Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833.

Bild:
<< vorherige Seite

"Tanze zu reichen!!" Ich bitte Sie, zeigen Sie
mir die Brücke, die von meinem Spotte zu Ihrem
führt; ich kann sonst nicht hinüber kommen. Und
ei, ei! Ehe ich Ihr Ei, ei gelesen, war es mir
eine Belustigung, mich mit Ihnen zu necken, aber
dieses Ei, ei hat mich ganz verstimmt, und unwil¬
lig
rufe ich aus: es ist eine Schmach! Mit
solchem Ei-ei-Gesindel muß ich mich herumschlagen!

Der Stuttgarter Hofzeitungs-Schreiber, als er
den höchsten Gipfel der Begeisterung erreicht -- dort
oben in jener reinen Höhe, wo der Hofzahlmeister
wohnt; in jener seligen Stunde, wo er sein Quar¬
tal empfangen, sagt er, schreibt er als heiße, gefühl¬
ausströmende Quittung: "O du elende Schmeis¬
fliege
!" Nein das ist zu arg, und "was zu arg
ist
, ist zu arg," sagt Eduard Meyer in Hamburg.
Erst jetzt verstehe ich das große Wort. Und du mit
einem kleinen d -- so alles Herkommen und deutsche
Sitte verhöhnend! Und O! Hätte er wenigstens
gesagt: Ach, du elende Schmeisfliege! Eine Grob¬
heit, die mit Ach anfängt, kann ein vernünftiger
Mensch eigentlich gar nicht übel nehmen. Ach ist ein
Ausathmen, und von einer Grobheit zeigt es an, daß
die Grobheit in dem Menschen gesteckt, und daß er,
blos sich Luft zu machen, sie ausgesprochen. O
aber ist ein Einathmen, und verräth, daß eine Grob¬
heit, die damit beginnt, außer dem Menschen gewe¬

„Tanze zu reichen!!“ Ich bitte Sie, zeigen Sie
mir die Brücke, die von meinem Spotte zu Ihrem
führt; ich kann ſonſt nicht hinüber kommen. Und
ei, ei! Ehe ich Ihr Ei, ei geleſen, war es mir
eine Beluſtigung, mich mit Ihnen zu necken, aber
dieſes Ei, ei hat mich ganz verſtimmt, und unwil¬
lig
rufe ich aus: es iſt eine Schmach! Mit
ſolchem Ei-ei-Geſindel muß ich mich herumſchlagen!

