Gesetze entbehren können. Dann aber bleibt in jenem Grundsatze die reinste, heiligste und unverletzlichste Vorschrift, wie der Sittlichkeit, so der Religion übrig. Weil sie rein ist, wird sie von allen besudelt; weil sie heilig ist, wird sie verspottet; weil unverletzlich, täglich übertreten. Doch ich mag nicht davon sprechen. Wer nur etwas gelebt hat und nur einen Tag nicht sich allein, der konnte wahrnehmen, wie man überall und zu allen Zeiten das niedre Volk als unorgani¬ sches Produkt betrachtet, als Erde, Steine, Sand, Wasser -- von Gott, dem Hofarchitekten der Vor¬ nehmen und Reichen, herbeigeschafft, diesen das Le¬ ben wohnlich und angenehm zu machen. Aber der Tag wird kommen, wo der zum Himmel gestiegene Thränendunst aller der Millionen Unglücklichen als Sündfluth niederstürzen, und die Reichen mit allen ihren aufgesparten Gütern bedrohen wird, und dann werden Schrecken und zu späte Reue die hohle Brust der Hartherzigen ausfüllen, und sie werden das Er¬ barmen, dessen Rufe sie nie gefolgt, selbst anrufen. Zweite Grundlehre. Tous les privileges de la naissauce, sans exception, seront abolis.
Werden hier die alterthümlichen bekannten Privilegien gemeint, wie die des Adels, der Pairs, oder sonst eines bevorrechteten Standes, so ist das eine so ent¬ schiedene Wahrheit, ein so fest gegründetes Recht, das man durch ein schadenfrohes Erwähnen derselben
IV.2
Geſetze entbehren können. Dann aber bleibt in jenem Grundſatze die reinſte, heiligſte und unverletzlichſte Vorſchrift, wie der Sittlichkeit, ſo der Religion übrig. Weil ſie rein iſt, wird ſie von allen beſudelt; weil ſie heilig iſt, wird ſie verſpottet; weil unverletzlich, täglich übertreten. Doch ich mag nicht davon ſprechen. Wer nur etwas gelebt hat und nur einen Tag nicht ſich allein, der konnte wahrnehmen, wie man überall und zu allen Zeiten das niedre Volk als unorgani¬ ſches Produkt betrachtet, als Erde, Steine, Sand, Waſſer — von Gott, dem Hofarchitekten der Vor¬ nehmen und Reichen, herbeigeſchafft, dieſen das Le¬ ben wohnlich und angenehm zu machen. Aber der Tag wird kommen, wo der zum Himmel geſtiegene Thränendunſt aller der Millionen Unglücklichen als Sündfluth niederſtürzen, und die Reichen mit allen ihren aufgeſparten Gütern bedrohen wird, und dann werden Schrecken und zu ſpäte Reue die hohle Bruſt der Hartherzigen ausfüllen, und ſie werden das Er¬ barmen, deſſen Rufe ſie nie gefolgt, ſelbſt anrufen. Zweite Grundlehre. Tous les privilèges de la naissauce, sans exception, seront abolis.
Werden hier die alterthümlichen bekannten Privilegien gemeint, wie die des Adels, der Pairs, oder ſonſt eines bevorrechteten Standes, ſo iſt das eine ſo ent¬ ſchiedene Wahrheit, ein ſo feſt gegründetes Recht, das man durch ein ſchadenfrohes Erwähnen derſelben
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Geſetze entbehren können. Dann aber bleibt in jenem<lb/>
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Geſetze entbehren können. Dann aber bleibt in jenem
Grundſatze die reinſte, heiligſte und unverletzlichſte
Vorſchrift, wie der Sittlichkeit, ſo der Religion übrig.
Weil ſie rein iſt, wird ſie von allen beſudelt; weil
ſie heilig iſt, wird ſie verſpottet; weil unverletzlich,
täglich übertreten. Doch ich mag nicht davon ſprechen.
Wer nur etwas gelebt hat und nur einen Tag nicht
ſich allein, der konnte wahrnehmen, wie man überall
und zu allen Zeiten das niedre Volk als unorgani¬
ſches Produkt betrachtet, als Erde, Steine, Sand,
Waſſer — von Gott, dem Hofarchitekten der Vor¬
nehmen und Reichen, herbeigeſchafft, dieſen das Le¬
ben wohnlich und angenehm zu machen. Aber der
Tag wird kommen, wo der zum Himmel geſtiegene
Thränendunſt aller der Millionen Unglücklichen als
Sündfluth niederſtürzen, und die Reichen mit allen
ihren aufgeſparten Gütern bedrohen wird, und dann
werden Schrecken und zu ſpäte Reue die hohle Bruſt
der Hartherzigen ausfüllen, und ſie werden das Er¬
barmen, deſſen Rufe ſie nie gefolgt, ſelbſt anrufen.
Zweite Grundlehre. Tous les privilèges
de la naissauce, sans exception, seront abolis.
Werden hier die alterthümlichen bekannten Privilegien
gemeint, wie die des Adels, der Pairs, oder ſonſt
eines bevorrechteten Standes, ſo iſt das eine ſo ent¬
ſchiedene Wahrheit, ein ſo feſt gegründetes Recht,
das man durch ein ſchadenfrohes Erwähnen derſelben
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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris04_1833/31>, abgerufen am 17.07.2024.
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