſeltenſten Art; einen Freund in der Noth und nur
in der Noth, nicht im Glücke. An euern Freuden
will ich nicht Theil haben, ich habe keinen Sinn da¬
für; aber euere Leiden von verrathener Liebe bis
zum Schmerze eines beſiegten Hutes: ſie ſind mir
alle heilig.

Die Mars hatte wegen Krankheit ſeit einem
Jahre nicht ſpielen können, und da ſie nun zum
Erſtenmale wieder auftrat, wurde ſie mit lebhaftem,
aber doch nicht mit jenem ſtürmiſchen Beifalle emp¬
fangen, welcher im Anfange des Winters der Mali¬
bran zu Theil ward, als ſie von einer Kunſtreiſe
von einigen Monaten, die ſie in Geſellſchaft des
Herrn von Berriot gemacht, zurückkehrte. Jugend
und Schönheit haben Kredit, die alte Mars mußte
den Beifall mit ihrem Spiele baar vorauszahlen.
Nicht wegen, aber trotz der Mars hätte ich mich
dieſen Komödien-Abend ſehr gelangweilt, hätte nicht
Monroſe mitgeſpielt in Marivauxs Stücke. Mon¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0064" n="50"/>
zeln! Ich könnte darüber weinen, wenn ich nicht<lb/>
lachen müßte, daß ich ein Mann geworden. Und<lb/>
wenn ich den Spiegel küßte, ich &#x017F;ehe keine Runzeln<lb/>
in meinem Ge&#x017F;ichte. Und doch &#x017F;ind &#x017F;ie da; aber wir<lb/>
Männer haben keine Augen dafür. Ja die Weiber<lb/>
haben keinen be&#x017F;&#x017F;ern Freund als mich, und einen der<lb/>
&#x017F;elten&#x017F;ten Art; einen Freund in der Noth und nur<lb/>
in der Noth, nicht im Glücke. An euern Freuden<lb/>
will ich nicht Theil haben, ich habe keinen Sinn da¬<lb/>
für; aber euere Leiden von verrathener Liebe bis<lb/>
zum Schmerze eines be&#x017F;iegten Hutes: &#x017F;ie &#x017F;ind mir<lb/>
alle heilig.</p><lb/>
          <p>Die Mars hatte wegen Krankheit &#x017F;eit einem<lb/>
Jahre nicht &#x017F;pielen können, und da &#x017F;ie nun zum<lb/>
Er&#x017F;tenmale wieder auftrat, wurde &#x017F;ie mit lebhaftem,<lb/>
aber doch nicht mit jenem &#x017F;türmi&#x017F;chen Beifalle emp¬<lb/>
fangen, welcher im Anfange des Winters der Mali¬<lb/>
bran zu Theil ward, als &#x017F;ie von einer Kun&#x017F;trei&#x017F;e<lb/>
von einigen Monaten, die &#x017F;ie in Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft des<lb/>
Herrn von Berriot gemacht, zurückkehrte. Jugend<lb/>
und Schönheit haben Kredit, die alte Mars mußte<lb/>
den Beifall mit ihrem Spiele baar vorauszahlen.<lb/>
Nicht wegen, aber trotz der Mars hätte ich mich<lb/>
die&#x017F;en Komödien-Abend &#x017F;ehr gelangweilt, hätte nicht<lb/><hi rendition="#g">Monro&#x017F;e</hi> mitge&#x017F;pielt in Marivauxs Stücke. Mon¬<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[50/0064] zeln! Ich könnte darüber weinen, wenn ich nicht lachen müßte, daß ich ein Mann geworden. Und wenn ich den Spiegel küßte, ich ſehe keine Runzeln in meinem Geſichte. Und doch ſind ſie da; aber wir Männer haben keine Augen dafür. Ja die Weiber haben keinen beſſern Freund als mich, und einen der ſeltenſten Art; einen Freund in der Noth und nur in der Noth, nicht im Glücke. An euern Freuden will ich nicht Theil haben, ich habe keinen Sinn da¬ für; aber euere Leiden von verrathener Liebe bis zum Schmerze eines beſiegten Hutes: ſie ſind mir alle heilig. Die Mars hatte wegen Krankheit ſeit einem Jahre nicht ſpielen können, und da ſie nun zum Erſtenmale wieder auftrat, wurde ſie mit lebhaftem, aber doch nicht mit jenem ſtürmiſchen Beifalle emp¬ fangen, welcher im Anfange des Winters der Mali¬ bran zu Theil ward, als ſie von einer Kunſtreiſe von einigen Monaten, die ſie in Geſellſchaft des Herrn von Berriot gemacht, zurückkehrte. Jugend und Schönheit haben Kredit, die alte Mars mußte den Beifall mit ihrem Spiele baar vorauszahlen. Nicht wegen, aber trotz der Mars hätte ich mich dieſen Komödien-Abend ſehr gelangweilt, hätte nicht Monroſe mitgeſpielt in Marivauxs Stücke. Mon¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris04_1833
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris04_1833/64
Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris04_1833/64>, abgerufen am 25.11.2024.