Der Stuttgarter Hofzeitungs-Schreiber, als er
den höchſten Gipfel der Begeiſterung erreicht — dort
oben in jener reinen Höhe, wo der Hofzahlmeiſter
wohnt; in jener ſeligen Stunde, wo er ſein Quar¬
tal empfangen, ſagt er, ſchreibt er als heiße, gefühl¬
ausſtrömende Quittung: „O du elende Schmeis¬
fliege
!“ Nein das iſt zu arg, und „was zu arg
iſt
, iſt zu arg,“ ſagt Eduard Meyer in Hamburg.
Erſt jetzt verſtehe ich das große Wort. Und du mit
einem kleinen d — ſo alles Herkommen und deutſche
Sitte verhöhnend! Und O! Hätte er wenigſtens
geſagt: Ach, du elende Schmeisfliege! Eine Grob¬
heit, die mit Ach anfängt, kann ein vernünftiger
Menſch eigentlich gar nicht übel nehmen. Ach iſt ein
Ausathmen, und von einer Grobheit zeigt es an, daß
die Grobheit in dem Menſchen geſteckt, und daß er,
blos ſich Luft zu machen, ſie ausgeſprochen. O
aber iſt ein Einathmen, und verräth, daß eine Grob¬
heit, die damit beginnt, außer dem Menſchen gewe¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div>
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0217" n="203"/>
&#x201E;Tanze zu reichen!!&#x201C; Ich bitte Sie, zeigen Sie<lb/>
mir die Brücke, die von meinem Spotte zu Ihrem<lb/>
führt; ich kann &#x017F;on&#x017F;t nicht hinüber kommen. Und<lb/><hi rendition="#g">ei</hi>, <hi rendition="#g">ei</hi>! Ehe ich Ihr <hi rendition="#g">Ei</hi>, <hi rendition="#g">ei</hi> gele&#x017F;en, war es mir<lb/>
eine Belu&#x017F;tigung, mich mit Ihnen zu necken, aber<lb/>
die&#x017F;es <hi rendition="#g">Ei</hi>, <hi rendition="#g">ei</hi> hat mich ganz ver&#x017F;timmt, und <choice><sic>unwil¬<lb/>
willig</sic><corr>unwil¬<lb/>
lig</corr></choice> rufe ich aus: es i&#x017F;t eine Schmach! Mit<lb/>
&#x017F;olchem Ei-ei-Ge&#x017F;indel muß ich mich herum&#x017F;chlagen!</p><lb/>
            <p>Der Stuttgarter Hofzeitungs-Schreiber, als er<lb/>
den höch&#x017F;ten Gipfel der Begei&#x017F;terung erreicht &#x2014; dort<lb/>
oben in jener reinen Höhe, wo der Hofzahlmei&#x017F;ter<lb/>
wohnt; in jener &#x017F;eligen Stunde, wo er &#x017F;ein Quar¬<lb/>
tal empfangen, &#x017F;agt er, &#x017F;chreibt er als heiße, gefühl¬<lb/>
aus&#x017F;trömende Quittung: &#x201E;<hi rendition="#g">O du elende Schmeis¬<lb/>
fliege</hi>!&#x201C; Nein das i&#x017F;t zu arg, und &#x201E;<hi rendition="#g">was zu arg<lb/>
i&#x017F;t</hi>, <hi rendition="#g">i&#x017F;t zu arg</hi>,&#x201C; &#x017F;agt Eduard Meyer in Hamburg.<lb/>
Er&#x017F;t jetzt ver&#x017F;tehe ich das große Wort. Und <hi rendition="#g">du</hi> mit<lb/>
einem kleinen d &#x2014; &#x017F;o alles Herkommen und deut&#x017F;che<lb/>
Sitte verhöhnend! Und O! Hätte er wenig&#x017F;tens<lb/>
ge&#x017F;agt: <hi rendition="#g">Ach</hi>, du elende Schmeisfliege! Eine Grob¬<lb/>
heit, die mit <hi rendition="#g">Ach</hi> anfängt, kann ein vernünftiger<lb/>
Men&#x017F;ch eigentlich gar nicht übel nehmen. <hi rendition="#g">Ach</hi> i&#x017F;t ein<lb/>
Ausathmen, und von einer Grobheit zeigt es an, daß<lb/>
die Grobheit in dem Men&#x017F;chen ge&#x017F;teckt, und daß er,<lb/>
blos &#x017F;ich Luft zu machen, &#x017F;ie ausge&#x017F;prochen. O<lb/>
aber i&#x017F;t ein Einathmen, und verräth, daß eine Grob¬<lb/>
heit, die damit beginnt, außer dem Men&#x017F;chen gewe¬<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[203/0217] „Tanze zu reichen!!“ Ich bitte Sie, zeigen Sie mir die Brücke, die von meinem Spotte zu Ihrem führt; ich kann ſonſt nicht hinüber kommen. Und ei, ei! Ehe ich Ihr Ei, ei geleſen, war es mir eine Beluſtigung, mich mit Ihnen zu necken, aber dieſes Ei, ei hat mich ganz verſtimmt, und unwil¬ lig rufe ich aus: es iſt eine Schmach! Mit ſolchem Ei-ei-Geſindel muß ich mich herumſchlagen! Der Stuttgarter Hofzeitungs-Schreiber, als er den höchſten Gipfel der Begeiſterung erreicht — dort oben in jener reinen Höhe, wo der Hofzahlmeiſter wohnt; in jener ſeligen Stunde, wo er ſein Quar¬ tal empfangen, ſagt er, ſchreibt er als heiße, gefühl¬ ausſtrömende Quittung: „O du elende Schmeis¬ fliege!“ Nein das iſt zu arg, und „was zu arg iſt, iſt zu arg,“ ſagt Eduard Meyer in Hamburg. Erſt jetzt verſtehe ich das große Wort. Und du mit einem kleinen d — ſo alles Herkommen und deutſche Sitte verhöhnend! Und O! Hätte er wenigſtens geſagt: Ach, du elende Schmeisfliege! Eine Grob¬ heit, die mit Ach anfängt, kann ein vernünftiger Menſch eigentlich gar nicht übel nehmen. Ach iſt ein Ausathmen, und von einer Grobheit zeigt es an, daß die Grobheit in dem Menſchen geſteckt, und daß er, blos ſich Luft zu machen, ſie ausgeſprochen. O aber iſt ein Einathmen, und verräth, daß eine Grob¬ heit, die damit beginnt, außer dem Menſchen gewe¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris04_1833
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris04_1833/217
Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris04_1833/217>, abgerufen am 05.05.2024.